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S c
14. Der Schleier der Beatrice
ichneten Siellen einzureichen.
digen
1
W
st unmöglich bekannten Dame einen Ausflug nach Wien cotz= ungeheure Unrecht in der Welt, daß die Sehnsucht nießende und todtverachtende Zeit, ihre trotzigen
eelle. Derdem von diesen Ausflügen der Frau Rupius selt= nach Wonne ebenso in die Frau gelegt ward als in Männer, ihre wunderbaren Frauen sind aus dem
den Mann; und daß es bei den Frauen Sünde Grabe der Geschichte auferstanden und, im Spiegel
samie Gerüchtesdurch die klatschsüchtige Stadt
nserem Em¬
wird und Sühne fordert, wenn die Sehnsucht nach
fliegen. Das großstädtische Leben weckt die in ihr
r ebrauchte
vor uns.
le Wunden. keimenden Wünsche und Hoffnungen, die sie längst Wonne nicht zugleich die Sehnsucht nach dem
Kinde ist.“
verdorrk glaubte. Auch lockt der Freundin gefähr¬
um die Liebe
In Bologna ist's und der Herzog heißt Lionardo
In diesen Orgelton klingt die Novelle aus. Ihr
liches Beispiel. Sie schreibt, ohne an alle mög¬
benbuhlerin¬
Bentivoglio. Ob er noch morgen so heißen wirds
Bestes läßt sich nicht wiedergeben; es ist die wunder¬
lichen Folgen denken zu wollen, dem Jugendfreunde
Ein Dichter,
Niemand weiß es; denn draußen steht Cesare Bor¬
einen Gratulationsbrief; Emil Lindbach antwortet
bare Treue, mit der diese Seelenkrisis geschildert
Krankheits¬
gia, des furchtbaren Alexanders furchtbarer Sohn,
freundschaftlich und sofort. Sie kommt nach Wien,
ist. Die allergeheimsten Gefühle einer Frauenseele,
Voraussetz¬
mit einem großen Heere, und eine merkwürdige
nicht nur Gedanken und Wünsche, sondern Stim¬
in dem Museum treffen sie sich, sie verbringen den
eKrisis und
Stimmung von begehrender Todesangst und ver¬
mungen, die sich schon im dunklen Reich des Unbe¬
Abend zusammen und der sieggewohnte Künsiler
enauen Ge¬
zweifelnder Lebenslust liegt auf der belagerten
wußten abspielen, dürfen wir mitfühlen. Die letzten
führt die arme Frau, in der alle verpaßten Be¬
r Ausführ¬
Stadt. Alle — die Einen jammernd, die Andern
gierden, alle ungewährte Liebe ihres Lebens plötz= Schleier, die auf einer Frauenseele ruhen, hebt
chaftlich wie
tollend — fühlen, daß sie vor der Entscheidung
lich ausbrechen, mit sich. Ihre bisherige Tugend Schnitzler mit zarter und doch sicherer Hand, daß
stehen. Nur Filippo Loschi der Dichter, ahnt hinter
scheint der von ihrer Liebe ganz Berauschten träge wir sie zitternd und bloß sehen können. Diese
em kleinen
den hohen Mauern seines Gartens und den höheren
und feige; versunken ist ihre Wohlanständigkeit; psychologische Kunst hat Keiner der Franzosen er¬
rovinzstadt.
seiner Seele nichts davon, daß „der Tod über allen
nd Wittwe.seine Gattin, oder, geht es nicht anders, seine Ge= reicht, von denen man Schnitzler abhängig erklärt
Dächern schwebt". Er kennt ja auch seine Freunde
r und guter liebte will sie sein. Aber der genußsüchtige Lebens= hat; sie hat ihresgleichen nur bei den großen
nicht mehr und hat seine Braut vergessen, die in ihm
Tode ihrer lüstling denkt nicht daran, sich mit solcher Bürde zuSkandinaviern und Russen, vor Allem bei Tolstoi
seine wundervollsten Lieder entstehen ließ, seines
drohte. Er beladen; sie war ihm Genußobjekt, eine vorüber= und Dostojewsky. Während sie aber bei diesen
Fürsten ehrenden Ruf weist er zurück. Denn er ist
großen Romanciers viele Menschen und deren gan¬
g und Liebe gehende, angenehme Zerstreuung, weiter nichts.
ganz eingesponnen in eine Liebe zur sechzehnjähr¬
zen Lebensinhalt umfaßt, wird uns von Schnitzler
Hie hatte sich Sie muß das erkennen im selben Augenblick, da
igen Beatrice, eines verrückten Wappenschneiders
in novellistischer Beschränkung nur die kritische
osin — viel= Frau Rupius an dem Versuche stirbt, der Welt die
holdem Kinde. Sie ist ganz Hingebung, ganz
ünstlers —Folgen ihres verbotenen Glückes zu verdecken, und Periode in einem Frauenleben gezeigt. Auch stört
Weib. Zu sehr Weib; denn sie verräth ihn
Enheit schien auch in ihr die furchtbare Angst vor solcher Strafe, der Kunstfehler empfindlich, daß die Lösung des
schon, wenn auch vorerst nur im Traume.
Problems durch eine Parallelhandlung, durchSie hat geträumt, daß der junge Herzog sie
iebte sie und solchem Kinderfluche, erwacht ist. „Plötzlich flim¬
das Mißgeschick der Frau Rupius, erfolgt. Dieses
sie dem Be=mert es ihr vor den Augen, eine wohlbekannte,
zu seiner Herzogin gemacht hat und ist mit
die bürger=olötzliche Schwäche kam über sie, ein Schwindel, System der Parallelhandlungen ist alte Schule, es
seinem Kuß auf ihren Lippen erwacht. Sie er¬
der sich gleich verlor. Zuerst bebte sie leise, dann lwirkt durch seine Absichtlichkeit konstruirt und
Ette alle ihre
zählt es Filippo, der die so Beschmutzte („die
aber athmete sie tief und wie erlöst auf denn mit scheint mir, da es Dinge, die durch innerliche Motive
int ihr der
Träume sind Begierden ohne Muth“), die „als
dem Hereinbrechen dieser Ermattung fühlte sie ja zu lösen wären, durch äußerliche Thatsachen zu
Pirtuose alle
Dirne ihres Traums“ daherkommt, wegjagt.
auch, daß in diesem Augenblick nicht nur ihre Be¬ lösen versucht, unkünstlerisch. Aber das nimmt der
lt zu weilen.
Beatrice: Und niemals wieder?
Novelle, ihren Beobachtungen, ihrer fast unheim¬
fürchtungen von früher, sondern der ganze Wahn
ndKlavier¬
Filippo: Im Leben nicht.
lichen Tiefgründigkeit nichts von ihrem Werth.
dieser wirren Tage, die letzten Schauer einer ver¬
Beatrice lächelt.
gen Familien
Ein Romancier scheint mir Schnitzler nach dieser
Filippo: Und warum lächelst Du?
langenden Weiblichkeit, Alles, was sie für Liebe ge¬
dene Leben.
Probe allerdings nicht zu sein; denn ihn interessirt
Beatrice: Im Leben nicht — Du sprachst es selber
halten, in nichts zu verströmen begannen. Und an
ihre Ruhe.
ausi
nur die Psychologie des Individuums und in ihr
lte sie sich diesem Todtenbette kniend, wußte sie, daß sie nicht
Fühl' ich, daß ich nicht sein kann ohne Dich,
nur ein einzelner, das Leben bestimmender Moment.
icht mehr so von Denen war, die, mit leichtem Sinne beschenkt,
Und hab' zu sterben Lust, so komm' ich wieder,
Diese Konzentration ist nicht episch; sie ist die Art
tte zuweilen die Freuden des Lebens ohne Zagen trinken können.
Und nehm' Dich mit.
des Dramatikers.
— Und während sie die blasse Stirn der
esie nie ge¬
Filippo: So spielst Du mit dem Tod, wie mit dem
Und er ist ein Dramatiker. Wenn er es nie be¬
Todten betrachtete, mußte sie an den Unbekannten
Ene plötzliche
Leben!
wiesen hätte, im „Schleier der Beatrice“ spürt man
sichtem Tage denken, für den sie hatte sterben müssen, und der
Rasch genug wird des jungen Weibes Traum
es. Ein Gluthhauch geht durch das Drama. In
tes in ihrem straflos und wohl auch reuelos draußen in der
den leuchtendsten Farben der großen Meister der wahr. Als der Herzog am Abend vor der Entscheid¬
nd die sie an großen Stadt herumgehen und weiterleben durfte,
Renaissance ist dieses Stück gemalt. Wir haben ung mit seinen Rittern durch die nächtliche Stadt
chenzeit er=wie ein Anderer auch . .. nein, wie tausend und
d lebhaften tausend Andere, die neulich ihr Kleid gestreift und kein historisches Drama, in dem das Kolorit so geht, sieht er die Schöne, die, von ihrem Bruder ge¬
ß, mit einer sie begehrlich angestarrt hatten. Und sie ahnte das wundervoll getroffen wäre. Die wilde, lebenge=führt, zur Hochzeit mit einem braven, jungen Hand¬