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14. DerSchleiender Beatrice
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Nardi, willen seiner Braut, der Gräfin Teresina Vaters, angetraut. Weshalb diese Eile? Nun, rausch sinn
Fantuzzi, die Treue. Er, ist innerlich wie um= einfach deshalb, weil Bologna eben nur noch für uns gestern
Berliner Theaterbrief.
gewandelt und selbst die Not seiner Vaterstadt, diese eine Nacht Bologna ist, und dann, weil sichwerden auf)
gegen welche der grimme Cesare Borgia mit ge¬
auch der Herzog noch in dieser Nacht mit der
„Der Schleier der Beatrice"
dieser ehem
waltiger Heeresmacht heranzieht, vermag ihn aus
schönsten Bologneser Jungfrau vermählen will!
von Arthur Schnitzler.
nicht lange
seiner Liebesschwelgerei nicht herauszureißen zu!
Wenn das keine Motive sind, dann giebt es eben
wirklich ein
(Nachdruck verboten.)
männlichem Entschluß. Die Welt bedeutet ihm
überhaupt keine. Auf dem Wege zum Altar trittl machen, und
Der Wiener Dichter des Anatol=Cyklus, des
Beatrice und außer ihr, ohne sie versinkt alles in
dem Brautpaar der Herzog in den Weg. Er
Mitspielende
„grünen Kakadu“, der „Liebelei“ hat mit diesem
wesenloses Nichts. Bologna hat nur noch eine
bleibt wie gebannt von Beatrices Schönheit stehen,
Situationen
Renaissance=Stück, das der theatertechnischen Be¬
Nacht vor sich, so versichern uns alle Personen in
allein nach Verhandlungen mit ihrem Bruder
Kräfte versag
quemlichkeit halber in Bologna zur Zeit Lionardo
diesem Stücke, obwohl wir von einigen vernünftig
Francesco, der freiwillig unter die herzoglichen
Irene Tr
Bentivoglios und Cäsare Vorgias spielt, ein neues
gebliebenen Bürgern dieser Stadt die beruhigend¬
rolle.
Scharen getreten, gibt er Beatrice frei. Allein
Gebiet betreten. Bewegte er sich bisher zu aller¬
sten Angaben über den Stand der Verteidigungs¬
jetzt bleibt diese wortlos und in Verzücktheit wie) Ver#in,
meist unter den Mitgliedern der österreichischen,
vorbereitungen, über den ungebrochenen Mut der
Elsa von Brabant vor dem Schwanenritter stehen
speziell wienerischen Lebewelt nebst ihrem weib¬
Verteidiger selbst und über den für mindestens
und erklärt endlich nach minutenlangem Schweigen,
lichen Zubehör und unserer unmittelbaren Gegen¬
sieben Tage reichenden Mundvorrat erhalten.
dem Herzoge folgen zu wollen — aber nur als
wart, so naht er uns diesmal in Prachtgewändern
Indessen diese Voraussetzung von dem unmittelbar
seine Gemahlin. Der Herzog willigt ein, und
der italienischen Frührenaissance. Weshalb er
bevorstehenden gräßlichen Ende der herrlichen
binnen einer Stunde soll im Dome von Bologna
dies tat, können wir natürlich nicht wissen. Hat
Stadt Bologna — Borgia ist bekanntlich kein
der Ehebund eingesegnet werden. Vittorino er¬
er am Ende gleichsam als ein literarischer Egmont
Lamm als Sieger! — ist für den Dichter Schnitzler
sticht sich. Nach der Feier in der Kirche wird
seinem Literatur=Clärchen versprochen, einmal
eine Notwendigkeit, um alle die Tollheiten in
Hochzeit im Schlosse geseiert. Filippo erfährt
„spanisch“ zu kommen, um die Stickerei und das
seinem Stücke, alle die Wahnwitzigkeiten seiner
durch Zufall von dieser Begebenheit. Plötzlich
Passement seiner Gewänder bewundern zu lassen?
Personen gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Wir
erscheint Andrea, der Bruder jener Teresina
Auch das wissen wir nicht. Aber die Vermutung
sehen wirklich Tollgewordene, aber freilich nicht! Fantuzzi, die vom Gram über den Treubruch
liegt nicht so fern, daß Hugo v. Hofmannsthal, ein
in einem richtigen Tollhause, sondern in einer auf Filippos wahnsinnig geworden, um Rechenschaft
Vertreter der neuesten Wiener dramatischen
des Dichters Befehl toll gewordenen Stadt. Hat
von dem Verräter zu fordern. Bei einem Haar,
Stimmungsmalerei, es Herrn Schnitzler mit aber ein Dichter dazu ein Recht, eine ganze Ein¬
der bereits begonnene Zweikampf — ohne Zeugen
seinem Vers=Haschisch angetan hat, auf daß er
wohnerschaft einer Stadt mit einem Male für un¬
natürlich! — hätte ein blutiges Ende genommen.
dessen Dichtungsspuren folge. Es ist nämlich ge¬
zurechnungsfähig zu erklären, weil er, der Dichter,
Da hört Filippo seinen Namen von einer Frauen¬
gradezu unfaßbar, über welch einen unversieglichen
seine Geschöpfe Handlungen begehen lassen will,
stimme ausrufen; er fleht Andrea fußfällig an,
Quell von berauschenden Worten Schnitzler
die auf völlige Unzurechnungsfähigkeit der Han¬
ihn zu verlassen. Es geschieht und Beatrice er¬
verfügt. Der Hörer wird geradezu in eine Artl deinden mit Notwendigkeit hinweisen? Hierauf
scheint. Im Hochzeitsgewande und noch mit dem
von Narkose versetzt, so vielen Duft von üppigen
müssen wir trotz aller Anerkennung einer gewissen
„Schleier“ angetau, den ihr der Herzoggemahl
Worten muß er während mehr als drei Stunden
dichterischen Begabung an Arthur Schnitzler
geschenkt, trirt sie in das Haus Filippos. Sie er¬
in sich aufnehmen. Aber immer wieder mußte mit einem runden „Nein!“ antworten: Also:
zählt alles, was sich inzwischen begeben, und
man es erfahren, daß ein unaufhörlich auf uns
Filippo und Beatrice leben in dem holdseligsten
Filippo ist noch von einem größeren Widerwillen
herniederprasselnder Wortregen ebenso wenig zu
Vereine, ihre Liebe ist ungetrübt. Beide sind ent¬
gegen sie erfüllt. Aber sie wollen noch in dieser
einer dramatisch wirkenden Sprache wird, wie schlossen, die wenigen Stunden zu benutzen, um
einen Nacht selig sein und dann sterben. Sie
Renaissancegewänder Renaissancemenschen machen. den Mauern Bolognas, die sich ja schon morgen
trinken aus einem Becher, der mit angeblich ver¬
Arthur Schnitzter hat sich eine phantastische dem fürchterlichen Vorgia öffnen werden, zu ent¬
gistetem Wein gefüllt ist. Beatrice beginnt
Welt erträumt, die er mit phantastischen Ge¬
fliehen. Battista hat um zweihundert Goldstücke
ängstlich zu werden. Filippo blickt eiskalt. Bald
schöpfen bevölkert. Dies ist sein unbestreitbares
die erforderlichen Pferde gekauft. Da erzählt
ist alles aus. Allein der Wein war gar nicht ver¬
Dichterrecht. Und wenn er seine phantastischen
Beatrice eine Traumgeschichte, in welcher sie vom
giftet. Die Lebenslust erwacht von neuem.
Gestalten in die Zeit der Vorgias versetzt, so kann
Herzoge entführt wird, und das bringt Filippo in
Aber Filippo hatt die Geschichte satt. Ein Becher
ihm dies gleichfalls kein Mensch verwehren. Allein, solch eine Raserei, daß er sein angebetetes Wesen
gefüllt mit jenem Saft, der wirklich eilig trunken
wenn er die Geschöpfe seiner Einbildungskraft! mit den Worten „Du Dirne des Traumes“ von
macht, aber für immer, steht noch im Zimmer,
sinnlos walten läßt, dann hat der Hörer wie der
sich stößt und davonjagt. Man kann allenfalls
den ergreift Filippo und den trinkt er bis auf den
Kriiker das Recht, an Schnitzler die Frage
diesen Zug eines überreizten Gemütes in einer
letzten Tropfen aus. Beatrice versichert einmal
zu stellen: „Wie kommst Du dazu, Dein gutes
Märchenhandlung gelten lassen. Was geschieht
über dem andern: „ich will's ja tun“; allein der
Dichterrecht derartig zu mißbrauchen, daß sich da¬
nun aber weiter? Beatrice, in ihr Elternhaus
Neidung hat ihr keinen Tropsen übrig gelassen
raus völlige Ungereimtheiten ergeben?" Ein
zurückgekehrt, wird Hals über Kopf ihrem eigent¬
Filippo sinkt entseelt zu Boden. Beatrice abe
Pbologneser Edler und ein Dichter Filippo Loschi! lichen Verlobten Vittorino Monaldi, einem tuch=! wird vom Herzog — begnadigt!
Ebricht un eines Bürgermädchens, eben jener Beatricetigen Stempelschneider in der Werkstatt ihres! Diese Ausgeburten einer in einem Haschisdh