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14: Der Schleier der Beatrice
ßt, seis undewußt — das eigentlich Renais. 1 Hauptmann und Sudermann wollten und wollen 1o Stürmen nicht lassen kann. „Der Liebe hat und darf sie
nicht verschwenden“, und muß es doch. Ein Mensch, der
sich nach Menschen sehnt, die ihn verstehen, ohne sie zu
ige. So gewaltige Schicksale sie oft gehabt auch Großes. Nur kommt im „Sebastian“ zum Wollen
e wuchsen nicht aus ihnen heraus, sondern ein gut Stück Können, und in einer Sprache, die für finden. Mit Recht erwidert ihm Einer, als er Verlangen
mein Empfinden nur ein= zweimal, namentlich S. 68, trägt, „als Mensch zum Menschen zu sprechen“: „Diese
n außen an sie heran.
empfindlich stört, weil sie aus dem Ton des Ganzen Sprache ist von allen die schwerste.“ Zwar sagt seine
feines Büchlein sind die „Zwischenspiele
herausfällt. Die Sprache hat Fülle, sie ist nicht arm geutter: „Dein Geist ist stark und trägt auch Einsam¬
sen“*) von L. Ysaye. Hier scheint mir auch
sondern reich. Sebastian kann für das Königliche im roit.“ Aber fast nur Einsamkeiten durch ein ganzes
schmuck gut zum zarten Inhalte zu stimmen.
Menschen, das so oft schweigt, schläft und wie todt liegt, Leben tragen, vermag schon der königliche Mensch nicht.
int von Fanny Zakuska. Die Zwischenspiele
Worte und Gestalt gewinnen. So gebärdet er sich gian denke z. V. an Nietzsche und Multatuli. Mit der
hier kurze Dialogskizzen. Jede in nuce ein
Naivetät des Genius hält Sebastian alle Menschen für
denn nicht nur als der geniale, königliche Mensch —
in Wirklichkeit aber nur letzte Akte. Wir suchen
Menschen und hält fest an diesem Glauben, um für ihn
solch kläglich Schauspiel sehen wir ja schon oft genug —
m Drama einmal wieder nach neuen Formen
zu bluten. Aber auch in sein Leben hat sich „alles
sondern er ist es wirklich, wie sein Reden und Thun
halten, die uns modernen Menschen kongruent
Lebens Trüberin, die Lüge“ eingeschlichen. Damit ist
ausweist. Es ist lange her, daß sich derlei in einem
n kongenial kann man nicht gut sagen. Stizzen¬
er abgefallen von sich selbst, der nach allgemeinem
Drama fand. Dieser königliche Mensch wird nun aber
wir selbst wird auch unsere Produktion. So istes
Menschenloos ja garnicht immer sich selbst treubleiben
auch thatsächlich, im gewöhnlichen Sinne des Wortes,
h. Dramatische Skizzen. Das soll kein Vorwurf
kann. Und so stirbt denn der königliche Mensch Se¬
ein König. Sein Freund, der rechtmäßige König, recht¬
dern will nur eine Thatsache konstatiren. Und
mäßig, weil er fürstlichen Blutes ist, sieht ihm so ähnlich pastian im tiefsten Grunde an sich selbst, an der Untreue
r Leben äußerlich ziemlich aktionslos geworden
daß beide, die beide Sebastian heißen, äußerlich nicht Tgen sich selbst, ohne die nun einmal kein Mensch zum
uch unser Dichten. Unsere Konflikte kommen
von einander zu scheiden sind, Dieser rechtmäßige König Sterben kommt. Wie aber der König Sebastian zu
kmehr rein aus dem Innern, soweit es nicht
wünscht, daß sein Freund ihm völlig gleich gertstet mit Grunde gehen muß, und an welchen Konflikten, kann
Konflikte sind. So verinnerlicht sich denn auch
in die Schlacht zieht, denn wenn der rechtmäßige König ich des Raumes willen nicht erzählen. Leider hat das
matik. Und da Ysaye mehr gefühlsstark als
fallen sollte, will er, daß der Freund ohneweiters an Dramg einige epische Längen, und so schön die Sprache
tig ist, sind es auch seine Zwischenspiele.
oft ist, sie ist zu wenig individualisirt. Alle Menschen des
seine Stelle trete. Der rechtmäßige König fällt, und der
Dramas reden die Sprache Sebastian=Geuckes. Ist
d nun habe ich noch die Freude, von einem mir
geborene König wird König. Mit tiefer Ironie zeigt
Geucke, daß der geborene König leider nichts ist, wenn er das aber einmal nicht der Fall, shakespearen sie allzu
matiker noch Unbekannten sprechen zu dürfen,
nicht zufällig auch rechtmäßig, ahnenmäßig König ist. stark. Der Ausgang der Tragödie leidet nach meiner
ragödie in fünf Akten „Sebastian“**) viel
Hier liegt wieder ein Konflikt, der zur Gestaltung Meinung darunter, daß er zu viel eine Parallele mit!
d noch mehr verspricht. Sie stammt von Kurt
kommt. Es war ein guter Griff, aus dem königlichen der Tragödie Jesu von Nazareth sucht und die gefun¬
ke. Es ist ein historisches Drama, der portugie¬
dene zu breit betont. Es ließe sich noch mancherlei aus¬
Menschen auch wirklich einen König zu machen und die
Geschichte entnommen, seiner ganzen Art nach
setzen. Man sieht, ich bin nicht blind diesem Stück
allgemein menschlichen Konflikte mit den aus seinem
deutsch, daß die portugiesischen Namen zuweilen
widerrechtlichen Königthum erwachsenden zu verbinden.
störend wirken. Sebastian ist ein königlicher
Dadurch gewinnt das ganze Werk an Gegenständlichkeit, gegenüber. Vielleicht glaubt man mir deshalb um so
- das Drama trägt die Widmung: „Den
die mehr innerlichen Konflikte an konkreter Anschaulich= mehr, daß wir, auf das Ganze gesehen, hier ein Drama
n der Erde“. Die Kämpfe und Leiden, das Unter¬
keit und bühnengemäßer Aktionskraft. So tritt das haben, das in der That werthvoll ist. Und da wir uns
und Siegen eines solchen Menschen wird darge¬
Menschliche und rein Seelische kräftig nach außen. Das schon lange Zeit nach freierer, reinerer, dramatischer
nd damit ein Stück von unser aller Leiden und
Werk verliert sich nicht in psychologischen Spitzfindig. Höhenluft sehnen, finden sich hoffentlich auch Direktoren,
die, schon weil sie das wissen werden, es einmal mit
ffen, Siegen und Unterliegen, soweit wir keine
keiten, sondern entfaltet sich äußerst kompakt und real dem „Sebastian“ versuchen.
zigen Philister sind und nur zufällig eine Men¬
Schließlich sei noch erwähnt, daß Byron's
Ich sehe darin den starken Bühneninstinkt des Dichters,
kele in einem Leibe auf zwei Beinen tragen, weil
„Manfred“*) in einer neuen, schönen Ausgabe vor¬
was nur erfreulich ist, weil damit nach all den technischen
lbst zweibeinige Eltern gehabt haben. Dies allge¬
liegt, die Ludwig Wüllner eingeleitet und Walter
Mätzchen einmal wieder ein gesunder Weg betreten wird.
Menschliche ist mir das Wichtigste an dem Drama,
Tiemann mit meist sehr passendem Buchschmuck ver¬
Das Theater ist ja nicht nur ein Orpheum für psycho¬
Fgrade hierdurch vor Allem überragt es die Durch¬
sehen hat. Das Deutsch dieser Ausgabe deckt sich im
logische Excentriks. In den fünf Akten durchleidet nun
sproduktion unserer Theaterdichter bei weitem.
Wesentlichen mit dem, was Adolf Böttger seiner
Sebastian jedes Vollmenschen Leiden, „ein Sonnen¬
Zeit bot. Diese Rhythmen wirken direkt orchestral. Und
Wien, Wiener Verlag, 1901.
sturm, verstreifend über Disteln“, der aber doch das
), Berlin. Hermann Walter, 1#
was den Inhalt angeht, so versteht man, daß Mal¬
slarmé einmal sagen konnte: „Je nesais qu'une bombe,
c’est le livre.“
*) Leipzig, Hermann Seemann Nachfolger, 1900.