Faksimile

Text

14 Der Schleiender Beatrice
geh
Unterbaltungsblatt.
* Deutsches Theater. Des italienischen Dichters Ga¬
(briel d' Azogno Trauerspiel „Francesca da Rimini“,
welches uns gelegentlich des letzten Duse'schen Gastspiels im
Lessing=Theater vorgeführt wurde, ist auch, wie Schnitzler's
„Schleier der Beatrice“, ein großes Kulturgemälde
italienischer Renaissance, verflochten mit einer Liebestragödie auf
engerem Boden. Aber der Italiener, im Besitze seines nationalen
Stoffes, hält die dramatischen Zügel straffer, als es dem phan¬
tasiereichen Wiener Dichter gelungen ist. Die schwärmerische
Liebe Filippo's zu der sirenenhaft berückenden Beatrice, der
jüngeren von zwei Töchtern eines halb verrückten Wappen¬
schneiders in Bologna, hat schon ein tragisches Verhängnis er¬
zeugt, bevor das Stück beginnt. Um Beatricens willen hat
Filippo ein anderes Mädchen, dem sein Herz gehörte. fallen
lassen, und der Schmerz über diese Schmach hat der Unglück¬
lichen die Sprache geraubt. Aber am Schluß des ersten Aktes
ist der etwas hamletartige Filippo, der gefeierte Sänger
Bolognas, auch schon mit der angebeteten Beatrice fertig, weil
er sie ibrer naiv=sinnlichen Flatterhaftigkeit nach nicht mehr für
würdig genug hält, mit ihm fürderhin durch das Leben zu
schreiten. Einen Ersatz für den Verlust der schönen Beatrice,
welche den skrupulösen Liebhaber garnicht zu begreifen vermag,
findet Filippo alsdann sofort im bacchanalischen Verkehr mit
einigen Courtisanen aus Florenz, die dem allverehrten
Poeten zu Gefallen sich von ihren Kavalieren losgesagt haben.
Aber schal und ekel bleibt dem sonderbaren und zur Ueppigkeit
neigenden Sänger doch das Leben. Der Herzog verlangt nach
ihm, dem bewunderten Dichter und Freunde, aber der Bote
kommt resuliatlos zurück. Filippo kommt nicht mehr an den
Hof und will nicht mehr dichten, und am Schluß des
dritten Aktes, nachdem Beatrice mittlerweile als rasch
avancierte Braut des Herzogs heimlich sich vom Hochzeits¬
feste entfernt hat und naiverweise wieder bei ihm erschienen.
ist, um ihn zu versöhnen, bereitet er der Unglücklichen das
grauenhafte Schauspiel des Abschieds vom Leben für immer.
Er hat Beatrice also doch geliebt und die Trennung nicht
## binden können. Und wie Filippo ein Opfer der von dem
box 20/4
Antor als ein ganz eigenartiges kindlich berücklmdes,
naiv=dämonisches Wesen
gezeichneten Beatrice
so
#ar es schon
vor
ihm der von der Feimilie
und namentlich vom sorglichen Bruder ihr bestiimmte
bürgerliche Bräutigam Vittorino, den sie auf dem Gamje zur
Tranung verläßt, um der Werbung des Herzogs zu Holgen,
der die schöne Beatrice gewillt ist, am Tage vor dem weraus¬
sichtlichen Untergange seiner eigenen Herrlichkeit zur (Hattin
und Herzogin zu erheben. Das tragische. Schicksal dieser
Bologneserin wurde bereits berührt, auch die äußerst anz'hende
Darstellung des Frl. Irene Triesa,, die nur stellesweise
den Ton der Rede im Drange ihrer subtilen Empfind ungen
bis zur Unverständlichkeit verfeinerte und dadurch das Rätsel
des Charakters noch geheimnisvoller machte. Herr Rit##er
gab dem Filippo andrerseits die angenehmste Klarheit, nur
nicht zugleich den erforderlichen poetisch=schwärmerischen Zug.
Herr Kayßler, als Herzog, gab dem Gewalthaber Boldgna's
den vollen markigen und gebieterischen Ausdruck. Als vierte
der Hauptrollen macht sich Andrea, der Bruder von Fili)ppo's
verlassener Teresina geltend. Sie lag bei Herrn Sommiers¬
torff in den besten Händen. In der verwirrenden 9enge
von 40 Trägern des Dramas traten dann nur noch die Mit¬
glieder der Familie Nardi's des Wappenschneiders, in schüfrferer
individueller Weise entgegt
und das Elternpaar Beatricen's
sowohl, wie deren Geschwist wurden von Haus Fischer„Frau
von Pöllnitz, Luise Dumont und Herrn Basser¬
mann vorzüglich gespielt. Der schwierigen Inszenierlingdist
die größte Sorgfalt nachzurühmen.