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14. Der Schleien der Beatrice
#o#e. Jett wurtel Aber die Handlungen des Herzogs in dem Drama
ihm zurückkehrt, so ist gar nicht einzusehen, warum er sie
Mörder. Jetzt will
ietzt, weil sie verschwunden gewesen, auf einmal wieder nicht
assen wenig zu den Worten, die ihn beschreiben. Stark
hier und lebe!“
besitzen will. Der Lebensgenießer, der sich über Alles hin¬
ind hart sollte er sein; in Wirklichkeit ist er schwach und
kein Gift. Ich
weggesetzt hat, um ein holdes Weib sein Eigen zu nennen,
#eich. Und auch er, mag er sich noch so sehr für einen
aber nimmt jetzt
Bezwinger des Lebens ausgeben, ist Anatol, der von jeder
darf sich nicht einen Schritt vor dem ersehnten Ziele durch
beugt sich über
den Verdacht der Untreue aufhalten lassen. Es steht dem
Stimmung bezwungen wird.
geht auf! Wir
Herzog schlecht an, sich in dieser Ehe, die in der Laune
Die Nacht vor dem Morgen, an dem er hinausziehen
da er starr und
eines Augenblicks entstanden ist und die keinen Morgen
vird zum Entscheidungskampfe gegen Cesare Borgia, zu
ch mit dem Rufe:
haben wird, als Ehemann gar so ernst zu nehmen. Und
einem Kampf um Tod und Leben, will der Herzog in
nicht der Herzog, der gewohnt ist, an jedem Tag sein
W
Freuden verbringen. Und da er auf seinem Gange durch
nur
Leben aus tausend klaren Quellen zu trinken, sondern
die Stadt der schönen Beatrice begegnet (diese erste Scene
ng
Anatol ist es, der die Braut, nach der er verlangt, noch
zwischen dem Herzog und Beatrice ist auch eine ganz vor¬
en
von der Schwelle des Brautgemaches fortjagt. (Eine
treffliche dramatische Arbeit), will er sie als seine Geliebte
rem
Eigenthümlichkeit der Männer dieses Dramas ist es
mit sich nehmen. „Nein,“ antwortet Beatrice, „ich will
von
übrigens, daß sie gern jede Gelegenheit benützen, um die
geheiratet sein.“ Was thut der Herzog? Wenn er so ist,
Frauen fortzujagen, die sie lieben.)
wie er geschildert wird, so wird er diese Aufforderung als
0
Beatrice hat im Gemache des Filippo Loschi den
einen guten Witz betrachten und wird vielleicht auf diesen
Selbstmord ver¬
kostbaren Schleier liegen lassen, den ihr der Herzog geschenkt
ann
Witz so weit eingehen, daß er der schönen Beatrice eine
sich tödtet,
hat. Der Herzog verlangt von ihr, sie soll ihn dorthin
inte
Heirats=Comödie vorspielt. In jener Zeit pflegten sich die
8 Ver¬
bringen, wo sie den Schleier verloren hat, und so wird
hohen Herren nicht mit moralischen Serupeln zu plagen,
er nicht
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dieses Mädchen gezwungen, ihren lebenden Liebhaber mit
wenn sie mit einem Mädchen aus dem Volke sich ver¬
e
iber
dem todten zusammenzuführen. Und weil es ein Schleier
gnügen wollten; überdies steht ja Cesare Borgia vor den
ist, der im letzten Act diese eindrucksvolle Begegnung
Thoren, und am nächsten Morgen ist ein Untergang zu
der
erwarten, der Recht und Unrecht, Schuld und Verantwor= veranlaßt, so heißt das Stück: „Der Schleier der
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tung in seinen Strudeln verschlingen wird. So könnte und Beatrice.“
Es ist ein verfehltes Stück — ein verfehltes Stück
müßte der Herzog handeln, wenn die angeführten Verse
mit ausgezeichneten Eigenschaften. Arthur Schnitzler hat
Recht hätten. In Wirklichkeit wallt eine sentimentale Stim¬
mung in ihm auf, und von dieser Stimmung sogleich vor Allem auch in diesem Drama gezeigt, daß er ein
überwältigt, führt er Beatrice zum Traualtar. Dieser Dichter ist — einer der wenigen Dichter unter denen, die
Mann, von dem es heißt, daß er über Menschen wie über heutzutage in Deutschland für das Theater schreiben. Und
ppo das Weser
die Frage, ob es ihm gelingen wird, das hohe Ziel zu
feuchtes Gras dahingeschritten ist, bringt es nicht über sich,
erreichen, nach dem er mit so schönem Bemühen strebt,
ein schönes Mädchen zur Geliebten zu nehmen, ohne sie
hängt ab von der Frage, ob er die Kraft haben wird,
vorher zu heiraten.
aus der kleinen und abgesonderten Welt, in der sein
Nunmehr wird der angebliche Ueberwinder vollständig
Schaffen sich bisher hauptsächlich bewegt hat und in der
von dieser Ehe überwunden, die doch nicht viel mehr als
die Stimmungen — die Stimmungen, die aus den kleinen
ein Carnevalsspaß ist, wenngleich sie in Sanet=Petron
Kische
Gefühlen hervorgehen — eine allzu wichtige Rolle spielen,
feierlich vollzogen wurde. Allerdings ist es ja keine
den Weg zu finden ins große Leben hinein, das allein
Kleinigkeit, daß die Braut in der Hochzeitsnacht ver¬
dampft,
den Dichter mit jenen starken und tiefen Gefühlen zu er¬
schwindet. Da aber der Herzog dieses Mädchen so heiß
begehrt, daß er sie sogar zur Herzogin gemacht, hat, nur füllen vermag, aus denen die großen Werke erwachsen.
Paul Goldmann.
um sie beüitzen zu können, und da sie noch rechtzeitig zu