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14. Der Schleien der Bestrice
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Wiener tägl. Theater- u. Fremdenzeitung (Karl Ed. Klopfer), XXVII. Jahrg., II. Juni-Hälfte 1925
3. Seite
Sonne, die ihm zu — fröhlichem Tod im Argste in dieser Beziehung gibt Hr. A. übrigens stößen gegen den Sprachgeist bewahren müssen.
n Kampf mit den überlegenen Streit-Ischon im I. Aufzug zum Besten, als er in der So fühle nun ich mich verpflichtet, sie darauf
des Borgia leuchten soll, als leuchte sie Rede an den Geheimschreiber Cosini, der ihm aufmerksam zu machen, daß in dem Satz an den
ein ihm, der dem letzten Abenteuer als die Einladung zu Hof bringt: „Ich bin heut nicht
werbenden Herzog: „Es war zu wenig nicht
mehr, den der Herzog sucht“ mit aller Kraft
waltigsten mit mächtiger Neugier ent¬
(nur nicht das Rechte)“ nicht dieses nicht,
he, denn: „Das Leben ist die Fülle, nicht das mehr betont statt des „bin“. (Merkwürdig!
sondern „wenig“ zu betonen ist und ebenso
, und noch der nächste Augenblick ist Sonst reiten die Herrschaften auf der Ver¬
wenig das nicht in ihrer Versicherung (V. Akt):
neinungspartikel herum, und wo sie allenfalls
eißt es im Buch. Schnitzler hat dieser
„Ich werd’ ihn nicht zum zweitenmal verlieren“
die eine lichtvolle und tröstliche Lebens¬
betont werden dürfte, weichen sie ihr aus. Das
(den Schleier). Auf der Hauptprobe war sie mit
ung gibt, nun „in's Logisch-Grammatika¬
kommt eben davon, daß der Sprachgeist ent¬
„zweiten-mal“ schon am Richtigen.
flohen ist und durch Spintisiererei ersetzt wird.)
bertragen“ mit der prächtigen Fassung:
Eine ausgezeichnete Darstellerin hat Bea¬
Am besten ist Hr. A. — als Toter. Sein Ver¬
tricens Schwester Rosina in Frl. Wall. Die in
bens Maßist Fülle und nicht Zeit
halten, wie sein Körper unter den Händen des
sündiger Liebe Verschmachtende liegt ihr ebenso
Herzogs auf den Boden hipschligt, ist wirklich
gut wie die neiderfüllt Hassende. Dabei läßt sie
k. Erfolg war groß, der Dichter wurde
vorzüglich.
merken, daß sie doch eines Stammes mit
Ffall überschüttet, und sein Werk würde
Hr. Aslan (Bentivoglic) ist seiner Rolle nicht Beatrice ist, nur ein verdorbener Zweig. Leiden¬
ifellos dauernd im Repertoire behaupten,
immer sicher, füllt andererseits seinem Partner schaft ist ihre Domäne. Davon ist Fr. Aknay
in allen Teilen und bei allen Mitwirkenden
mitunter zu früh ins Wort und schwelgt stellen-Psehr fern. Sie gibt die sentimentale Dirne
liente Sorgfalt erfahren hätte Daß dies
weis wieder in seinen armenischen Nasentönen Lucrezia wie eine ägyptische Nachtwandlerin.
schah, muß man nun auch Sehnitzler:
und in der überhellen Artikulierung des a. Das Dazu hat sie sich wieder ein geradezu konkaves
wurf machen, der bei den Proben Ge¬
Ich spricht er, dem Wiener gleich, wie ein hi Gesicht gemacht. Ihr ebenso hohler, oft näselnder
t gehabt hätte, darauf zu dringen und
(„Kir-he“). Das Wort „Baldachin“ betont er auf Ton bei geschlossenen Augenlidern ist darnach
onita anzubringen. Am rein szenischen
der ersten Silbe, obwohl er einen Italiener spielt.
angetan, sie als Göttin der preziösen Fadaise
ment ließ es Direktor Herterich als
(Baldacchino geht auf die Stadt Bagdäd, denVerscheinen zu lassen. An aparter Akzentuierung
r ja nicht fehlen ihm gebührt da nicht
Erzeugungsort feinster Seidenstoffe, zurück.) Als leistet auch sie ein Erkleckliches. Ich will davon
Anerkennung als Geyling mit seinen
ser Beatricen als Braut Vittorinos begegnet und
nur erwähnen, daß sie im IV. Akt in dem Satz:
bildern (von denen besonders das des
Isie mit der Aufforderung, ihren Weg fortzusetzen
,0 dankt mir, daß ich ehrlich bin!“ Das mir
s: die Terrasse des Herzogsschlosses mit
auf die Probe stellt: „Du bleibst? Denkst du, ich
hervorhebt und in der Versicherung: „(Nehmt
uchteten Fenstern im Parkhintergrunde
will's?“ betont er statt des letzten Wortes das ich,
das
sie an meinerstatt!) Ihr dauert mich“ —
icht). Aber in der Führeng der Darsteller
als er sodann auf sie nicht zu verzichten gedenkt, mich. Man muß das schaudernd erlebt haben,
dler Uberwachung des Wortes lassen sich
wenn sie selber nach ihm verlange, statt: „Dich um es zu glauben. — Frl. Rita Burg gibt die
ingel feststellen, obwohl da gar Vieles
nicht umarmen“ fein säuberlich bühnenjuristisch Isabella, die doch eine Aspasia prästiert, doch
ch der Generalprobe (die im Burgtheater das nicht (ebenso im IV. Akt zu ihr: „Und als gar zu vulgäres 1.ehen. Ihre Rand¬
hdie — Leseprobe ersetzen zu sollen
hab’ nicht Furcht!“, was dem Vers das Genick bemerkungen zu dem Bericht Ercoles (III. Akt):
verbessert wurde, so daß ich es in meiner pricht) und hierauf in dem Satz: also „Die Unverschümte!“ „Der Narr!“ kommen wie
liste“ gottlob löschen durfte. Was aber
kümmert’s niemand mehr“ — das mehr, das Papageisprüche heraus, nicht als Urteile, die in
ssert blieb (hoffentlich nicht unverbesser¬
Der somit — gleich Hrn. Andersen — für den einem niedern Charakter begründet sind.
schlimm genug, und ich werde natürlich
Komparativ von „viel“ nimmt, den z. B. die bayr.
Hr. Hennings weiß mit dem Grafen
on reden und mich auch dabei nicht mit
Mundart als „mehrer“ sehr genau von dem hier
Andrea, der eine schöne Aufgabe hätte, rein gar
osem beschäftigen.
gemeinten „mehr“ als „fernerhin, sonst noch“
nichts anzufangen. Er gibt ihn wie den Träger
das Burgtheater für den Filippo keinen junterscheidet. Horrend ist’s, in dem Satz: „Ich
eines schauerlichen Geheimnisses — und doch
will nicht sein wie dieser Herr von Pisa“ das
und keinen Kainz mehr hat, wurde uns
so leer, daß man die Rolle fast überflüssig
will zu unterstreichen, als ob einer Zumutung
wieder sehr schmerzlich fühlbar. Hr. An¬
findet. In der Szene mit Filippo zischt er wie
ein Bösewicht des alten Theaters. In der Rede:
er mit nur geheucheltem Temperament
steht Aslans Leistung hoch obenan. Er charak¬
„Und siehst du noch der nächsten Sterne
terisiert den Renaissancefürsten in allen Licht¬
Sprecher, der den schönsten Stellen der
Glanz betont er den „Glanz“. (Was güb’ es
Glanz nimmt und außerdem
und Schattenseiten vortrefflich, und seine edie
denn sonst an den Sternen zu sehn? Ihre Ver¬
eDialogstellen, deren Deutlichkeit zum Erscheinung läßt uns verstehn, was Beatrice an
finstrung doch nicht? Zu betonen ist nächsten,
ihm berückt.
dnis der Handlung sehr notwendig ist,
weil er doch sagen will, das Loschi wahrscheinlich
rächsfetzen zerpflückt. Die Schwermuts¬
Mit der weiblichen Hauptrolle ist Frl. Wa-Idie letzte Nacht vor sich hat) — Von Hrn.
n die er die ganze Gestalt taucht, würde
gener der entscheidende Schritt in ihr eigent¬
Lohners Francesco ist zu berichten, daßf er ihn
ener Volksmund bald „fade Soß“ nennen.
liches „Fach“ sehr glücklich gelungen. Wir prachtvoll angelegt hat und daß er am besten
eht auch nicht immer Das, was er redet.
dürfen ihn mindestens als ein hochgemutes Ver-ist, wie er den Dolchstoß gegen die Schwester
Beatrice mitteilt, daß sie der Herzog
sprechen annehmen, dessen volle Erfüllung nicht vorbereitet, Im Übrigen war er auf der Haupt¬
geblickt habe, entgegnet er: „Was geht’s
ausbleiben wird, denn sie hat den „Funken“. Ihrei probe noch besser als bei der Aufführung, wo er
n?“ statt: „Was geht's dich an?“ (wie's
Beatrice steht von allem Anfang an ungemein von Anfang an doch zu viel tat. Sein Trotz vor
er Jambus erfordern würde), denn er will
überzeugend jenseits von Gut und Böse. Ihre dem Herzog (II. Akt) ist da so übertrieben, daß
cht behaupten, daß es jemand Anderen Traumerzählung ist wundervoll, besonders das es siel: Bentivoglio schuldig wäre, den Kecken
Nachempfinden, wie sie sich als Herzogin An-Tals Majestätsbeleidiger dingfest machen zu lassen.
sondern daß sie keinen Wert darauf
fürfe, von diesen Leichtlebigen angegafft
stand gab: „Und so hab' ich gelächelt, siehst In seiner Uberheizung passiert es ihm, das Wort
en. In dem von ihm ganz verschwemmten
du — fürstlich!“ Auch im II. Akt, bei der
##trieft“ mit doppeltem f zu sprechen. Ihm ist
ngsmonolog des III Akts, legt er an der
Wiederbegegnung mit Bentivoglio und als sie noch aufzumutzen, daß er einer diesmal sehr
„Ist dies nur meiner Feigheit neustes
ihm ihre Bedingungen stellt, steht sie auf voller notwendigen Betonung der Verneinungspartikel
Herab mit ihm!“ den Ton auf „ihm“, statt Höhe. Im III. Akt, wo sie am stärksten „aus ausweicht, als er auf des Freundes bestürzte
rab“ Bei den drei Fragen an den un¬
sich herauszugehn“ hat und ihr die Kraft des
Frage: „Träum' ich?“ erwidert: „Nein, guter
erschütternden Wolterschreies zu wünschen würe,
eindringenden Freund Ercole: „Du
Vittorino, du träumst nicht!“, was zudem den
Wo kommst du her? Was willst du hier?“
zieht sie sich wenigstens mit Ehren aus der
Vers zerstört, der f. lich den Schönheitsfehler
Affäre. Im IV. müßte sie deutlicher zeigen, daß
er ganz richtig das erste „du“ und das
hat, ein so gewic't zes Wort auf die kurze
in der dritten Frage aber nochmals das
sie mit der ersten Liige halb unbewußt einer
Silbe zu nehmen. — Dafür läßt sich Hr. Horn
Fährend jetzt aller Nachdruck auf „willst“
Suggestion ihres Filippo gehorcht und im V.,
(der als Malvezzi sonst einen recht glücklichen
Würd' er das „hier“ betonen, so wäre daß von den Wänden dieses Totengemaches
Abend — als todesbereiter Genießer der Mamsell
hfalls ein Fehler, aber wenigstens keiner Gespensterkrallen nach ihr tasten; auch sollte Lucrezia hat) in dem Satz: „Daß wir so Viele