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11. Reigen
Geschrei war da, als „Nana“ neu war, heute haben
mädchen die Freuden der durch Tanz
wir Zola in allen Bibliotheken und unsere Blätter
erhitzten Liebe.
haben seine Schriften im Romanteil ihrer Spalten schon
III Der junge Herr zieht gele
Reigen
längst gebracht.
Verdauungsräckelei, das Stubenmädche
heißt das Buch, welches Arthur Schnitzler geschrieben
Ich will also in Kürze schildern, was uns Schritzler
das Sofa.
hat. Er brachte uns auch (1901) den „Leutnant Gustl“,
mit seinem „Reigen“ sagt:
IV. Der junge Herr eilt zum S
eine in der Form eines Monologes gehaltene Novelle,
I. Die Dirne und der Soldat treffen sich am
der jungen Frau und macht ihren Gatten
die in Offizierskreisen einen solchen Rummel hervor¬
Heimwege. Sie ins Quartier, er in die Kaserne. Die
V. Der Gatte schaukelt sich mit
rief, daß Schnitzler vom Offiziersehrenrate seines
Dirne, sie hat auf ihrem Schlendirgang nichts ver¬
jungen Frau im Ehebett und betrügt si
„Charakters“ als k. u. k. Militärarzt verlustig erklärt
dient, weint, was man zwischen den Zeilen lesen kann,
Dialog zeigt, mit dem süßen Mädel.
wurde. Ja, die Wahrheit! Der „Reigen“ bringt zehn
über ihr mit Stinkblüten der Tierliebe angefülltes
VII Das süße Mädel, mit dem Dich
Dialoge, Zweigespräche, in welchem sich: Die Dirne
Leben und wirbt sich den Soldaten zum Geliebten.
Landpartie zurückgekehrt, dient diesem i
der Soldat, das Stubenmädchen, der
Die Rose sproß nicht, er setzte ihr einen ganz gemeinen
haften Schöne als Unterlage für sei
junge Herr, die junge Frau, der Ehegatte,
Liebeskaktus und seine im Liebestaumel gar nicht ge¬
philosophischen Betrachtungen und auch
das süße Mädel, der Dichter, die Schau¬
hobene Seele verweigert ihr auch die bescheidene Bitte
VIII. Der Dichter wieder, wie die
spielerin und der Graf — Sodom, der
um das Sperrsechs.rl. „Strizzi! Fallott!“ ruft sie ihm
sind, will sich mit dem Geist vermähl
Schwefelregen hat dir nichts geschadet — die Hände
nach. Ekelhaft! mag ohne zu wissen warum, der
mit der Schauspielerin Liebesulke.
reichen.
Spießer und mit Entrüstung der Arbeiter sagen. Beide
IX. Die Schauspielerin, bestochen
Wir brauchen uns aber gar nicht in heuchlerisch er
haben nicht recht. Dem ersteren: das kommt vor, dem
die Uniform eines Rittmeisters gehoben
Entrüstung schütteln, wenn wir das Buch lesen. Das
anderen: der Dichter konnte ja doch die Dirne nicht
Reizen, öffnet dem Grafen ihre Arme,
Buch kostet aber 5 Mark und da bei diesem Preise
mit einem Fabriksarbeiter, ders nicht so gemacht hätte,
dem Grafen, der im X und letzte
nicht vorauszusetzen ist, daß es sich unsere Leser kaufen
zusammenführen. Erstens war da ¾9 Uhr, vor dem
der Dichter uns zeigt, nach einer durch
können, so ist ihnen mit einer allgemeinen
Zopfenstreich, um welche Zeit sich abgerackerte Arbeiter
in der Kammer der Dirne landet, die
kritischen Besprechung, welche auf der Voraussetzung
nicht auf der Gasse herumtreiben und zweitens ist der
I. Bilde — berührt.
jußt, daß man das Buch auch gelesen habe, nicht gedient.
Soldat doch in erster Linie der Bettbruder der
Der Reigen ist geschlossen.
Bücher aber, wie Schnitzlers „Reigen“ verdienen, daß
Prostituierten. Das ist doch heute natürlich und was
Ein Gegenstück zu Albrecht Dürer
man das, was sie in ihren Blättern bergen, auch
natürlich ist, ist nie ekelhaft. Naturalia non sunt
der Tanz der Lebenden.
jenen mitteilt, die nicht über die Mittel verfügen, sich
turpia, sagt der Lateiner. Ekelhaft wäre es allerdings,
Wenn auch der Autor, was ich #
ein Buch anzuschaffen, welches der geile Unverstand
wenn Schnitzler den Arbeiter als den Hund an der
den Arbeiterblättern gestatten würde, de
der Bürgersippe zu einer teuren Modelektüre gemacht
Straßenecke geschildert hätte.
zudrucken, so wäre uns damit nicht
hat. Wir können warten, meint sie. Was für ein
II. Derselbe Soldat genießt mit einem Stuben= dieses Buch kann nur auf einmal gelesen
Arbeiter, der I. Mai wird als Arbeiterfeiertag festlich gefeiert. Rüstet euch!