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14. Der Schleier der Beatrice
des Publikums Anerkennung verdient, das mit unzwei= Scenen und Gestalten leidet. Unter den Darstellern
deutigen Zeichen des Mißfallens den Schluß der Vor=sind nur Herr Kayßler=Herzog und Frl. Triesch=Beatrice
stellung begleitete. Noch peinlicher berührte die ebensalls lobend zu erwähnen, den übrigen ist die Kunst des
nur von einer Anzahl der Besucher des Deutschen Versesprechens fast ganz verloren gegangen.
Theaters kundgegebene entschiedene Ablehnung des
Engenie von Huhn.——
Schnitzlerschen Trauerspiels, um so peinlicher, weil, ganz“
abgesehen von der Achtung, die ein gebildetes Publikum
einem oft erfolgreichen Dichter schuldet, auch wenn er
einmal einen Fehlgriff thut, das neueste Stück des
Wiener Dramatikers ein so hartes Schicksal durchaus
nicht verdient hat.
Da die Oper „Lonise“ in diesem Blatte schon an¬
läßlich ihrer Erstaufführung in Elberfeld eingehende
Würdigung erfahren hat, brauche ich mich mit ihr weiter
nicht zu befassen. Erwähnen möchte ich nur, daß an
ihrem hiesigen geringen Erfolg ihre Wiedergabe an der
Königl. Oper viel Schuld trägt. Das Ganze wurde zu
schwerfällig gespielt und gesungen, es fehlte der leichte
prickelnde, mit einem Wort, „französische“ Reiz, der das
Opus belebt hätte. Schade um die große und ver¬
gebliche Arbe, die auf die Einstudirung dieser, wie so
vieler andere vom Spielplan schnell abgesetzter Opern
verwendet worden ist.
Wenn Schnitzlers „Schleier der Beatrice“ im Deutschen
Theater ebenfalls nur einen zweifelhaften Erfolg hatte
so mag das verschiedene Ursachen haben. Man hat hier
gewußt, daß das Stück anderwärts nicht gefallen hal
und sich vielleicht dadurch ein strengeres Urtheil suggerirer
lassen, als unter anderen Verhältnissen gefällt worder
wäre. Gerechtfertigt war die scharfe Opposition keines.
falls, die sich nicht scheute, dem Dichter der „Liebelei“
der „Lebendigen Stunden“ bei jedem ihm zu Thei
werdenden Hervorruf mit Zischen zu begegnen. Das
neueste Werk des Wiener Poeten enthält, wie man das
nicht anders erwarten durfte, viel Schönes. Die drei
Hauptgestalten sind interessant und mit liebevoller
Charakterisirung gezeichnet; viel schöne tiefsinnige
Gedanken sind in vornehm fließenden Versen ausge¬
sprochen, interessante, auch dramatisch bewegte Scenen
reihen sich an einander und doch vermißt man jenen letzten
stärksten Gehalt, der am Schlusse eines Dramas uns
das eben Geschaute wie etwas greifbar Wirkliches in
unserem Inneren wieder und wieder durchleben läßt.
Vieles in dem Stück interessirt und gefällt, nichts bewegt
oder begeistert; es ist zu viel Construirtes und zu
wenig aus unmittelbarer Empfindung Hervorgegangenes
darin, auch hat der Dichter in die 5 Acte Stoff
geung für drei Dramen gepreßt, und so ist
Ausklingen jeder schönen Wirkung im ersten Ent¬
stehen unterbrochen. Der erste Act begiebt sich im
Garten des Dichters Filippo Loschi in Bologna.
Die Stadt ist in höchster Gefahr. Cesare Borgia kommt
sie zu belagern; Loschis Freunde fordern ihn auf, sich
den Vertheidigern anzuschließen — er weigert sich seine
Braut zu besuchen, die am Sterbebett ihrer Mutter
weilt, er lehnt es ab, ebenso wie die Einlabung des
Herzogs, der den Dichter kennen lernen will. Sein
ganzes Denken und Trachten geht nach Beatrice Nardi,
die seit drei Tagen seine Geliebte ist und nun zu ihm
kommt, um mit ihm aus der bedrohten Stadt zu ent¬
fliehen. Als sie aber dem Dichter erzählt, sie habe vom
Herzog geträumt, daß sie ihm angetraut und von ihm
geküßt worden sei, da wendet sich Loschi von ihr, die als
seine Geliebte ihre Seele durch Träume von Anderen
beflecke, und stößt sie zurück. Der zweite Act führt den
Zuschauer in die Straßen Bolognas. Die Bürger
sammeln sich zur Vertheidigung, obwohl sie die Stadt
verloren geben, aller Lebensdrang, alle Lebenslust
rauschen Angesichts der wahrscheinlichen Vernichtung
höher empor; es heißt, der Herzog werde für die letzte
Nacht das schönste Mädchen Bolognas zur Genossin
wählen und die Bologneserinnen schmücken sich, um ihm
zu gefallen. Beatrice giebt, müde und traurig, dem
Werben des jungen Vittorino nach und will sofort
mit ihm zur Kirche, da erscheint der Herzog, sieht
Beatrice und wählt sie. Allein sie weigert sich, nur als
angetraute Gattin will sie ihm folgen, und als er
von ihrer Schönheit geblendet darauf eingeht, giebt