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14: Der Schlefer der-Seatrice
###, Kopefnagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Dewähr.)
Ausschniffeneralanzeiger für Hamburg-Altona
Hamburg
vom: 5 SEF 1911
SEEARRTUTRN
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Verscheinen, als bei zahlreichen anderen Figuren. Im Grunde ist diese
ist die Mögl
Beatrice das süße Wiener Mädel des Anatol=Dichters, und über diesen
kenden Char
Theater und Mlusik.
Dichter der Liebelei, nicht Liebe, ist Schnitzler bis heute auch nur schein¬
Aber Sch
bar hinausgekommen. Es ist das süße Mädel im Gewande der Re¬
die Grazic,
naissance. Gegen eine solche Kostümierung ist natürlich nicht das Ge¬
Deutsches Schauspielhaus.
hinreicht, ver
ringste einzuwenden. Fraglich bleibt es jedoch, ob das Figürchen sich
schädigen.
Der Schleier der Beatrice. Schauspiel von Arthur Schnitzler##
wirklich zur Heldin eines sehr ernsthaften Schauspiels eignet, und ob
des Dichters,
Ein Schleier, ein wunderbar reicher, mit Ruhinen=u Saphiren,
Schnitzler sich ihretwegen in die größten dramatischen Unkosten stürzen
und charakte
muß, wie sich ihretwegen ein Herzog von Vologna in die allergrößten
mit Gold und Diamanten, mit den seltensten Köstlichkeiten der Erde
aus einem i
bestickter Schleier, umfließt in weichen, losen Falten cin junges,
Unkosten stürzt, wie sich ihretwegen ein unsterblicher Dichter um alles
tritt weiter
sechzehnjähriges Weib von der zauberhaftesten Schönheit. Rätselhaft
bringt, zuletzt um sein Leben. Dieser Dichtersmann verläßt eine schöne
fältige Polit
und unbegreiflich ist die magische Gewalt, die von diesem Schleier und
gräfliche Bra#t um die schöne kleine Sechzehnjährige, er wird wort¬
reichlich, bei
der halbterhüllten Pracht der jungen Glieder unter dem feinen Gewebe
brüchig, kümmert sich nicht mehr um seine Vaterstadt, die in der höchsten
An der #
ausstrahlt. Der seidene, edelsteinbesetzte Flor selber einst ein geheim¬
Gefahr schwebt, er wirft alle sonstigen Verpflichtungen über Bord aus
gewohnte exch
nisreiches, aphrodisisches Rüstzeug einer orientalischen Fürstin; alle
sinnloser Leidenschaft für Beatrice. Mag sein. Er ist einer großen
durch sorgfä
Passion verfallen. Aber, und nun kommt die Reihe der großen Aber,
Liebesglut, alle zärtlichen, süßen Launen, alle jähen Leidenschaften
reichen ist, #
er jagt die sinnlos Geliebte von sich, als diese ihm erzählt, sie habe
und Grausamkeiten der Lüste und Entwürdigungen der Liebe sind in
das gesamte
ihren jungen Herzog gesehen und sei im Traume die Seine geworden.
die spinnwebzarten Fäden verwoben. Unter dem Schleier ein Weib,
Valérymit
I Im Traum, der bekanntlich alle Elemente des wachen Daseins konfus
halb noch ein Kind, ein noch in wesenlosen Träumen wandelndes, mit
los Verhäng
durcheinander wirft. Deswegen eine Geliebte, ein über alles geliebtes
dem Leben tändelndes Kind. Ein sspielendes Kind, das nach einer
Weibes, das
Wesen davonschicken auf Nimmerwiedersehen und sich zwei reisenden
Fürsienkroue greift oder nach der glühenden Abendröte und dem far¬
tische sich stel
Buhlweibern in die Arme stürzen, wie dies im Stück geschieht —
denschimmernden Regenbogen, nach der Liebe eines Dichters, nach der
den letzten A
dieser Dichter ist nicht feinfühlig, sondern unsinnig launisch. Durch
Fürsorge eines guten Jungen, nach den zuckersüßen goldenen Trauben
aus. Hier wä
diese rathandlung erwirbt er sich allerdings das Recht, auf der Bühne
in der schön ziselierten Fruchtschale, nach der Bewunderung eines vor
fraglich ist, o#
zu tun, was ihm beliebt, aber er verwirkt sich auch das Recht auf
ihrem Throne knienden Volkes. Nach allem, was ihr schön und lie¬
könnte. Die
benswert in die runden, nachtdunklen Kinderaugen glänzt und schimmert,
weitere Anteilnahme. Und so reiht sich in Schnitzlers Drama bunks Teaters.—
und seltsames Abenteuer an buntes und seltsames Abenteuer, nicht
greift Beatriee Nardi, die Tochter eines kindischem Wahnsinn ver¬
Loschi. Eige
logisch Glied an Glied einer zwingenden Handlung. Es kann alles
fallenen Vaters, mit den unschuldigsten, zierlichsten Fingern. Nichts
zeichner, die
wohnt hinter der lieblichsten Stirn von Gedanken einer staatlichen oder
I so kommen, wie es in diesem Drama kommt, wenn man nämlich dem
Umrissen der
sittlichen Ordnung, nichts von konventionellen Schranken oder sittlichen
Dramatiker eine fast völlige Willkürherrschaft über die Elemente der
weichere Stie
Stacheldrabtzäunen. Nichts davon, rein gar nichts. Jenseits von Gut
Wirklichkeit zugesteht, und wenn fast unumschränkt das neuerdings auch
lichkeit dieser
und Böse lebt die junge Beatrice Arthur Schnitzlers als ein rein
von anderer Seite proklamierte Prinzip le theätre pour le theätre
animalisches, aber elfen= und nixenhaft betörendes Elemenlarwesen.
herrschen soll. Die junge Beatrice kann von der Seite ihres Ge##rastlosen und
Retkungslos verfällt ihrem Zauber jeder Mann. Denn jeder Mann
liebten, der sie wegen eines Traumes verstoßen, hiawegeilen und interessant un
wird zum bloßen Mänuchen, sobald er in den süßen Duftkreis der über
einem Bräutigam und guten Jungen zum Traualtar folgen, sie kaung derr Carl!
gerte die Wi
alle Maßen schönen und verführerischen Beatrice tritt, des unbewußt
auf dem Wege dahin vom Herzog zur Geliebten begehrt werden, und
hier besonder
verführerischen Weibchens. Als bloße Männchen und Weibchen gehen
sie kann nun den Herzog zum Altar geleiten, nachdem sic es verschmähl!
sondors Mor
Beatrice und die ihrer begehren, ihrem Schicksal entgegen, ihrem unab¬
hat, die Dirne des Herzogs zu werden. Die junge Herzogin Beatrice
seinen vordr
wendbaren, von ihrem Triebleben ihnen auferlegten Schicksal. Soll
kann dann von der höchst wilden Hochzeitsorgie ihres Gatten hinwegjReinen,
man es eine Tragödie nennen, wenn Mann und Weib um Liebe und
wieder zu ihrem Dichter fliehen; dieser kann sie vergiften, weil er in
Messalina,
Schönheit starben, wenn Mann und Weib alle anderen Lebenswerte
Beatrice nicht die edle, zu jeder Todesform bereite Seele findet, die
liegt Frl. R#
hinwerfen, sobald es das zu erringen gilt, was die Gestalten in dem
er erwartet hat, und weil er jetzt auch einsieht, in welche Schmach und
schon bei Schh
Schnitzlerschen Drama Glück nennen? Nein, es ist keine Tragödie, es
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Schande er sich wegen dieser Beatrice gestürzt hat. Es kann dasderinn##, wurck
gibt überhaupt keine Tragödie mehr. Tragödien können nur entstehen,
alles geschehen; es kann mit einem gleichen Grade von Wahrschein=I mischer Kraft
wenn der Dichter seinen Personen iegend eine Freiheit der Entschließung
lichkeit oder Unwahrscheinlichkeit auch alles anders geschehen. Die
Glut eines u
und des Willens konzediert. Weil Schnitzler seine Gestalten unter dem
Auswahl der Bühnenereignisse ist vom Dichter entweder zu den Zwecken
Höhe hinaufg
ehernen Zwange des Trieblebens handeln läßt, gibt es für ihn nichts
einer erstaunlichen, aber völlig in der Luft schwebenden Romantik, oder
der Beatrice
Tragisches mehr. Daher nennt er sein Drama ein Schauspiel. Es ist
aber einfach zu den Zwecken einzelner wirksamer Bühnenszenen, also
zurückgesetzten
ein blutiges, ein an Lust und Entzückungen und Gransamkeiten reiches
aus theatralischen Gründen getroffen worden. Das Letzte ist das
war durch He#
Spiel, ein Spiel zum Anschauen.
Wahrscheinliche; den theatralischen Motiven ist nur eine ziemlich
Ein Schauspiel, aber ach, ein Schauspiel nur! Es will nicht ge¬
durchsichtige, poetisch=psychologische Maske vorgebunden. Wahrschein¬
stein als Gr
lingen zu erfassen, was die Welt dieses Schauspiels im Innersten zu¬
lich aus theatralischen Gründen muß Beatrice ihren Schleier bei der
Kreidema
sammenhält. Gewiß ein farbenglühendes, ein formenprächtiges, ein
Leiche des Filippo Loschi liegen lassen, sie muß aus denselben Grün¬
Zillich, P
mit wirksamsten Kontrasten in die Augen fallendes Schauspiel; aber es
den mit dem Herzog wieder zurückkehren, dieser muß ihr zumuten,
Lang und A
beschäftigt den äußeren Sinn des Sehens mehr wie ein Kaleidoskop, als
über der unter einem Vorhang verborgenen Leiche des Geliebten die
als unglücklich
daß es zum Mitfühlen und Miterleben zwingt. Wenn Schnitzler die
Brautnacht mit ihm, dem Herzog, zu feiern, Beatrice muß dann die
Augenblicksgelüste, den Trieb des jeweils gegenwärtigen Moments, die
Herr Heil a
Wahrheit bekennen und von ihrem Bruder=Soldaten, der eigentlich der
Laune der flüchtigen Stunde zu Herren seiner Personen macht, so er¬
Frl. Bauer
brave Valentin aus Goethes Faust ist, erstochen werden. Allen diesen
niedrigt er diese nicht nur zu Tieren, sondern noch weiter hinunter,
schöpfen die L
theatralischen Notwendigkeiten ist mehr oder minder geschickt die
zu kloßen Puppen, denen der Autor, je nachdem es die äußere szenische
lange nicht.
Maske der psychologisschen Motivierung aufgesetzt. Nur theatralisch
Wirkung verlangt, bald dieses, bald jenes Handeln soufflieren kann.
Beifall ausgez
besteht ein Müssen, in dramatischer Hinsicht herrscht eine Willkür, die
Das bloße Handeln aus Laune beginnt bei der Hauptperson, der
Beatrice. Bei ihr mag es in höherem Maße im Charakter begründet? keine tiefere Anteilnahme des Zuschauers aufkommen läßt. Freilich !