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11.
box 18/3
Reigen
Schlesische Zeitung
Bresian
7- MATT2
Theater und Konzerse.
Schäuburg. Im Viktoriatheater, das sich seit einiger Zeit
„Schaubürg“ nennt, spielt man jetzt wieder wirkliches Theater.
Leider wurde die neue Spielzeit mit Schnitzlers berüchtigtem
„Reigen“ eröffnet. Die üblen Erfahrungen die man mit den
Vorstellungen dieses Stückes in Krietern gemacht hatte, scheinen
die Leitung der Schauburg nicht abzuschrecken. Aber der berechtigte
Kampf gegen die Aufführung der gehn Dialoge entspringt nicht,
wie dies Dummköpfe behaupten, irgendwelchem Muckertum oder
parteipolitischer Rückständigkeit, sondern dem einfachen Empfinden
für Anstand und dem rein künstlerischen Gefühl. Immer ziehen
die Verteidiger der „Reigen“=Aufführungen jenes groteske Urteil
des Berliner Kammergerichtes heran, demzufolge Schnitzlers
Stück einen „sittlichen Gedanken“ verfolge und sein Inhalt ein
ethischer sei. Wäre dies wirklich der Fall, dann hätte es der Dichter
nicht nötig gehabt, sein Werk als Privatdruck für Freunde heraus¬
zugeben. Noch weit mehr jedoch fällt gegenüber dem paradoxen
Berliner Urteil (wie weidlich höhnten unsere Radikalen früher,
wenn Richter sich literarische oder künstlerische Werteinschätzungen
gestatteten!), die Tatsache ins Gewicht, daß der „Reigen“, so wie
er nun einmal gedacht und geschrieben ist, auf keinen Fall auf der
Bühne gespielt werden kann, vielmehr für die Wiedergabe ganz
gehörig umgemodelt und „versittlicht“ werden muß. In diesen
Beziehung hat es Direktor Hubert Reusch, der mit einer Ver¬
liner Truppe den „Reigen“ hier gibt, ja an nichts fehlen lassen.
Trotzdem und trotz der Mitwirkung einiger ausgezeichneter schau¬
spielerischer Kräfte, wie der Damen Smolowa, Versen,
Müller und der Herren Tillo und Tautz, bleibt die ganze
Aufführung eine Verirrung, und daran ändert auch der Umstand
nichts, daß man am Freitag im ausverkauften Hause einige
Spitzen der Breslauer Behörden, wie den Oberpräsidenten und
den Polizeipräsidenten bemerken konnte.
A. D.
Theater und Konzerle.
Schauburg. Im Viktoriatheater, das sich seit einiger Zeit
„Schauburg“ nennt, spielt man jetzt wieder wirkliches Theater.
Leider wurde die neue Spielzeit mit Schnitzlers berüchtigtem
„Reigen“ eröffnet. Die üblen Erfahrungen, die man mil den
Vorstellungen dieses Stückes in Krietern gemacht hatte, scheinen
die Leitung der Schauburg nicht abzuschrecken. Aber der berechtigte
Kampf gegen die Aufführung der zehn Dialoge entspringt nicht.
wie dies Dummköpfe behaupten, irgendwelchem Muckerium oder
parteipolitischer Rückständigkeit, sondern dem einfachen Empfinden
für Anstand und dem rein künstlerischen Gefühl. Immer ziehen
die Verteidiger der „Reigen“=Aufführungen jenes groteske Urteil
des Berliner Kammergerichtes heran, demzufolge Schnitzlers
Stück einen „sittlichen Gedanken“ verfolge und sein Inhalt ein
ethischer sei. Wäre dies wirklich der Fall, dann hätte es der Dichter
nicht nötig gehabt, sein Werk als Privatdruck für Freunde heraus¬
zugeben. Noch weit mehr jedoch fällt gegenüber dem paradoxen
Berliner Urteil (wie weidlich höhnten unsere Radikalen früher,
wenn Richter sich literarische oder künstlerische Werteinschätzungen
gestatteten!), die Tetsache ins Gewicht, daß der „Reigen“, so wie
er nun einmal gedacht und geschrieben ist, auf keinen Fall auf der
Bühne gespielt werden kann, vielmehr für die Wiedergabe ganz
gehörig umgemodelt und „versittlicht“ werden muß. In dieser
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Beziehung hat'es Direktor Hubert Reusch, der mit einer Ver¬
liner Truppe den „Reigen“ hier gibt, ja an nichts fehlen lassen.
Trotzdem und trotz der Mitwirkung einiger ausgezeichneter schau¬
pielerischer Kräfte, wie der Damen Smolowa Versen,
Müller und der Herren Tillo und Tautz, bleibt die ganze
Aufführung eine Verirrung, und daran ändert auch der Umstand
nichts, daß man am Freitag im ausverkauften Hause einige
Spitzen der Breslauer Behörden, wie den Oberpräsidenten und
den Polizeipräsidenten bemerken konnte.
A. D.
F.au