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Dr Nacht vom Herzog gekräumt, wie er sie durch einen langen schmalen
Gang zwischen endlos hohen Mauern dahinführte, über denen rote
Polken standen. Und sie gingen in ein Zimmer, in dem grüne Lichter
brannten
und dann kommt in der Schilderung das Ruhebett,
und der Herzog, der sich über Beatrice neigt —
und man findet es
#r begreiflich, wenn der aus allen Himmeln gerissene Dichter nicht
r Nachtreter auf dem Wege des Herzogs sein will und der edlen
A#atrice den Laufpaß gibt, ein Verfahren, das die kindliche Seele
###s Mädchens nicht begreift. Bald darauf schreitet Beatrice an der
Seite des jungen Vittorino Monaldi, eines Gehilfen ihres Vaters, zur
#rche, um sich mit Vittorino trauen zu lassen. Eilig wird der Akt,
da der Feind vor den Toren steht und Vittorino an dem Verzweif¬
lungskampfe teilnehmen will. Da kommt der Herzog die Straße ent¬
leng und sieht Beatrice, er erkennt die Schönheit wieder, die seine Sinne
###rüickt hat, es folgt eine hypnotische Szene, Beatrice steht unter dem
Banne des Mannes, von dem sie so süß geträumt hat, und sie erklärt
sich trotz des tapferen Widerspruchs ihres Bruders und ihres Bräuti¬
ams für den Herzog, der sie zu seiner Auserwählten erklärt. Als
sch der hypnotische Bann löst, hat die schwärmerische Beatrice plötzlich
soriel Weltklugheit, auf die Ehe mit dem Herzoge zu dringen. Die
Sochzeit wird denn auch unverrüiglich angesetzt — die Belagerung treibt
ja zur Eile. Vittorino ersticht sich, und Beatrice wird mit dem Herzoge
gerraut. Von der Hochzeit aber — es ist inzwischen Nacht geworden —
schleicht sie sich zu ihrem ersten Liebhaber, dem Dichter Loschi, der in
der Zwischenzeit Orgien mit zwei berüchtigten Courtisanen gefeiert hat.
um in süßer Umarmung mit ihm zu sterben. Es folgt eine Szene, die
in ihrer psychologischen Verzwicktheit nur ein Dekadent schreiben konnte.
Trochi erwägt nochmals die Möglichkeit der gemeinsamen Flucht,
B#aerice will jedoch die große Schuld nur mit dem Tode fühnen nur
der
Tod rechtfertigt und macht rein, was sie begangen hat. Decher
mit und ohne Gift
— dem Gifte der Courtisane Lucrezia — soielen
dann eine Rolle, Beatriee bekommt in kindlicher Weise Furcht vor dem
Lode, und Loschi stirbt schließlich allein. Beatrice aber flieht voll Ent¬
setzen zurück zur Hochzeitsgesellschaft und zum Herzog.
Es war nötig, Beatrice auf ihren Wegen zu folgen, um die Rarität
ieses unerforschlichen Charakters kennen zu lernen. Das Mädchen,
#a# bei allem Unheil, das sie angerichtet, das reine Kind bleibt, bringt
fertig, zwei große Leidenschaften zu gleicher Zeit in ihrem weiten
Herzen zu beherbergen, sie läuft von dem Einen zum Andern und wie¬
r zurück und bleibt immer naiv. Ein wirkliches kleines Ungeheuer
ob man es in der Renaissance oder in der gegenwärtigen Zeit der
##tadence für möglich halten will, ist Geschmackssache. Beatrice hat in
Pr#chis Wohnung einen kostbaren Schleier zurückgelassen, den ihr der
Herzog geschenkt hat. Sie soll sagen, wo sie gewesen ist, wo sie den
Schleier gelassen hat, eine Notlüge schlägt fehl, und der Herzog ver¬
urteilt sie zum Tode. Entsetzen ergreift sie, und um nicht sterben zu
müssen, führt sie den Herzog in Loschis Haus. Man findet den Schleier
und auch die Leiche des vom Herzog angebeteten Dichters. Und was
wird nach allen diesen verzwickten Vorgängen aus Beatrice? Nun die
unverdorbene Jugend ihres Bruders Franresco findet hier einen
schnellen und, wie selbst der Herzog zugeben muß, korrekten Ausweg
Francesco ersticht seine Schwester. Der Herzog feiert in schönen
Worten den Dichter und bestimmt für ihn ein ehrenvolles Begräbnis
an der Seite Beatrices, die durch die Verbindung, in der sie zu dem
Unsterblichen gestanden, eine Weihe erhalten hat, die alle ihre Taten
vergessen macht.
In dieser kurz skizzierten Haupthandlung — wenn man Beatrices
unberechenbare Entschlüsse und deren Folgen so nennen will — ist indeß
#ei weitem nicht alles enthalten, was in das Stück an Geschehnissen vom
Verfasser hineingezwängt worden ist. Die Renaissance hat hier ihren
ezenen Geist. Daß ihre Helden auch von ausgesuchter Grausamkeit
sein konnten, ist wohl noch das Zutreffenste an dieser Sittenschilderung.
Die Aufführung, die von Herrn Oberregisseur Eggelinge mit
vieler Liebe und auch mit Geschick vorbereitet war, erhielt durch das
Gastspiel des Frl. Frene Triesch vom Deutschen Theater in Berlin
#n besonderes Interesse. Die zierliche Darstellerin war sichtlich be¬
stecht, die wechselreichen Stimmungen Beatrices durch ein beredtes
Wienenspiel anschaulich zu machen und in allen den schwierigen Situa¬
tinnen den vorherrschenden Charakter kindlicher Naivetät festzuhalten.
Es gelang ihr dies auch in der Deklamation. Der Ausdruck des
Schmerzes hatte viel Ergreifendes, und zweifellos war die Leistung
abenthalben interessant. Das Organ der Dame ist weder groß noch
schön, sie weiß es jedoch geschickt auszunntzen, und man kann gespannt
berauf sein, wie sich ihre Mittel in Rollen anderen Geures bewähren
werden. Daß das Personal des Schauspielhauses selbst den größten
Auforderungen gewachsen ist, bewies die Besetzung der über vierzig
Rollen des Stückes, wenn auch, wie dies ja bei solchen enormen An¬
jnederungen selbstverständlich ist, nicht alle Leistungen gleichwertig aus¬
sielen. Nicht zu beneiden war Herr Grevenberg um die Aufgabe,
### seelischen Regungen des Dichters Loschi mimisch zum Ausdrucke zu
bringen. Loschi befindet sich trotz der sonstigen Vielseitigkeit des
Stückes fast immer in der Lage peinlicher Sorge, Verlegenheit und Ent¬
geschung. Begeisternd ist eine solche Aufgabe nicht. Herr Greven¬
berg führte sie einheitlich durch, und seiner Mimik sah man keine Er¬
schlaffung an. Die Überlegenheit des Herzogs kam im Auftreten des
Herrn Mauren in allen Situationen zur Geltung. Die Deklamation
war nicht ohne Poesie, und das etwas verschleierte Organ hatte einen
stimmungsvollen Ausdruck. In einer ganzen Reihe episodisch auf¬
rretender Figuren offenbarten sich eigenartige Tale#te, wir erwähnen
nur Herrn Eggelings Grafen Andrea Fantuzzi, Herrn Forsch's
Nardi und Herrn Mehnerts Manussi, der in der Erzählung von
P#atrices Heirat ein kleines Kabinettstück bot. Herr Vollmer als
Krancesco, wic auch Herr Boettcher als Vittorino waren in der
w##endlichen Aufgebrachtheit recht frisch und lebendig. Die interessante
##auenwelt Bolognas war durch viele Figuren vertreten. Größere
Sefeaben fielen indes nur Frl. Anders und Frl. Kirch in den
Vollen der beiden Courtisanen Lucrezia und Isabella zu und sie spiel¬
##n beide recht flott. Viel Eindruck machte die rein mimische Leistung
Frl. Fontekive in der Rolle der unglücklichen Teresina. —
Die Pausen waren leider von ermüdender Länge.
Arthur Gadebusch.