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Der Reigen.
Eine Geschichte in Zitaten.
Voranzeigen.
„Bühne und Welt": Artur Schnitzler hat in seinen
Reigen“ eine der keuschesten Dichtungen geschaffen, deren
r
al ein blutvoller Künstler fähig ist.
Da
Blättermeldung (5 Tage vor der Aufführung):
ver¬
die Zensur eine öffentliche Aufführung des „Reigens“
bieten würde, muß der Charakter der geschlossenen Vor¬
stellung gewahrt werden. — (4 Tage vor der Aufführung).
Dr. B. bringt in den „M. N. N.“ eine eingehende Bespre¬
chung der Buchausgabe des „Reigens“, so daß das Publi¬
kum nicht mehr den geringsten Zweifel über das haben
ann, was seiner harrt.
(Der Verein wird mit Gesuchen um Einladungen be¬
stürmt. Unter dem zur Vorstellung erschienenen Publikum
ist das weibliche Element überwiegend. Selbstverständlich
nur Damen und Herren der ersten Gesellschaftsklassen.)
Nach der Aufführung.
Frankfurter Zeitung": „Daß sich der Verein
nicht abschrecken ließ, war erfreulich und wurde gestern
auch reichlich belohnt durch den narken Beifall der Zu¬
schauer.
„Vayerisches Vaterland": „Der koschere Verein
führte das Gesaires von Aaron Schnitzler auf“ u. s. w.
„Münchner Post“: „Der große Erfotg hat bewiesen,
daß die Stückchen in ihrer tändelnden Grazie auch auf der
Bühne wirken. Die Darbietung wurde mit stürmischem
Geifall belohnt.
Aus dem Disziplinarbeschluß: „Die Auffüh¬
rung hat große Entrüstung hervorgerufen.
Wiener „Zeit": „Das Experiment (nämlich die Auf¬
führung des „Reigens“) ist vollauf gelungen. Das Haupt
der Jung=Wiener Schule hat einen vollen Triumph
gefeiert.“
„Allgemeine Zeitung": „Schnitzler hat seinen
Schriftsteilernamen durch diese Aufführung frivol aufs
Spiel gesetzt, wenn nicht verloren.
Blattermeldung: Der Verein soll aufgelöst werden
auf Grund der von der „Allgemeinen Zeitung“ gegen it
erhobenen Vorwürfe.
Die „Allgemeine Zeitung“ sowie sämtliche Blätter,
die Notizen über die Sache bringen, sprechen gegen die
Auflösung des Vereins und heben seine literarischen Ver¬
dienste hervor. Nur ein paar klerikale Blätter sind anderer
Meinung.
Blättermeldung: Der Verein ist aufgelöst werden;
es wird ihm vorgeworten „Zynismus“, „grobe Geschmacks¬
verirrung", „Mangel an Takt und Geschmack“ u. s. w.
„lättermeldung: Hermann Bahr will in Wien
Schnitzlers „Reigen“ öffentlich vorlesen.
*
Der Vereinsleiter wurde in eine Nervenheilanstalt ge¬
sei
bracht. Er leidet an der fixen Idee, das „Vaterland“
ein bedentenderes Blatt als die „Frankfurter Zeitung“
und sein koscherer Referent habe mehr Geschmack als Her¬
mann Bahr.
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