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weise auch hier nicht lohnen, aber jedenfalls muß man Herrn Brahm
für die Aufführung dankbar sein, denn Arthur Schnitzler ist ein #el#
Dichter, der ein Recht darauf hat, gehört zu werden, auch da, l'o#
Telephon 12801.
wo er etwa in heißer Sehnsucht über die Grenzen seines Talents an¬
hinausgestrebt hat. Was Schnitzler für die Bühne bis heute
Alex. Welgl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
geschaffen hat, war immer von starkem und eigenartigem Können:
getragen, wenn es sich auch meist in leichte, gefällige Formen #i
Ausschnitt
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kleidete. Und daß er nicht bloß als skeptischer Satiriker ins rn.
Nelos „OBSERYER“
Nr. 19
Leben schaut, sondern daß auch starke dramatische Kraft in ihm
lebt, hat er zum mindesten in seinem Einakter „Der grüne ilt
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Kakadu“ bewiesen. Im „Schleier der Beatrice“ freilich lo
Wien, IX/, Türkenstrasse 12.
hat er sich ein bißchen zu viel zugemutet. Das 76
sch
— Filiale in Budapest: „Figyelö“
Problem, das er sich gestellt hat, ist tief und bedeut¬
sam. Er wollte gleichsam das Weib an sich auf
Lif Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
die Bühne bringen, ein junges, schönes, blühendes Mädchen,
dem alles nur ein Spiel ist, das ahnungslos durch Leben und
Liebe schreitet, das durch die Gewalt seiner Schönheit die Männer
Ausschnitt aus:
verdirbt, ohne es zu wollen, und das, wie ein Kind, nur vor
Sahiuger-Heitung, Sanm
dem Tod sich fürchtet. So liebt sie den Dichter Filippo Loschi,
der um ihretwillen Braut, Ehre und alles zu opfern bereit ist,
vom: —
bis er erkennt, daß in ihrem tiefsten Herzen sie sich auch nach
anberem sehnt, nach Glanz und Pracht, die ihre Träume be¬
herrschen. So wird sie des Herzogs von Bologna Gattin, so
treibt sie den armen Vittorino, der sie so gern zum
Altar führen möchte, in den Tod, und so drückt sie auch
Kunst und Wissenschaft.
ihrem Dichter Filippo, dem Einzigen, den ihre Kinderseele liebt,
* Deutsches Theater. Arthur Schnitzler's fünfaktiges
zuletzt den Giftbecher an die Lippen, bis sie endlich selbst durch
Schauspiel: „Der Schleier der Beatrice“ erlebte am gestrigen
des eigenen Bruders Dolch den Tod erkennen lernt. Mit Recht
Sonnabend seine erste Berliner Aufführung, nachdem es schon auf
sagt der Herzog zu ihr:
vielen auswärtigen Bühnen zur Darstellung gelangt ist. Der große
Warst Du nicht, Beatrice, nur ein Kind,
Erfolg von „Monna Vanna“ und der Vortritt des „armen Heinrich“
Das mit der Krone spielte, weil sie glänzte, —
hatte Schnitzler's Drama in der Schumannstraße zu einem längeren
Mit eines Dichters Seel', weil sie voll Rätsel, —
Mit eines Jünglings Herzen, weil's Dir just
Antichambrieren genötigt. Nun es in Scene gegangen ist, hat sich aber
Geschenkt war? Aber wir sind allzu streng
das alte Sprichwort „Was lange währt, wird gut“ nicht
Und leiden's nicht, und jeder von uns wollte
bestätigt, weder in dem einen Sinne, noch in dem
Nicht nur das einz'ge Spielzeng sein — nein, mehr!
änderen. Fünf Akte von bedeutender Ausdehnung, von un¬
Die ganze Welt. So nannten wir Dein Tun
pgruhigster Fülle und stellenweise allzu deklamatorisch, der
Betrug und Frevel — und Du warst ein Kind!
„dramatische Kern in einen breiten Rahmen vom Kulturbildlichen aus gclusive
Hätte Arthur Schnitzler sich auf die Lösung dieses Problems be¬
„ der italienischen Renaissance hineingepflanzt, — das alles ließ die Porto.
schränkt, er hätte ein gutes Stück geschaffen, zweifellos ein viel
prechte Teilnahme eines übervollen und dem hochbegabten Wiener ahlbar
besseres, als jetzt sein „Schleier der Beatrice“ ist. Aber er hat
* Dramatiker mit berechtigt großer Spannung begegnenden Hauses nicht Voraus.
den Menschen seiner Dichtung, die nie und nimmer gelebt haben
könnten, auch noch ein ganz spezifisches Zeitkolorit gegeben. Sein
Al aufkommen, zumal auch die von Irene Triesch und dem ihr eigenen: ist das
Herzog von Bologna mußte sich, außer mit seiner Leidenschaft
Ab feinen Talente dargestellte weibliche Hauptrolle Beatrice ein ziemlich ht es den
für die schöne Beatrice, auch noch mit dem tückischen Cesar
rätselhaftes physiologisches Problem ist und die Empfindung nicht !1.
Borgia herumraufen, sein Dichter Filippo Loschi mußte mit aller
tiefer berühren kann. Bologna steht am Vorabend großer und nicht eben stend die
Gewalt ein Uebermensch der Renaissance werden, und noch eine
5 für den Herzog, wie für seine Edelleute und bürgerlichen Untertanen orgen¬
ganze Menge höchst überflüssiger und deshalb störender
we angenehmer Ereignisse. Man fürchtet den Sturm und Ueberfall feind= Zeitung“)
Motive und Personen packte er zu dem gleichen Zwecke
Le licher Truppen unter der Führung des Cäsar Borgia von Rom aus. shaftliche
noch in sein Schauspiel hinein. Und so zerrte er die wunder¬
iese Mit¬
th Der Hintergrund ist in der Stimmung ähnlich gehalten, wie bei der
volle, von tiefstem Empfinden getragene Stimmung einiger
Pest von Florenz. Es liegt etwas Unabwendbares, Unvermeidliches,
weniger Szenen zu fünf langen Akten auseinander, in denen nur
zu vieles verstimmend wirken muß. Diesem Mißverhältnis
Tragisches in der Luft, und wenn sich auch viele zum Kampfe für das
zwischen Form und Inhalt entsprach so ziemlich auch die Auf¬
Vaterland rüsten, so drängt sich doch auch wieder die Freude am Leben,
nahme, welche die Dichtung gestern beim Publikum fand.
die Lust an Scherzen und Festen fast baechanalisch in den Vordergrund,
Manches nahm man gleichgültig entgegen, bei vielem hatte der
sodaß man von Kampf und Krieg weniger vernimmt, als von Liebe,
lärmende Beifall der Freunde lebhaften Widerspruch zu übertönen,
Küssen, Hochzeit und Festesjubel. Dazwischen hindurch schreitet aber
aber die wenigen Szenen, in denen das eigentliche Grundmotiv
das gigantische Schicksal, und um eines lieblichen, ein wenig törichten
sich in reiner, leuchtender Schönheit aus dem belastenden Beiwerk
Mädchens willen, welches, wie in einem Märchen der noch junggesellige
herausschält, wurden dafür auch mit stürmischem Beifall begrüßt.
und nach wahrer Liebe dürstend gewalttätige Herzog ihrem Verlobten
Wie es bei Premièren üblich ist, konnte der Dichter jedoch auch
unmittelbar vor der Trauung abspenstig macht und selbst noch freit und
sonst nach jedem Aktschluß vor der Gardine erscheinen. — Die
zur Herzogin von Bologna erhebt, gehen zwei edle Bologneser in den
Darstellung tat gestern nur in einigen Hauptrollen voll ihre
freiwillig gewählten Tod. Der bürgerliche Bräutigam ersticht sich und
Schuldigkeit. Rudolf Rittner gab den Filippo, der im
Grunde durchaus kein Renaissancemensch, sondern ein träumender
der wahre Mann von Beatricens Herzen vergiftet sich im dritten Akt.
Schwärmer ist, etwas zu gesund und robust, aber in der großen
Der letztgenannte ist der äußerst viel redende und zum
Szene des dritten Aktes, der schönsten des ganzen Stückes, fand
Deklamieren geneigte, bewunderte Poet Filippo Loschi. Er
er innerliche und ergreifende Töne. Für die unbewußte,
hat die Geliebte verstoßen, da er glaubt, aus einer
naive Perversität der Beatrice hat Irene Triesch
Traum=Erzählung der kleinen Schönen eine schlechte Seele
von Hause aus nicht gerade die überzeugendsten Ausdrucks¬
bei ihr annehmen zu müssen. Während der Hochzeitsfeierlichkeiten
mittel, um so
lebhafter muß die Geschicklichkeit auer¬
bei Hofe verläßt aber Beatrice heimlich das Schloß und erscheint
kannt werden, mit der sie sich von Akt zu Akt mehr in den Geist
wieder bei Filippo, der die Unglückliche zum zweiten Male abweist und
der Gestalt hineinfand. Friedrich Kayßler lieh dem
vor ihren Augen in den Tod geht. In der Verwirrung verliert sie
Herzog viel kraftvolle Männlichkeit, nur redete er Schnitzlers klang¬
bei dem Toten den Brautschleier und kehrt ohne ihn in die ob des Ver¬
schöne Verse oft in Grund und Boden. Ueberhaupt das Sprechen
schwindens der Braut aufgeregte Hochzeitsgesellschaft zurück. Dieser 4. Akt
im Deutschen Theater! Die Grenze zwischen Vers und Prosa,
besitzt große dramatische Kraft und auch der letzte, in welchem Beatrice an
die Schnitzler in seiner Dichtung mit kluger Absichtlichkeit gezogen
der Hand des mißtrauisch gewordenen Herzogs im Hause Filippo's vor
hat, wurde nur zu oft plump und rücksichtslos verwischt. Von
Anbruch der Dämmerung erscheint, den Schleier sucht, während
den Darstellern der zahllosen kleineren Rollen können nur Louise
Dümont und Luise von Pöllnitz, sowie die Herren
der Herzog die Leiche entdeckt, hat viel Fesselndes. Beatrice wird
Bassermann, Sauer Fischer, Stieler und
schließlich das Opfer ihres Bruders, der in einer Art von Valentin¬
Meinhard mit Anerkennung genannt werden. Im übrigen
Stimmung die Schwester ersticht. Schnitzler wurde nach allen
tummelte sich eine verblüffende Fülle von Talentlosigkeit auf der
Akten gerufen, aber nicht ohne Opposition. Der Darstellung verbleiben
Bühne herum.
noch einige Worte.