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Reigen
Thei
Kunst.
Hinter den Kulissen.
Schnitzser in-de Kammerspielen. — Frau Roland wieder im Volks¬
— Die Perücke des Burgschauspielers. — Lily Marbergs
theater.
Rengissancebühnedebüt. — Der g'schamige Direktor.)
Welcher Bühne in Wien wohl das Kassenglück des „Reigen“
von Artur Schlitzler beschieden sein wird? Es dauerte geraum
Zeit, bis der Dichter einen endgültigen Entschluß faßte, denn in
den letzten Wochen gab es zwei heftig um das Stück werbende
Direktoren, Alfred Bernau vom Volkstheater und Dr Eugen
Robert von der Reaaissancebühne. Schnitzser hatte Bernau die
Priorität auf das Stück zugesagt, aber Robert ließ nicht locker
und bot eine Besetzung, die dem Dichter nicht ohne Reiz schien
Die Durieux für die Schauspielerin, Etlinger für den. Dichter,
Harry Walden für den Grafen, Gustav Waldau aus München
für den Ehegatten 2c. 2c., aber es nutzte nichts. Schnitzler en
sich doch für Bernau, vor allem, weil ihm das Haus der Kammer¬
spiele für die Szenerien des „Reigen“ besonders genehm scheint und
er bei Bernan seine Darstellung aus einem reichlich vorhandenen
Ensemble wählen kann. Die Wiener „Reigen“=Aufführung wird
jedenfalls das wienerische Element der Dichtung echter betonen
als die Berliner, in der eine in Köln gebürtige Schauspielerin
das „süße Mädel“ und eine Sächfin die „Schauspielerin“ dar¬
stellen soll Denn das Volkstheater hat in den Damen Woiwode,
Waldow, den Herren Läckner, Homma Künstler echt Wiener
Färbung, die für den „Reigen“ in Betracht kommen. Freilich
enthält das Stück fünf Männer= und fünf Frauenrollen, und Schnitzler
besteht darauf, daß sie von verschiedenen Schauspielern gespielt
werden. Auch will er duschweg jugendliche Künstlei sehen, damit die
delikaten Szenen des Werkes nicht ins Unappetitliche, Gemeinegleiten
Schnitzler hat sich die Besetzung vorbehalten, er muß nicht mit
jedem einzelnen Darsteller einverstanden sein. Das war eine der
Hauptbedingungen, die ei stellte bevor er „Reigen“ dem Direktor
Bernau überließ. Sehi gern möchte er die Schauspielerin zum
Besspiel von Ida Roland gespielt sehen. Sie würde in der Rolle
ausgezeichnet sein, aber sie ist, wie alle Rollen im „Reigen“
im Schauspielersinn „nicht groß“. Und alle fünf Männer und fünf
Frauen find ungefähr gleich „dankbar . Es gibt nur Hauptiollen
im „Reigen“, aber trotzdem ist es noch nicht bestimmt, ob die
Roland die Schauspielerin übernehmen wird. Obgleich sie seit ein
paar Tagen wieder im Volkszheater i9.
„Ich brauche nächstens zwei neue Perücken“ erwiderte der
Künstler. „Und bei den hemtigen Zeiten hilst sich ein jeder, wie
er kann.
Einige Wiener Schauspieler haben jetzt allabendlich an drei
und mehr Orten zu tun. Erst in ihrem Theater, dann gehi's per Auto
ins Kabarett, dann per Auto in irgendem Musikcafé Kein
Künstlei kann von der Gage leben, die ihm ein Direktor bezahlt
und so ist es bekanntlich nicht selten, daß ein Künstler von sieben
bis el drei verschiedene Rollen spielt. Werner=Kahle, der Spezulise
dämonischer Männet, schminkt sich in der Garderobe des Volks¬
theaters bereits für die Roland=Bühne und Lily Marberg kann es
nächstens passieren, daß sie an einem Abend drei verschiedene
Masken anlegen muß: eine im Burgtheater, eine in der
Renaissancebühne und eine im Kabarett. Sie wird nämlich in
der Renaissancebühne die Heldin eines Einakteis von Ludwig
hiro spielen. „Goldamel“ heißt das Stück und die Heldin. Sie
slammt aus einem Budapester Nachtetablissement und wird einem
chinesischen Vizekönig als Gräfin vorgeführt.
Ein die Nerven spannender Einakter, der lustig beginnt und
endet, als wäre es vom späteren Wedekind. Der Chinese ist eine
stumme Rolle, die Oskar Beregi geben wird. In Budapest bei der
Uraufführung hat sie Hegedüs, der berühmteste ungarische Schau¬
spieler, köiert Die Marberg hatte „Goldamsel“ gelesen und gab die
Rolle nicht mehr aus der Hand, lief gleich ins Burgtheater und setzte es
durch, sie in der Renaissancebühne zu spielen, nachdem das Sujet
des Stückes im Burgtheater trotz des freiheitlichen, zensurlosen
Windes der dort weht, doch zu einigen Bedenken Anlaß ge¬
geben hätte..
In den Theatern wurden wieder einmal die Preise erhöht
und die Staatstheater gehen mit gutem Beispiel voran. Die
Privattheater erhöhen je nach der Intensität des Erfolges Das
ist eine alte Praxis Ein Erfolg mit einer voraussichtlichen Serie
voller Häuser verträgt jede Preissteigerung So erzählt man
daß während eines großen
es ist sicherlich nur eine Anekdote —.
für
Geschäftes die Kassierin eines Wiener Theaters die Preise
ein und dieselbe Vorstellung breimal erhöhte. So mußte der
Käuser eines Parkettsitzes für einen Platz der um 10 Uhr früh
50 Kronen kostete, um 12 Uhr bereits 65 Kronen zahlten und um
4 Uhr kostete deiselbe Platz bereits 75 Kronen. Aber Erfolge,
wöhrend derer man sich solche Scherze leisten kann, gibt es
augenblicklich nicht.
Doch Es gibt den „Präsidenten Stopper“ in der Neuen
Wiener Bühne. „Stopper muß glänzend gehen“ meinte unlängst
ein Schauspieler eines Konkurtenztheaters zu seinem Kollegen aus
Wasagasse.
der
„Woraus entnehmen Sie das ?
„Der Direktor hat vor i Paar Tagen „Hamlet“ an¬
gekündigt. Das ist ein sicheres Zeichen, daß der „Stopper“ ein
Gaschäft ist. Er schämf sich nämlich immer, wenn er einen
richtigen Publjkulliserfolg in der Tasche hat. Und velsucht, zu
seiner Rehabllitierung mit der strengen Literatur leere Häuser
zu mashen.