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Be
14: Der Schleier der Satrice
1 kommt ihn auch plötzlich die Einsicht, daß Beatrice! hoch über unsere gesamte, von ängstlicher Kleinlichkeit starren, die Gesetze dieser Welt nicht verstehen, leicht
und unbedächtig kindisch ins Leben greifen, Unheil
gezeichnete dramatische Produktion stellt, — die ganze
stiftend. Ein Kind, das vom Ernst des Lebens nichts
ohne Schlechtigkeit sei und daß sie bloß in kindlich
Skala der Empfindungen; von den leise stammelnden
weiß, das in allem nur Spielzeug für seine kleinen
naiver Weise gehandelt und so viel Unheil gestiftet habe.
Lauten einer Beatrice bis hinauf zu den höchsten Tönen
„Der starb um dich? Und den verrietest du?
Händchen sieht.
der tragischen Leidenschaftlichkeit, des geheimen Grauens
Und mich um ihn? Und wied'rum ihn um mich?
„Warst du nicht, Beatriee, nur ein Kind,
und der demütigen Ergebung in die wunderlich ver¬
Was bist du für ein Wesen, Beatrice?!“
Das mit der Krone spielte, weil sie glänzte, —
zweigten Wege des Schicksals — das muß man eben
Beatrices
Mit eines Dichters Seel', weil sie voll Rätsel,
Er will ihr alles verzeihen. Aber da stößt der vor¬
selbst im Drama durchleben.
nde ihres
Mit eines Jünglings Herzen, weils dir just
ermacht in eilige Bruder ihr den Dolch in die Brust. An der
ist geradezu merkwürdig, wie hier in diesem
Geschenkt war? Aber wir sind allzu streug
Leiche des Dichters ruht nun auch die Leiche seiner
Und leiden's nicht, und jeder von uns wollte
Stüc, das in nicht länger als zwölf Stunden sich ab¬
ebten,
Geliebten ... Da kommen Boten und melden, daß
Nicht nur das einz'ge Spielzeug sein — nein, mehr!
spielt, eine ganze Ewigkeit eingeschlossen ist. Merkwürdig,
kostbaren
das seindliche Heer schon sichtbar sei. Die Zeit drängt.
Die ganze Welt. So nannten wir dein Thun,
wie es dem Dichter vermöge einer ungewöhnlichen
alten,
] Der Herzog erteilt noch seine letzten Anweisungen: er
Betrug und Frevel — und du warst ein Kind!“
Bebeerschung der dramatischen Technik gelungen ist, all
schen
besiehlt, den Leichnam des geliebten Dichters im herzog¬
In diesen Worten des weisen Herzogs, die er an
4 die seltsamen, in ihrer Fülle geradezu erdrückenden
der Leiche Filippos in sinniger Betrachtung versunken,“
lichen Grab zu bestatten.
Geschicke seiner Heldin im Nahmen eines aus nicht
he
spricht, ist das ganze Wesen Beatrices eingeschlossen.
„Und diese hier wie ihn! Die Spanne Zeit,
mehr als fünf Aufzügen bestehenden Dramas in bunter
Sie, das Kind, ist in ihrer Passivität kompliziert,
Die sie ums Licht des Lebens noch geflattert.
Mannigfaltigkeit ungezwungen sich entwickeln zu lassen.
Bedeutet jetzt nichts mehr — sie starb mit ihm.
vielleicht nicht minder kompliziert, als der Dichter
Zwölf Stunden — und was erlebt die Beatrice nicht
ar en
Er liebte sie, er starb, weil er sie liebte:
Filippo, um den sich eigentlich das ganze Drama be¬
alles in dieser kurzen Spanne Zeit! Sie ist die Ge¬
allein.
So ist sie hochgeehrt vor allen Frau'n!“
wegt und der den Anfang und den Ausgang desselben
liebte des Dichters, wird von ihm verstoßen, wird die
ck an
Und nun geht er in den Kampf. Glocken ertönen
bildet, sodaß man zuweilen geneigt wäre, anzunehmen,
Braut eines andern, läßt sich indes mit dem Herzog
ßt worden.
die Dichtung wolle den heiligen Beruf des Künstlers
von allen Turmen.
trauen, während jener sich entleibt, wird diesem untreu
esei in der
„Das Zeichgi könt, und mächt'ge Neubegier
preisen. Man wird in Filippo Loschi vielleicht manche
und rennt zurück in die Arme des Geliebten, um mit
Stunde für
Wie nie zubör beflügelt meinen Schritt.
Züge des Anatol, vielleicht auch des Andrea aus Hof¬
ihm zu sterben, läßt ihn aber allein in den Tod gehen
chleier, den
Ich freue mich des guten Kampfs, der kommt,
mannsthals „Gestern“ wiederfinden. Aber bei aller
und flieht selbst wieder zurück ins Leben, um bald
sie trotz der
Die frischen Morgenlüfte atm' ich durstig
scheinbaren Aehnlichkeit besteht doch etwas, das i
davon Abschied zu nehmen. So irrt sie hin und her,
Und preise dieses Leuchten aus den Höhn,
tehen will,
sowohl von diesen beiden als von den zahlreichen
Als wär' es mir allein so reich geschenkt.
zwischen Leben und Tod, mit beiden gleicherweise
der Stelle
Helden unserer Künstlerdramen und Künstlerromane
Das Leben ist die Fülle, nicht die Zeit,
spielend und durch dieses Spiel sich und andere ins
je namenlose
unterscheidet. Während nämlich diese meistens nur
Und noch der nächste Augenblick ist weit!“
Verderben stürzend. Und all dies thut sie ganz un¬
her Gewalt,
künstlerisch empfindende Menschen sind, bei deren An¬
schuldig im Herzen, indem sie beinahe rein mechanisch
an den Ort
blik der verletzte Philister sich schließlich fragen kann:
Ich habe hier in gedrängter Form nur die dürre
handelt und sich fügt. Eine jener naiven Seelen ist
d hier erst,
Ja, h#t denn der dus Idecht, so auf seine Ausnahms¬
Fabel in ihren Hauptzügen wiederzugeben versucht.
en Tages,
sie, die mit ihren unschuldigen, großen Augen die
Aber den grandiosen, ich möchte jast sagen: Shake¬
dem
d da über i speareschen Zug, der über der Dichtung liegt und sie! Welt, in die sie hineingesetzt wurden, verwundert an 1 steiluig zu nachen? Kann er eigenzlich was, oder ist er¬