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u herte Dan.
u.
Herr Brahm am Deutschen Theater in Berlin schon vor
munderliche Vater Nardi des Herrn Straßni. der
mehr als zwei Jahrzehnten mit diesem Schauspiel ziemlich
feurige Francesco des Herrn Lohner, der gutmütig
bürgerliche Vittorio des Herrn Philipp Zeska.
trübe Erfahrungen machte, weswegen man auch in Wien,
wo man doch sonst diesen Propheten im Vaterlande wahr¬
Die Wiener Schnitzlergilde benützte auch diesen nicht
haftig zu schätzen wußte, die Hand davon ließ. Aber da
eben glücklich gewählten Anlaß, um ihrem Dichter Ova¬
das Burgtheater einem ungeschriebenen Gesetz zufolge
tionen darzubringen. Die Treue, sie ist eben doch kein
*)
leerer Wahn.
Herrn Schnitzler Jahr für Jahr seinen Tribut zollen muß,
B.
so muß in Ermangelung eines neuen Werkes dieses alte
— Konzert der Dresdner Sänger. Der auf seiner
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herhalten, das bestimmt nicht sein bestes ist. In mehr als
Sängerfahrt in Wien herzlich begrüßte „Dresdner
einem Belange hat er sich seither mit anderen Dichtungen
9
Orpheus“ einer der bekanntesten und ältesten (schon
übertroffen, so etwa in der Größe der historischen Vision
1834 gegründet) deutschen Männergesangvereine, veran¬
im „Jungen Medardus“.
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staltete am 22. d. im Großen Musikvereinssaal ein großes
Im „Schleier der Beateice“ soll die historische
*
Festkonzert mit Orchester, das unter der künstlerischen
Situation als drammatisches Moment mitspielen: Vologna
Leitung Dr. Heinz Knölls stand, eines Wiener
ist von Feinden umzingelt. Morgen wird die Entscheidung
Musikers, der gegenwärtig als Kapellmeister an der
fallen. Die Stadt ist in fieberhafter Erregung. Niemand
Dresdner Staatsoper tätig ist. Sein Verdienst mag es
wagt an Rettung zu glauben. Der gewaltige Borgia steht
auch zum Teile sein, wenn diese sachsischen Sänger mit
vor dem Tore. Der junge Herzog von Bologna will diese
Leistungen aufwarteten, die auch für die Stadt eines
letzte Nacht mit der schönsten Tochter der Stadt verbrin¬
Wiener Männergesangvereines und Schubertbundes als
gen. Er sieht die holde Beatrice, die Tochter des armen außerordentlich gute zu bezeichnen sind. Der „Dresdner
Wappenschneiders Nardi, und begehrt sie, doch folgt sie ihm Orpheus“ verfügt nicht nur über ausgezeichnetes Stim¬
erst, nachdem er sie in rascher Vermählung zur Herzoginmenmaterial, namentlich profunde, tragende Bässe, son¬
gemacht hat. Sie entweicht ihm aber vom Hochzeitsfeste dern auch über eine bemerkenswerte Chordisziplin. die
und eilt zu ihrem geliebten Dichter Philippo, der sie vor
sich in der Sicherheit der Einsätze, der Klangreinheit der
wenigen Stunden verstoßen hat, da sie ihm erzählte, wie
Stimmführung und der prächtigen Dynamik sowie der
seltsam sie vom Herzog geträumt. Zwischen ihren beiden
hervorragenden Aussprache äußert. Der künstlerische
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Abenteuern mit dem Dichter und dem Herzog wäre
Gesamteindruck übertraf den, den die Leipziger Sänger
Beatrice beinahe die Gattin eines kleinen Gewerbs¬
und der Neebsche Männerchor in Wien hinterlassen haben.
mannes geworden, dem sie seit langem versprochen ist.
Auch die Vortragsfolge stand auf ansehnlicher Höhe, wenn
Curt
Eben wollte sie mit ihm zur Trauung gehen, da trat der
tr. 42
auch vielleicht der orchestrale Teil etwas zu stark in den
Herzog dazwischen. Nun aber wird sie durch einen ihr
Vordergrund trat. Besonderes Lob gebührt dem Diri¬
selber unerklärlichen Zwang von der Hochzeitstafel weg
genten, der feinfühlig aus Chor und Orchester prächtige
zu dem Dichter zurückgeführt. Von Ekel und Lebensüber¬
Leistungen hervorholte. Er verstand es jedes einzelne
druß gequält trinkt Philippo den Giftbecher. Beatrice hat
Vortragsstück klangplastisch und dynamisch ganz prächtig
nicht genug Kraft, ihm in den Tod zu folgen, sie will
herauszuarbeiten. Der erste Teil des Programms enthielt
einleitend Regers schwieriges „Requiem“ für acht¬
Sechenter derststun von sie die Soechelteschmnnck
stimmigen Männerchor a cappelli mit Orgeleinleitung
Ihre lange Abwesenheit wurde bemerkt, ihre Ausreden und Finale, das glänzend gemeistert wurde. Den Orgel¬
werden als Lügen durchschaut und der Herzog zwingt sie
part spielte unser Wiener Meister, Herr Domorganist
unter Androhung des Todes, ihm zu sagen, wo sie den
Walter, in vorbildlicher Weise, der auch in der Reger¬
Schleier ließ. So führt sie denn ihren Gatten in das Ge¬
schen Introduktion und Passacaglia in F=Moll“ eine
mach, in dem immer noch der tote Dichter einsam hin¬
Probe seines ganz außerordentlichen Könnens ablegte.
gestreckt liegt, er, dessen Verse der Herzog so sehr liebte
Es folgten Bruckners „Träumen und Wachen" und
und den selber kennen zu lernen ihm niemals gegönnt
der wuchtige Chor „Helgoland“ aus Aufführungen
war, obwohl er sich um seine Freundschaft bewarb. Er¬
unseres Schubertbundes her bekannt. Nach der „Roman¬
schüttert von diesem tragischen Zusammentreffen will der
tischen Suite" Regers, in der das Sinfonie¬
A
Herzog der ungetreuen Gattin verzeihen und sie ihren
orchester unter Dr. Knölls feinfühliger Leitung
s ein¬
Eltern zurückgeben. Aber ihr eigener Bruder rächt die
brillierte, folgte der machtvolle „Triumphgesang“ des¬
X//5,
Schmach, die sie über die Familie gebracht hat und Beatrice
selben Komponisten, den Knölls Dirigentenkunst zu kräf¬
stirbt von seinem Dolch.
tigster Steigerung emporriß. Nach der Pause zeigten die
Das Schönste an diesem Stück ist sein breiter, feier¬
Gäste ihr Können in a-cappella-Chören von Brandes,
licher Ausklang, sind die Sätze, die der Herzog über die
Reiter und Lendvai, von denen besonders der Chor
beiden Leichen hinweg in die ungewisse, blutige Zukunft
des letzten („Glockenlied“) prächtig herausgearbeitet war.
der nächsten Stunden spricht. Hier wird auch wieder das
Vier Volkslieder, mit bewundernswerter Präzision und
7.
Bewußtsein des historischen Hintergrundes hergestellt,
Feinheit gesungen, bildeten den Schluß des interessanten
das während des Spieles oft streckenlang verloren ging.
Konzertes, das durch die Absingung des Deutschlandliedes
In diesem Unvermögen aber, die Stimmung dieser Nacht
in einer Verbrüderung zwischen Nord und Süd endete.
immer mitschwingen zu lassen, liegt die fühlbarste
Dr. Knöll aber hoffen wir doch in absehbarer Zeit
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Schwäche dieser Dichtung. Die Dinge, die hier geschehen,
nieder für seine Vaterstadt gewinnen zu können, für
alle diese seltsamen, blutigen, grausamen Vorgänge
00
deren Musikleben seine impulse, dabei feine Persönlichkeit
könnten nur aus der Eigenart einer Situation erklärt
tr.
viel bedeuten könnte.
00
und glaubhaft gemacht werden, wie es diese ist. Maeter¬
— Die Festaufführungen in Salzburg. Durch zahlreiche
linck hat uns in seiner „Monna Vanna“ ein Beispiel da¬
Anfragen veranlaßt, verlautbart die Direktion der Salz¬
aler¬
für gegeben, wie starken dramatischen Impuls ein Drama
burger Festspiele die endgäiltigen Termine für die einzel¬
sse 2
aus dem stets mitschwingenden Bewußtsein einer dort
nen Festaufführungen. Am 13., 14., 15., 19., 20., 23. und
bald¬
ganz ähnlichen Lage empfangen kann. Fast scheint es,
24. August wird Hoffmannsthals „Das Salzburger
ter¬
als habe Schnitzler nicht recht gewußt, was er eigentlich
Große Welttheater“ unter der Regie Max Rein¬
gestalten wollte. So glaubt man manchmal, dem Hoch¬
hardt in Szene gehen. Am 16., 17., 18., 21., 22., 26., 27.
zeitsschleier der Beatrice eine gewichtigere, symbolische
Bedeutung geben zu müssen, während man gleich darauf
Inszenierung von Vollmöllers Marienlegende „Das
erkennen muß, daß er nichts anderes als ein billiger Be¬
Mirakel“ mit der Musik von Engelbert Humperdinck.
helf ist, durch sein Fehlen den Verdacht des Herzogs wach¬
„Dr. Karl Muck dirigiert am 24. und 28 August Mozarts
zurufen. Unerklärlich also, warum die ganze Dichtung
„Don Jnan“, Franz Schalk am 25., 27. und 30. August
nach ihm ihren Namen trägt. Wie lächerlich ist es, zu
Mozarts „Figaros Hochzeit" und Bruno Walter am
denken, daß Shakespeares „Othello“ auch „Das Schnupf¬
26. und 29 August Donizettis komische Oper „Don Pas¬
tuch der Desdemona“ heißen könnte! Letzten Endes war
quale". Die Inszenierung der Opernaufführungen leitet
es Schnitzler natürlich darum zu tun, die Rätselhaftigkeit
Prof. Hans Breuer von der Wiener Staatsoper.
Im Burgtheater gelangt Montag, den 25. d., bei auf¬
eines sechzehnjährigen Weibes zu schildern, das, ihrer
gehobenem Abonnement, kein Kartenverkauf, Shakespeares
Schlechtigkeit unbewußt, mit einer sozusagen noch kind¬
Schauspiel „Ein Sommernachtstraum" zur Auf¬
lichen Ahnungslosigkeit von einem Männerarm in den
führung. Es wirken mit: die Damen Kallina, Percy, Pünkösdy,
anderen taumelt, sich selber in blutige Schuld verstrickend
Wagener und Wohlgemuth, die Herren Aslan, Andersen, Blum,
und ringsum Verheerung anrichtend. Ihr Bräutigam
Häussermann, Huber, König, Lohner, Maierhofer, Schmidt,
und ihr Dichter, beide sterben um sie, und auch ihr
Dienstag,
Siebert, Straßni und Wawra. Anfang 7 Uhr.
den 26. d., wird zu erhöhten Preisen Artur Schnitzlers Schau¬
Bruder wird ihretwegen in den Tod geschickt. In diesem
spiel „Der Schleier der Beatrice“ gegeben unter Mit¬
kleinen Mädchen lebt ein Dämon, eine Art Weibsteufel.
— Aber auch dieses Motiv ist nicht mit starkem dichterischen wirkung der Damen Aknay, Altbach, Devrient=Reinhold, Rita