Faksimile

Text

box 20/1
14. Der Schleier der Beatrice
Telefon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschaltt
„OBSERVER“ Nr. 85
*
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX. Türkenstrasse 17.
— Filiale in Budapest: „Figyelo“
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
Ausschnitt aus:
Deutsches Veitstit
NeK 24//9 7000
Theater, Kunst und Literatur.
lebtes, Erlauschtes und Erfundenes durcheinander mischt. Und
so stellt sich denn die Aufführung der „Mütter“ im Durg¬
Hofburgtheater. Gestern hat Herr Dr. Schlenther theater als eine durch nichts zu motivirende und durch nichts
bewiesen, wie unrecht ihm gethan wurde, als er von sechs
zu rechtfertigende Gefälligkeit dar, die Herr Schlenther
Wiener Kritikern wegen der Ablehnung eines Schnitzler'schen
einem seiner guten Bekannten und dem Kreise, dem derselbe an¬
Schauspieles so heftig angegriffen wurde. Der gegenwärtige
gehört, erweisen wollte. Gegen einen derartigen Mißbrauch unserer
Leiter unserer Hofbühne ist auf das Eifrigste bestrebt, mit der
Hofbühne muß man doch auf das Entschiedenste Front machen.
Clique auf gutem Fuße zu stehen, er findet die Machwerke
Die Darstellung, die das Schauspiel gestern fand, war jeden¬
des Wiener wie des Berliner Literaturjudenthums burgtheater¬
falls eine viel sorgfältigere, als sie gegenwärtig unseren
fähig, er wagt es auf den Brettern, die einmal das erste
Classikern am Franzensringe zutheil zu werden pflegt. Frau
deutsche Schauspielhaus bedeuteten, Hoffmannsthal
Schmittlein spielte die von ihr am Deutschen Volks¬
und Hirschfeld zur Aufführung zu bringen und trotzdem
theater creirte Rolle und verdient den Beifall, der ihr gespendet
weiß man ihm dafür keinen Dank. Es ist wahr, ein Werk
wurde, diesmal ebenso wie einstens. Neben ihr ist noch Fräulein
Für
des „großen“ Schnitzler wurde nicht für würdig befunden
Medelsky mit vollem Lobe zu nennen. Was die übrigen weib¬
und zurückgewiesen — aber was thut das? Wenn Doctor
1
lichen Rollen betrifft, fällt ein Vergleich zwischen den gestrigen
Schlenther aus irgend welchen Gründen sich nicht Leistungen und der seinerzeitigen Darstellung im Volkstheater sehr
#entschließen konnte, den „Schleier der Beatrice“ zu

zu Gunsten der letzteren aus, denn weder Fräulein Witt,
geben — sein ganzes Verhalten seit seinem Amts¬
noch auch selbstverständlich Fräulein Haeberle erzielten
antritte war doch nichts als ein ununterbrochenes
Ahonr
jene Erfolge, die die Damen Odilon und Retty als
Buhlen um die Gunst jener Coterie, in der Herr Schnitzler eine
Abon
Marie Weil und Grete Printz zu verzeichnen hatten. Zum
hervorragende Rolle spielt. Hirschfeld, dem gestern binnen
Schlusse seien noch Frau Wilbrandt und die
Jahresfrist zum zweitenmale die Ehre widerfuhr, eine seiner
Herren Reimers, Römpler und Devrient
Arbeiten am Burgtheater aufgeführt zu sehen, ist zwar ein
Inha
erwähnt, die sich des Stückes mit größerem Eifer annahmen,
„Berliner“, er gehört aber auch zu jener Gruppe der „Jungen“,
blä
als ihn dasselbe unseres Erachtens verdient. Hoffentlich
die jetzt wegen der „Beleidigung“ eines der Ihrigen auf
wodu
werden „Die Mütter“ bald wieder aus dem Spielplane des
des
Dr. Schlenther so schlecht zu sprechen ist. Das Schauspiel
Bisegtheaters verschwinden.
werde
„Die Mütter“ ist seinerzeit am Deutschen Volkstheater zur Auf¬
führung gelangt, ohne daß es trotz der vortrefflichen Dar¬
stellung sich einen bleibenden Platz im Spielplane hätte er¬
ba
obern können. Wir möchten nun gerne wissen, was Herrn
S
Dr. Schlenther veranlassen konnte, ein von einer Privat= la“
bühne „abgelegtes“ Stück dem Repertoire des Burg¬
Fl
theaters einzuverleiben und mit demselben die Reihe
8
der für diese Saison zu
erwartenden Premièren
sp
bei höheren Preisen zu eröffnen? Künstlerische Beweggründe de
können da unmöglich mitgewirkt haben; wir glauben, es wird
„L
Niemand das Bedürfnis empfunden haben, das am Deutschen (d¬
Volkstheater begrabene Stück wieder aufleben zu sehen. Wir
ro
von unserem Standpunkte müssen ganz besonders gegen die
R
Bevorzugung protestiren, die Herr Schlenther seinem „jungen
ba
Freunde“ Hirschfeld zutheil werden läßt. Sowie in „Agnes
Jordan“ ist auch in „Die Mütter“ das Milieu ein &
rein jüdisches. Wir meinen, daß nicht einmal der S
jüdische Theil des Theaterpublikums sich stark für die dramati= T
sirten Familiengeschichten interessirt, in welche Hirschfeld Er= u