Faksimile

Text

box 20/4
14. Der Schleier der Beatrice
begabte Kayßler übernommen, Rittner den Dichter Philippe, Frl. mit ihren
Berliner Brief.
047
Triesch die Beatrice, Bassermann den Bruder. Aber die Dar¬
Thau-
von Ratibor
13. März.
stellerin der wundersamen und räthselhaften Mädchengestalt, welche
Aber keinesn
Häufiger als je zuvor durchrasen die „Kraftwagen“ nun be¬
Schnitzler in dieser unbegreiflich, ja psychisch und physisch unmög¬
und zur &
sonders die etwas verkehrsreicheren Straßen unserer Stadt. Die
lich handelnden Beatrice geschaffen hat, vermochte es doch nur allein,
gewesen. Ge
neuliche Auffahrt der Dreihundert vor der kaiserlichen Familie und
ihre Aufgabe völlig befriedigend zu lösen und das von dem Autor
in der Schar
die Ausstellung in dem noch unzerstörten Theile der charlotten¬
geschaffene Wesen wahrhaft lebendig zu machen und überzeugend zu
die ohne
burger „Flora“ haben dem berliner Automobilismus neuen Auf¬
verwirklichen. Freilich bedurfte es man einer starken Beihülfe
erschienen in
schwung gegeben. Es waren die wirksamsten Mittel, um Propa¬
der Phantasie, um in dieser Beatrice ein halb kindliches Mädchen
großem Reicht
ganda für ihn zu machen, das Wohlgefallen an dem einst so
und zwar eines von einer sieghaften, Sinne und Seelen der
in der Stoff¬
geschmähten und gehaßten in immer weiteren Kreisen zu ver¬
Männer bezwingenden Schönheit zu sehen.
zu den Selten
breiten. Bei den jungen Damen, welche in der Wahl ihrer Väter
Das Drama ist an dieser Stelle gelegentlich seiner breslauer
weise Marineu
klug und vorsichtig genug gewesen sind, um sich mit irdischen Gütern
Aufführung eingehend kritisch besprochen worden. Ich kann es mir
mit dem großen
reich gesegnete zuzulegen, sieht man auf dem Geschenktische am
daher ersparen, auch noch meinerseits hier eine Besprechung und
saales nahm n
Geburtstage bereits den Paletot aus Seehundpelz, die dunkle Schutz¬
Beurtheilung der Dichtung zu versuchen. Daß verschiedene Menschen
Buffet mit kalt
brille, den Modeschleier und die lederne Chauffeurmütze paradiren,
einen sehr verschiedenen Eindruck von ihm empfangen, verschiedene
längs der W#
und mit ganz besonders innigem Freuden= und Dankesjubel werden
Kunstrichter zu den entgegengesetzten Meinungen über ihn gelangen,
gerade diese Geschenke von den glücklichen Empfängerinnen entdeckt
gehalten bis
dafür haben wir bei der hiesigen Aufführung eclatante Beweise er¬
langen, reich
und begrüßt. Es ist so „chie“, ja „plus chic“ als jeder andere
halten. In den stürmischen Beifall nach den Actschlüssen mischte
prächtigen, la
Sport geworden, Automobil zu fahren, daß unsere eleganten
sich auch starkes Zischen. So hat einer unserer geschätztesten und
decorirten Bu
Schönen sogar nicht davor zurückschenen, eine Toilette anzulegen,
bekanntesten Theaterkritiker der sonst zu den milden, den Mantel
leichtes Backn
durch welche sie zu einer Art von Vogelscheuchen verwandelt werden —
der Liebe und freundlichen Anerkennung auch über verfehltere Werke
auf den Platz
ein Opfer auf dem Altare der neuen, den Erdkreis sich erobernden
breitenden gehört, diesen Schleier der Beatrice völlig zerpflückt; mit
Vorhof und d
Mode. Auch das entsetzliche Stoßen der Maschine, sobald die geheizte
kaum verhehltem spöttischen Lächeln weist er nach, daß dieser fast
den Musikern
zum Stillstehen gezwungen ist, ohne daß ihr Feuer gelöscht wurde,
aus lauter Fetzen shakespearescher und goethescher Dramen zusammen¬
vorbehalten, d
ertragen sie geduldig und nehmen es ohne zu klagen mit in den
geflickt sei. Dagegen wieder erklärte der als einer der schärfsten
Gen
Kauf — wie jede Unbequemlichkeit, ja jede Pein, wenn dadurch
ahli
inf
und geistreichsten bekannte kritische College einer anderen großen
kurz
usen
der Ruhm erworben werden kann und muß, sich auf der Höhe
Zeitung das Stück für eine der besten, poetisch bedeutendsten, tief¬
der Mode zu befinden.
müth
sinnigsten und formvollendetsten modernen dramatischen Dichtungen,
schwingten
Zige
Jener Abend der Motorwagen=Auffahrt und =Parade im Lust¬
die hoch über Macterlincks vielbewunderter, viermal in jeder Woche
mit den
garten war für uns wieder an Eindrücken der mannigfachsten Art
vor ausverkauftem Hause gespielten „Monna Vanna“ stände.
stücken. Hier 1
außerordentlich reich. Zehn Minuten nach dem Schlusse dieser Parade
Schnitzler selbst wird jedenfalls dies letztere Urtheil für ein sehr
angsichts diesen
befand ich mich im Deutschen Theater in der Schumannstraße,
viel begründeteres und treffenderes halten als jenes erstere. Das
lehnsessel nieder
auf dessen Bühne die erste Vorstellung von A. Schnitzlers Drama
Publikum aber war schon vor dem Erscheinen jeder Kritik durch
wartete, in dem
„Der Schleier der Beatrice“ stattfand und der zweite Act —
die Anschauung des Stückes selbst stutzig gemacht. Die Anhäufung
dem Stiegenhau
dank der Verspätung des glänzend und fesselnd ausschauenden, wenn
der Motive ist zu groß, die Ueberraschungen sind zu stark und
Gast
erschienen
auch übelduftenden Schauspiels im Lustgarten — als ich ankam, bereits
plötzlich, als daß das Ganze eine reine Wirkung ausüben könnte.
begonnenhatte. Wie inbezug auf Charpentiers Oper „Louise“ ist Berlin
grüßen und wil
Vom Deutschen Theater ging nach dem Schlusse die Fahrt
glänjenden Ges
auchhinsichtlich dieser Renaissancetragödie nur ein Nachzügler Breslaus.
zum Reichskanzlerpalais in der Wilhelmstraße. Gräfin Bülow
Bekannten oder
Dort ist diese so gut wie jene schon längst zur Aufführung gebracht
hatte Karten ausgefendet, welche mit der Mittheilung bedruckt
gestellt worden
worden, ehe man sich ner dazu entschließen konnte oder die Absicht,
waren, daß sie an den Abenden des 7. und des 16. März]
sie zu geben, zur Ausführung zu bringen vermochte. Die Theaterleitung
Capelle in dem
empfange. Der darin enthaltenen, wenn auch unausgesprochenen
andete Genüsse
war ehrlich bemüht gewesen, das interessante Werk aufs beste zu
Einladung waren mehrere hundert Herren und Damen gefolgt,
Räumen. Vor
insceniren und zu besetzen. Den Herzog hatte der ungewöhnlich darunter der Fürst von Wied und der Erbprinz von Hohenzollern gänzlich umgesch