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14: Der Schleier der Beatrice
□ Aus Wien meldet uns ein Privat=Telegramm: Der Direktor
des Buratheaters Paul Schlenther lehnte Arthur Schnitzlers
neuestes Schauspiel „Der Schleier der Beatrice" ab, obwohl
dasselbe schon Anfang des Jahres eingereicht worden war, und
Schlenther damals die Aufführung zugesagt haben soll. Es heißt aber,
daß aus Hofkreisen sich Einflüsse gegen die weitere Aufführung
Schnitzlerscher Stücke im Burgtheater geltend machten und zwar
infolge der Revolutionsizenen im „Grünen Kakadu“, die bei Hofe
einen ungünstigen Eindruck machten. Damit soll auch zusammen¬
hängen, daß Hugo v. Hofmannsthal seine bereits im Burgtheater
eingereichtes Schauspiel „Das Bergwerk von Falun“ wieder
zurückzog.
Die Kritiker der meisten Wiener Blätter wie Herr¬
mann Bahr, Julius Bauer,
J. David, Robert K#rschfeldes
Felix Salten, Ludwig Speidel veröffeutlichen morgen eine Er¬
klärung gegen den Direktor des Burgtheaters Schlenther
wegen der Verletzung der Rechte und Interessen dramatischer
Autoren, indem er die Aufführung von Schnitzlers „Schleier
der Beatrice“ am 13. F öruar 1900 schriftlich zusagte und
nach langen Verzögerungen und Ausflüchten das Stück am
2. September ablehnte und zurückschickte. Die Erklärung wird,
aber vielfach gemißbilligt, weil sie ungerecht sei und sich nicht gegen
die eigentlich schuldige Seite winde, da Schienther durch den Einfluß
der Hofparteien genöthigt worden sei, das Stück abzulehnen.
, dus Gewicht der von ihnen vertretenen Interessen
unterstützt werden. Aber auch hier sucht er die Interessen
der Minderheit thunlichst zu schonen und die Bewegungsfrei¬
heit des Verkehrs nicht weiter einzuengen, als nach dem
Zweck des Entwurfs unerläßlich erschien.
ist der Zeitpunkt des Inkrafttretens
offen gelassen und der Entschließung des Bundesrathes vor¬
behalten. Hierzu wird in der Begründung ausgeführt:
Die Interessenten haben um eine möglichst geräumige Be¬
messung der Frist zwischen der Verkündung und dem Inkraft¬
treten der Vorschriften gebeten, damit die vorhandenenf des poringiesischen SGondermnes, dessen Sttremencebt geee ersone
Deutschen Theater, das bei seinem jetzigen Per¬
Eintritt der Ferien an den Verfasser gelaugten, einer sachgemäßen
sonal, ohne Kainz und Sorma, der Riesenauf¬
Entgegnung, weshalb Herr Arthur Schnitzler erst zu
des
gabe nicht gewachsen ist. Uebrigens würde ich die Erst¬
neuen, gegenwärtigen Spieljahres an die Direkti
oufführung am Burgtheater zur Vorbedingung der Annahme
ters einen Brief richtete in welchem er
machen. Ich glaube, nur das Burgtheater kann dieses Stück
iden ihm vermittelten Bescheide vom 13. Febr
spielen. In Berlin allenfalls die Hofbühne. Filippo Christians,
ii die Anfrage stellte, ob sein Stück innerh
t.
Herzog Matkowski, Beatrice Poppe. Unsere relativ beste Beatrice
den Saison, also über den proponirten Zeitpunkt der zu
wäre doch wohl Fräulein Witt. Mit herzlichem Gruß 2c. 2c.“
rtenden „Konstellation“ hinaus, angenommen sei oder nicht.
In Erwiederung darauf ertheilte Herr Arthur Schnitzler wenige
Auf dieses Schreiben vom 1. September erfolgte die ablehnende
Tage später dem Burgtheater, nebst seinem prinzipiellen Ein¬
Antwort am 2. September d. J.
verständniß zu Strichen und Aenderungen, das gewünschte Recht
Es ist nicht unsere Absicht, für das Drama „Der Schleier der
der Erstaufführung und erbat, wie sich das in solchen Fällen von
Beatrice" von Arthur Schnitzler Partei zu ergreifen. Wir sind
selbst versteht, einen Aufführungstermin, vor allem aber, behufs
weit davon entfernt, dem Direktor des Burgtheaters das Recht,
Erledigung der zur Darstellung des Werkes nöthigen Besetzungs¬
Stücke anzunehmen oder abzulehnen, das er kraft seiner persön¬
und Aenderungsfragen, eine baldige Unterredung mit dem
Direktor.
lichen Verantwortlichkeit zweifellos und unantastbar besitzt, irgend¬
wie schmälern zu wollen.
Vier Monate lang ist Herr Arthur Schnitzler auf dieses in der
Allein jeder Schriftsteller hat den unantastbaren Anspruch
Zwischenzeit erneuerte Ansuchen ohne Antwort geblieben, mit Aus¬
darauf, daß dieses Recht gegen ihn und seine Werke, seien sie nun
nahme einer einzigen, erst Anfangs Juni eingelangten Karte, in
gut oder mißlungen, in einer Weise gehandhabt werde, die jede
welcher der Direktor mittheilt, er werde sich „dieser Tage zum
Willkür, Schädigung und nachtheilige Unklarheit ausschließt.
dritten Male an das Studium des Stückes machen“, und den Antor
ersucht, seine hart auf die Probe gestellte Geduld noch einige
In dem Falle, der uns beschäftigt, hat der Direktor des Burg¬
Tage laufen zu lassen.“
theaters unserer Meinung nach durch sein Verfahren dem Antor
Erst am 18. Juni erhielt Herr Arthur Schnitzler ein Schreiben
in einer unstatthaften Weise begegnet, und gegen dieses Ver¬
des Direktors, worin dieser nunmehr Bedenken gegen die Erfolgs¬
fahren sehen wir uns um ° dringender genöthigt, Protest ein¬
möglichkeit des Stückes erhebt und nach ausführlicher Darlegung
zulegen, als nach den heute am Burgtheater geltenden amtlichen
derselben dem Verfasser proponirt: „Warten bis zum Frühjahr!
Bestimmungen die dramatischen Schriftsteller jeder wie immer
Sehen, wie dann die Konstellation am Burgtheater ist.“
gearteten direktorialen Entscheidung wehrlos gegenüberstehen.
Das vier Monate innegehabte Recht der ersten Aufführung
Wir erheben Einsprache dagegen, daß es dem Direktor des
wurde in diesem Schreiben zurückgelegt mit dem Beisatze: „Ich
Burgtheaters gestattet sein soll, sich in so auffallender Weise zu
müßte es mir selbstverständlich gefallen lassen, daß eventuell
widersprechen, wie es in diesem Falle geschehen ist, und im Sep¬
Berlin oder München vorangehen.“
tember ein Stück abzulehnen, dessen Erstaufführung er im Februar
Diese für das Schicksal des Stückes so wichtigen Eröffnungen
gewünscht hat. Denn es ist klar, daß es einem Schriftsteller, der
entzogen sich eben durch den Umstand, daß sie erst knapp vor
nur die nöthige Geduld aufbringt, gelingen kann, im Wechsel der