Faksimile

Text

box 20/4
14. Der Schleier der Beatrice
danken und Empfindungen, die wir sie künden hören, nicht so ihm die Treue gebrochen, flößt ihm nur noch Abscheu ein. Schroff
kier der Beatrice“. recht zusammengeschmolzen. Vor allem: die Hauptgestalt
schickt er die Weinende fort: sie werde zurückkehren, sagt sie, wenn
wird nicht so klar, daß sich uns mit aller Eindringlich=ssie mit ihm zu sterben begehre. Bei den Ihrigen augelangt, läßt
Ir. Berlin, 8. März. keit erschließt, was der vom Dichter gewollte letzte Sinn
Beatrice sich von ihrem leidenschaftlich ehrenfesten Bruder be¬
seiner Dichtung ist. Wer
utschen Theater Artur
ist diese Beatrice? Die Er¬
stimmen, einem wackeren Jüngling ihres Standes, der um sie wirbt,
klärung, die der Dichter selbst am Schluß von ihrer Natur
er der Beatrice“ Wun¬
zum Altare zu folgen. Auf dem Wege zur Kirche indessen stoßen
und Art geben läßt, läuft darauf hinaus, daß sie gleichsam träu¬
ismäßig so langen Zeit be¬
sie auf den Herzog. Der erkennt das Mädchen wieder, die Tags
mend, in naiver Selbstverständlichkeit, in halber Unbewußtheit wie
zuvor einen so bestrickenden Eindruck auf ihn geübt. Er fragt, ob
ein Kind, all das Seltsame und Abenteuerliche hinnimmt, das ihr
hauptstädtische Bühne fand,
sie ihm freiwillig für diese letzte Nacht vor der schicksalschweren
pflegt. Noch wunderbarer
das Leben zuwirft. Aber diese vom Dichter herrührende Erklä¬
Entscheidung auf sein Schloß folgen wolle. Sie ist bereit —
rung trifft uns wie eine Überraschung. So hatte sich uns Beatrice
wurde. Denn ziemlich früh
sofern er sie sich zuvor antrauen läßt. Und der Herzog erklärt,
ie nach den späteren Akten
doch nicht gezeigt; im Gegenteil: man ist eher geneigt anzunehmen,
daß sie seine Gemahlin sein solle und befiehlt ein glänzendes
daß in ihr etwas von dem Wedekindschen „Erdgeist“=Weibe steckt.
der daraufhin um so inten¬
Hochzeitsfest zu rüsten. Von dem Fest jedoch stiehlt sich Beatrice
Da der Schleier der Beatrice sich somit für uns nicht heben will,
Dichter konnte wiederholt vor
weg und eilt heimlich zu Loschi, zu dem unwiderstehliche Sehnsucht
wirkt fast wie ein willkürliches Zufallspiel, was aus Art und
es bleibt die Tatsache be¬
sie treibt: ihm wolle sie gehören und dann mit ihm sterben. Als
sition gab. Wiederum muß Natur Beatricens mit innerer Notwendigkeit entspringen soll.
aber Loschi sie prüft, als er ihr sagt, sie habe in dem Wein, den
weshalb? Mag das Werk Auch war es vielleicht nicht förderlich, daß Schnitzler um
er ihr reicht, Gift getrunken — da wird sie von verzehrender
ber den Geschmack läßt sich die Haupthandlung herum gar
zu viele andere Motive an¬
Angst vor dem Tode geschüttelt und alles in ihr schreit auf nach
Immerhin,
gehäuft hat, die sich nicht entfalten können.
scht werden? Es ist in der
dem Leben. In Ekel und Zorn wendet Loschi sich ab
es steckt so viel Feinheit und Schönheit in der Dichtung,
Zischen einen vergnüglichen
und trinkt nun selbst in Wirklichkeit den tödlichen Trunk.
Schnitzler
daß sie eigentümlich anzieht und fesselt
gar keine Rücksicht darauf
Beatrice stürzt in Grauen und Furcht fort von der Leiche,
führt uns in die Epoche der Renaissance. Bologna wird von den
or einer dichterischen Per¬
zurück zum Hochzeitsfest. Dort hat man inzwischen ihr
ollte man doch unter allen päpstlichen Truppen unter Cesare Borjia bedroht, und niemand weiß,
Fehlen bemerkt. Sie hascht nach einer Ausrede, deren Hinfällig¬
ob nicht der nächste Tag schon Entsetzen und Vernichtung bringen
keit nachgewiesen wird. Der Herzog hat den Schleier vermißt, den
lbst anlangt, so stimmt mein wird. Das ist der Untergrund, auf dem die Handlung sich erhebt.
er ihr geschenkt; gehe sie nicht in seinem Geleit den Schleier holen,
ischer nicht im entferntesten] Die wunderschöne Beatrice Nardi hat Herz und Phantasie des
so sei der Tod ihr Los andernfalls sei ihr Straflosigkeit zuge¬
ndelt es sich um eine Dich= Dichters Filippo Loschi bezaubert. Um der einfachen Bürgerstochter
sichert. Und Beatrice führt den Herzog in Losches Wohnung, an
chönheiten enthält, aus der
willen verläßt er seine stolze Brant, schlägt er die Einladung
die Leiche des Dichters, den er, der Herzog, so gern als Lebenden
t zu uns spricht. Schnitzler
des Bologneser Herzogs ab. Er will mit ihr fliehen, um sich
kennen gelernt. Da enthüllt sich dem Herzog das Geheimnis.
und
ltung des Großen, das ihm
sie aus Graus und Not zu retten. Schon werden
Beatrice, die jetzt dem Tode ruhig ins Auge schaut, wird von
die Pferde gesattelt: da verrät Beatrice dem Geliebten, ihrem Bruder gerichtet. Der Herzog aber richtet sich empor: zum
e Seneherins hater
Entscheidungskampf mit dem Feinde.
wie der Herzog ihr auf der Straße begegnet sei und sie
ang, daß S##sitzler mit dem
so merkwürdig angeblickt habe; und wie ihr daraus ein lockender,
Dies der Kern, der von lébhaster, den Zeitcharakter spiegelnder
ffen hat, das den Stempel der schmeicheknder Traum entsprossen sei, in dem sie sich als
Detailschilderung umgeben ist
Irene Triesch schuf eine
chen sind ihm nicht zu reichem, Herzogin gesehen, das fällt umwandelnd in das Gemüt Loschis:
Beatrice, die man nicht vergessen wird.
hrer Wesenheit mit den Ge¬die Frau, die, während die Liebe ihn und sie umspinnt, in Gedanken!