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14. Der Schleien der Beatrige

#und ängstigend ist. Ihr Schicksal wiederum, das der willenlos ver= Fäden ffest, übersichtlich und zwech
Theater und Mustk.
folgte Antrieb der Lebenslust so lange durch schwerste Erschütterungen ton, dies berauschte Hingegebens#
hetzt, bis sie müde ist wie ein geschlagenes Kind, so müde, daß alle erklingt doch klar und voll aus d
Zwei Beatricen.
Lust in Schmerzen schweigt — ihr Schicksal ist in ihrem Schleier
stalten, die der Dichter mit
verdichtet. Sie läßt ihn, von der Leiche des Geliebten
Phanigsie beschenkt hat. In die
Eine Aufführung von Arthur Schnitzlers Schauspiel Der
fliehend, dort zurück, weil die Todesfurcht sie treibt; sie wagt ihn mit
mit jähen Gegensätzen, mit Prun
Schleier der Beatrice" wäre aller Auerkennung auch dann weit ge¬
ihrem Gatten wiederzuholen, weil die Todesfurcht sie treibt — diese
und Szidenschleier an uns vorübe
wesen, wenn sie schauspielerisch noch mehr mißlungen wäre, als die
tolle Furcht, diese unheimliche Liebe zum Unbegriffenen=Unbegreif¬
entfalten, und Schnitzler brauchte
des Deutschen Theaters. Denn es kann nicht oft genug festgestellt
lichen, zu sich selbst, zum Leben....
entratend, seine poctische Natur
werden, wie unsere neueren Dichter in Kraft und Wollen sich zu den
um seiner Sehnsucht nach einer
Ansprüchen verhalten, die das hohe Drama an sie stellt. Man darf
Die Art, wie Schnitzler sein Problem stufenweise gesteigert hat,
die reinste Erfüllung zu schaffen.
zufrieden sein, wenn nicht ein bloßes „Vers= und Kostümstück“ zu
gibt seiner Dichtung einen Zug ins Große, der auf unserer Bühne
Tage kommt, sondern in Anlage, Sprache und Auffassung das
selten geworden ist. Er verbürgt die Dauer dieses Schauspiels, ob es
Streben, tiefe menschliche Konflikte zu ergreifen, hervortritt.
Für Schnitzlers Beatrice wa
auch an organischen Fehlern krankt, und das nicht leicht. Zwei
Schnitzlers Begabung freilich scheint so reich, daß selbst der kühlere
Agnes Sorma die gegebene Da
Haupterforscher des Lebensrätsels hat Schnitzler kontrastieren wollen,
Beobachter nicht aufhören will, von ihm endlich einmal die ganze
speares! Beatrice ist sie es heute
zwei typische Repräsentanten adeliger Menschheit. Traum und Tat¬
Tat zu erwarten. Die ganze Tat ist auch der „Schleier der Beatrice“
plumpt noch dazu am Geist der ga
traft sollen sich gegenübertreten; Dichter und Held kämpfen um
noch nicht. Aber er ist einer unserer stärksten Entwürfe und nimmt
Theater dreist und gottesfürchtig
Beatrice und ihren wunderlichen Schleier, der eigentlich der Schleier
unter Schnitzlers eigenen Werken durch seine kühne Absicht den ersten
Lärm Im Nichts“ ausgibt. Arn
der Maja, der unergründliche Reiz der selbstgenügsamen Sinnenwelt
Rang ein.
ist. Von diesen Typen wird der eine verwischt, der andere ge=großen Zaubergarten mit duften
Schnitzler hat versucht, eine große dramatische Dichtung mit der
brochen. Der Herzog entwickelt sich am Schluß zum genialischenj Lauben wandelt deine stolze und
bunten historischen Farbenpracht der Renaissance zu erfüllen und
Maskenscherzen keimt Neigung au
Genießer und Versteher, ohne daß wir vorher in dem energischen
in der phantastischen gedankenhaltigen Lyrik zu gestalten, die heute
Reinen treten die Bösen, und die
Tatmenschen derartige Möglichkeiten geahnt hätten. So rückt er
nur Nichtdramatiker wie Hofmannsthal sicher beherrschen. So
dem Künstlertum beträchtlich näher als der begriffgelähmte Dekadent
auseinander; die Toren lösen, wo
lückenlos und vornehm sein schöner Versdau nun zwar geraten ist, Filippo, an dessen Dichtergröße wir nicht glauben. Er ist, dem
festlich endet, was festlich begann.
vielfach spürt man an einer eckigen Sprödigkeit und dürren Härte Hofmannsthalschen „Thoren“ ähnlich, eine grübelnde und ver¬
Renaissance=Komödie, die uns am
des Wortes doch, wie schwer der Dichter um die neue Form ge¬gleichende Natur, und steht darum der Beatrice fern, dem absicht¬
straße entzückt und gefesselt hat
rungen hat. Sei's drum! Der ganze Plan des Dramas ist jeden=losen, instinktiven Wesen. Wenn Schnitzler einen Menschen zeichnen
ungesalzene Rüpelei, der wir un
falls vom lebenbejahenden, sinnentrunkenen Geist der Renaissance
wollte, der, unvermögend, das naive Leben zu begreifen, daran zu
Sorma hält uns nicht zurück. Si
durchtränkt, von jenem Geist, den wir nicht zufällig jetzt wieder
Grunde geht, so war es recht. Nur durft er diesen Filippo Loschi
gegen eine Aufgabe, der ihre ä
heraufzubeschwören trachten, sondern den wir notwendigst zur end¬
nicht für einen Dichter nehmen, am wenigsten für einen Renaissance=nicht entsprechen. In Beatrices
gültigen Ueberwindung des pessimistisch=naturalistischen Milieu¬
Dichter, und mit dem Tasso=Motiv verwirrend hineinspielen. Tasso eine erste Neigung eigensiunig da
jammers brauchen. Glut lodert und Blut strömt durch Schnitzlers
der Poct leidet, Beatrice viel verwandter, unter dem Uebermaß seines und verschanzt sich hinter Witz us
Drama, das uns ein Volk am Vorabend seines letzten Tages und
Fühlens, dem Mangel an Reflexion — Filippo Loschi geht an allzu Nichte spröde wie die braunen
deshalb in wild gesteigerter Lebenslust zeigt. Diese Liebe zum
starker Reflexion zu Grunde, an einem Ibsenschen Mißtrauen, einer keimenden Blätterschmuck verkapsc
ewig verschleierten und ewig lockenden Leben gewinnt höchsten Aus¬
unkünstlerischen Unfähigkeit, das Leben zu genießen.
. So ver=eine Schauspielgrin nicht passen, d
druck in der Gestalt der Beatrice Nardi (auf die ein breiter Schatten
zerren und verschieben sich wertvolle Intelitionen. Ein Uebereifer Gebahren spätsommerliche Reife
von Grillparzers Jüdin fällt).= Beatrice, die ohne zu wollen Ursache
Schnitzlers stiftet weiteren Schaden: er meint, in Hintergrund=Abkunft. Diese Abkunft aber sollte
spontanster Willensakte wird, die ohne zu hassen tötet, ohne zu lieben
figuren einzelne Züge seiner Hauptfiguren tcojizieren, seine Motive durch eine zarte jungfräuliche Ersch
beseligt, verkörpert die erbarmunglose Dämonie des Lebens, hat den
und Symbole mannigfach sich spiegeln lassen zu müssen. Nur daß ikomödienhaften Kontrast zu Beat#
berauschenden, gefährlichen Hauch des Lebens in sich, der rätselhaft ihm der polyphone Stil der Szenenführung vorläufig fehlt, der alle keit ergäbe. Denn wenn die Zä#