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B
14: Der schleier der bestrice
Burgtheater=Première.
haben und was Großes fertig gebracht haben,
Ludwig Speidel.
von dem man sich viel verspricht. Wenn's
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nur auch wahr ist. Du weißt ja: er, der ver¬
Ge
botenste Dichter, dem man in Berlin noch
S
keine einzige seiner Komödien von der Cen¬
sur passieren ließ, errang sich mit seiner neuen
Arbeit, die übrigens den merkwürdigen Titel:
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„Der Herr von Abadessa“ führt — bei uns
die hohe Gnade des Königlichen Schauspiel¬
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2.1
hauses! Na, der muß sehr zahm geworden
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sein! Vielleicht haben ihn die Lorbeeren und
Tantièmen Franz von Schönthans nicht ruhen
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lassen. Franz von Schönthan macht
einen sehr feudalen Eindruck, man denkt:
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eigentlich müßte er eine Uniform tragen,
Staatsmann oder Offizier sein. Und furchtbar
ernst sieht er aus, man merkt es ihm wirklich
nicht an, daß er so lustig schreiben kann —

und die Lacher meistens auf seiner Seite hat.
P
Pötzl, der temperamentvolle Kämpe wider
alles, was Secession heißt, der Satiriker
und Kenner der Wiener Vorstadt, sieht aus
wie aus einem Bilde van Dycks heraus¬
E
gesprungen. Staunend entdeckt man, daß er
Was er auch immer schreibe,
kein Sammtwams und keinen Spitzenkragen und wenn seine Feinde bersten
Nie fehlt sein Dolch das Ziel;
Ich schrei es von Land zu Land¬
Nach Ludwig Börne dem Ersten
Man fühlt den Stahl im Leibe
trägt, sondern Lodenwams und Jägerhütlein.
Wird Ludwig der Zweite genannt. Und ist entzückt vom Stil.
Die Jagd ist die große Freude seines Le¬
Karikatur auf Ludwig Speidel aus einem
Ballkalender der Concordia.
Juliuo Bauer.
bens, und ein selbstgeschossener Hase ist ihm
lieber als zehn selbstgeschriebene Feuilletons.
Chiavacci ist ein freundlicher Herr, recht
behäbig, sieht wie ein braver Beamter aus,
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ärgert sich weniger als Pötzl, liebt die
bunte Welt der Erscheinung, wenn sie noch
so bunt ist, und sucht am liebsten die schöne
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Seite aller Menschen und Dinge zu finden.
Wie ich ihn so strahlend unten sitzen sah,
dacht' ich mir: Den möcht' ich als Onkel
haben — als mahnendes Gewissen und
Seelenregulator aber möchte ich mir den
bissigsten und geistreichsten aller Hofräte
Friedrich Uhl bestellen und als Führer
durch die Kunst aller Zeiten Ludwig
Hevesi, den innigsten Begreifer und Er¬
##ge“ fasser der verborgensten Reize.
Ich sah auch Bertha von Suttner,
K
Sarvie
die unermüdliche „Friedensstreiterin“, sah die
liebenswürdige Goswina von Ber¬
lepsch, für deren Novellen Du ja immer
Man sagt, ein echter Humorist
Seht diesen Humoristen an.
schwärmtest. Den ungarisch=deutschen Sektions¬
Er pflegt zu sticheln und hecheln
Mufs lächeln unter Thränen,
Das Wort schon stark vergriffen ist, Die Thoren auf dem Erdenplan,
chef und Dichter Ludwig von Doczi
Man muss sich sein entwöhnen. Dass sie unter Thränen lächeln.
und Max Kalbeck sah ich, dessen Herz
Karikatur auf Julius Bauer aus einem Ball¬
kalender der Concordia.
beständig zwischen Musik und Litteratur
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