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Der Schleier der Beatrice
Telephon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
610
„OBSERYER“
Nr. 79
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachricht
Wien, IX/1, Türkenstrasse 17.
Filiale in Budapest: „Figyelö“-
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockhol
Ausschnitt aus: Nerurser Nochrieisen
401440
vom:
Theater und musik.
2 Aus Berlin wird uns geschrieben: Es
giebt positive und negative Berühmtheiten unter
den Theaterstücken. Erstere danken ihren Ruf ihren
Aufführungen, letztere der Thatsache, daß sie aus
irgend einem Grunde nicht aufgeführt wurden.
Zu diesen gehört das Renaissancedrama Arthur
Schnitzlers „Der Schleier der Beatrice“, das vom
Burgtheater angenommen, aber nicht gespielt wurde.
Das hiesige Deutsche Theater hat am Sonnabend
Für
50 Ze
das Drama heraus gebracht, aber Niemand viel Freude inclusive
100
damit bereitet. Dem Autor nicht, denn weder konnte
200
Porto.
500
ihm die Aufführung noch der mit viel Widerspruch
Zahlbar
1000
im Voraus

gemischte Beifall des Publicums genügen. Den
Im 6
Schauspielern nicht, denn sie fühlten sich mit Aus- hitte ist d
Abonnement
nahme von Irene Triesch als Beatrice sowohl in
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Abonnenten
der geistigen Verscostümirung wie in der körper¬
lichen des Puffenwammses höchst unbehaglich. End¬
Der, lich dm Publicum nicht, das über allen den ver¬
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staubten Requisiten der ital'enischen Oper und einer
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wahrhist Sardou'schen Gräuelanhäusung die tiefe
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wodurch ein Schönheit der Dichtung aus dem Auge verlor. Das,
Leben des
Diese Mi
was die Renaissancemenschen so beispiellos groß
theilungen
machte, wie auch die Menschen der heroischen
antiken Zeiten, die bewußt Werthlosigkeit des
Meuschenlebens, „die sieghafte Voraussetzungslosig¬
keit, das stolze Lebensfeuer, das nichts weiter ist
als Todesbereitschaft“, wie Völkerlingk in „Es lebe
das Leben“ sagt, das hat uns noch keines der neuen
Renaissancedramen gegeben. Von Halbe's „Er¬
oberer" bis zu Annunzio's „Francesca" und
Schnitzler's „Beatrice“ ist der Weg mit den
Trümmern zerschellter dramatischer Pracht bedeckt.
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Telephon 12801.
Alex. Weigl's Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
2
2106 „OBSERYER
Nr.
I. österr. beherdl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1, Türkenstrasse 17.
— Filiale in Budapest: „Figyelö“ -
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
Ausschnitt aus: Röfische Zeitug
vom: 70/ 7005.
ATheater und Musik.] K. Berlin. Das neue fünfaktige
Schauspiel von Arthur Schnitzler „Der Schleier der
BBeatrice“ brachte es am Samstagabend im Deutschen Theater
nur zu einem bestrittenen Erfolg. Der „Schleier der Beatrice"
führt uns in die Zeit, als Cesare Borgia in der Romagna wülete.]
6
In Bologna herrschte der junge Herzog Lionardo Ventivoglio,
ein maßtos ausschweifender, aber seingebildeter Tyrann. Er schwärmt
für die Verse des Poeten Filippo Loschi, eines reichen jungen Edel¬
mannes, der aber einsam vor der Stadt haust und selbst die Ein¬
ladungen des Herzogs verschmäht, da er ganz in sein Liebesglück mit
der schönen Beatrice versenkt ist. Der junge Herzog verliebt sich in ihre
Schönheit, und da sie nicht seine Geliebte werden will, macht er sie zu
Für seiner Gattin und gibt der ganzen Stadt ein seltsames Hochzeitsfest.
Er läbt alle in sein Schloß, wo die Furcht vor dem Umtergang der ive
Stadt durch Borgia, der vor den Mauern steht, den Freibrief geben o.
soll zu wildester Ausschweifung. Der schönen Beatrice schenkt er einen ar
Schleier von wunderbarer Schönheit als Hochzeitsgabe. Von der Tafel aus.
weg schleicht sich Beatrice zu dem einsamen Poeten Filippo, den sie
allein in Wahrheit liebt. Er ist inzwischen von allem Geschehenen unter¬ das
Abolrichtet worden, und ihn ekelt vor der Weit, vor der Lüge im Wesen s den
Aboleines Weibes, das er für treu gehalten hat. Als er nun an einer
Probe ertennt, daß Beairice den Tod fürchtet, daß ihre Lebensgier
keine Grenzen kenmt, da vergistet er sich. Von seiner Leiche weg eitt 1 die
InhaBeatrice zum Herzog zurück, läßt aber den Schleier im Gemache Fi¬gen¬
blälippos. Der Herzog, der sie schon vermißt hat, gerät darüber in Wut ing“
wolltund befiehlt, sie in den Kerker zu werfen. Mit Mühe kann sie ihn dazu liche
Lebebewegen, mit ihr allein nach dem Gemache Filippos zu gehen, wo der Mit¬
theilSchleier ist, und wo ihm Aufklärung wird. Beatrice aber, die ihre
Lebensgier von Fall zu Fall weiter gehetzt hat, endet durch den Dolch
ihres Bruders, der ihre Schmach nicht mit ansehen will. Judem der
Herzog die Bologneser auf den bevorstehenden Entscheidungskampf mit
Borgia hinweist, fällt der Vorhang. Das Stück ist mangelhaft im
Aufbau — denn trotz des ungeheuren Stoffes finden sich noch Breiten—
am schwächsten in der Charakieristik, am besten in der Zeitstimmung.
Besonders im zweiten Akt erinnern einzelne Szenen direkt an Shake¬
speare. Das Deutsche Theater hatte für die Ausstaitung viel getan und
prächtige Stimmungsbuder geschaffen. Von den Darstellern war an
besten Irene Triesch in der Rolle der Beatriee.