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box 17/1
11. Reigen
Frage entstehr nun

Vorsitzende verweist darauf, daß nur der
Werden die übrigen oppositionellen Gruppen
weisliche Bescheid des Rekurses Dompieris als
wird die Unabhangigkeitspartei ihnen folgen
ungesetzlich erklärt wurde, aber nicht die Agnoszie¬
Die taktische Diversion des Herrn v. Ugron hat
rung der Wahlen. GR. Dr. Depiera be¬
die Kossuthianer vor eine schwere Entscheidung
antragt, das Ersuchen Dompieris a limine ab
gestellt. Ehrlich genommen, könnten sie sich mit
zuweisen. Nachdem noch Dr. Rybar namens der
Zauber unserer glücklichsten Stunden entlarvt.
kraftvoll oder gering, glühend oder kühl, edel
Es ist ein Buch, das wie ein Scherz zu wirken
und mutig oder saftlos=hämisch ist. Je nachdem
vermag, das aber mit zu viel virtuoser Kunst,
unsere Seele begabt ist, große Pforten zu
mit zu viel sinnreicher Komposition gearbeitet, das
sprengen, oder es vorzieht, durch kleine Auswege
überhaupt zu sehr gearbeitet ist, um nichts weiter
zu entwischen. Und niemand kann in der Trauer,
als ein Scherz zu sein.
niemand im Haß, niemand in der Leidenschaft
Von einer lautlosen, unmerklichen, man
noch in der Bitterkeit verweilen. Er muß höher
müßte sagen von einer liebenswürdigen Grau¬
steigen oder tiefer fallen, muß seines Schaffens
amkeit ist der „Reigen“. Und nur ein lächelnder
Habe in solchen Uebergängen erneuern, oder
Mann konnte ihn schreiben, in der üppigen und
ie ermattet sehen. Denn allzusammen, Trotz und
gefährlichen Laune des Reif= und Sattwerdens.
Wehmut, Schmerz und Verachtung, sind nur
Ich meine, in jener Stunde, in der enttäuschtes
unterwegs. Der Humor allein ist am Ziel. Er ist
Jugendfühlen, des Hoffens und der Klage müde,
die Höhe, ist der Gipfel; er ist das Endgiltige.
anfängt, nach Beschwichtigung zu suchen, und, vom
Und weil so viel lebensstarker Humor darinnen
Einzelschicksal abgewendet, des Weltlaufs sich
ist, darf man den „Reigen“ für ein Kunstwerk
besinnt
nehmen. Mir erscheint die freie Heiterkeit seines
Da stehen die Erfahrungen rasch durcheilter
Geistes liebenswürdig, seine verwegene Bravour
Jahre auf einmal wie zu einer Front versammelt
ergötzlich und seine frech=gesunde Anmut an
vor dem Geist. Und wie man sie mustert, diesc
manchen Stellen hinreißend. Freilich fänden
überklugen Kinder eigenen Erlebens, erwacht
primitivere Naturen, und Leute, die zu einer ein¬
mit tiefen, beruhigten Atemzügen ein volleres
fachen Gemütsart neigen, die zeitlebens im Her¬
Verstehen, und die Pulse schlagen ruhiger. Jetzt
zen naiv geblieben sind, nur wenig Erquickung
wird das Wesen geheimer Triebe, dumpfen
daran. Es muß sie abstoßen oder verführen, dieses
Jubels, heißer Sehnsucht und begehrender Qual
schonungslose Buch. Denn auch die Nüchtern¬
plötzlich von innen her erhellt und durchscheinend
heit des „Reigens“ muß betrachtet werden, seine
Der leidenschaftliche Tumult lichtet sich zu einem
unbedenkliche Brutalität, die in zehn schleierlosen
unendlichen, von ewigen Gesetzen geordneten und
Gesprächen zehnmal der Liebe spottet, die zehn¬
bewegten Reigen. „Das also war des Pudels
mal nur die gierige, listig=verlogene, ihren
Kern? Der Kasus macht mich lachen!“
Trieben unterworfene Kreatur zeigt, und uns
zehnmal erschreckt.
Daß Einer aber lachen kann, wenn er des
Pudels Kern einmal erkannt hat, das ist nun
Schnitzler hat oft die gefährliche Neigung ver¬
freilich das Allerwichtigste. Halten wir daran fest,
raten, Spielereien wichtig zu nehmen. Jetzt übt
meine Freunde, und es wird uns wie im Leben
er das bessere Können: Wichtigkeiten spielend zu
also auch in jeder Kunst ein treuer Maßstab sein:
behandeln. Darin liegt vieles; unter anderem
Weder die Trauer noch der Schmerz, weder die
innere Ruhe, Gleichgewicht, Weltanschauung
Leidenschaft noch der Haß, weder die Wehmut
Verve — kurz: Reife.
noch der Witz, weder die Bitterkeit noch der Hohn
Schnitzler hatte noch andere Eigenschaften, die
sind ein Endgiltiges. Es sind gewaltige Durch¬
auch den Freund seiner Dichtung nachdenklich
gänge oder kleine Durchlässe auf unserer Bahn
stimmen konnten. Er liebte die Sentimentalität
nachdem. Je nachdem unser Temverament
da, wo sie anfänat, süß zu werden. Er liebte den
Dr. Weiskirch¬
ats, in der heutigen
Debatte erhob, dürfen nicht gelten. Wäre
selbst die Drucklegung der Listen technisch un¬
ausführbar gewesen — die rechtzeitige An¬
ertigung einer ausreichenden Zahl von Ab¬
chriften und deren Auflegen an verschiedenen
Stellen, mindestens aber die rechtzeitige Ueber¬
Witz, der behende und trügerisch durch das Ge¬
häuse vieldeutiger Worte schlüpft. Beinahe ohne
sie zu beschädigen, ziselierte er die Natürlichkeit
des Dialogs, daß sie sorgsam geschliffenen,
glitzernden Pointen als Fassung diene. Es war
Goldschmiedearbeit, Kleinkunst.
Dann aber fand er die Handgriffe zu stärkerem
Material, zu einer höheren Plastik. Umfassendere
Kräfte wurden in ihm frei, großzügiger und
weniger zierlich. Dem oft variierten süßen Mädel
gab er in der Beatrice endgiltige Gestalt; rückte
den von ihm geschaffenen Typus ins Erhabene, und
entledigte sich derart der niedlichen, aber lang
vierigen Gefährtin seiner Dichterjugend. In
diesem Werk nahm er Abschied von dem Vorstadt¬
mot v. Die leicht singbare Walzermelodie ward
in klangvollere Akkorde rauschend aufgelöst.
Vorher aber hat er den „Reigen“ geschrieben.
Dieses übermütige Addio an die glücklich ver¬
gangene Anatol=Epoche. Dieses überlegte und
überlegene Dementi an jenen ersten Zyklus
entimentaler, witziger, skeptischer, empfindsamer
und affektierter Liebesgespräche.
An Weisheit enthielt der „Anatol“ nur sehr
wenig. Er war vollgestopft mit Aphorismen
mit Sentenzen und geistreichen Bemerkungen
Im „Reigen“ fehlen die Aphorismen, die Sen¬
tenzen; es fehlen auch, gottlob, die geistreichen
Bemerkungen. Dafür ist der „Reigen“ voll an¬
gewandter Erkenntnis und prunkloser Weisheit
des Lebens. Im „Anatol“ ward die Pose ver¬
herrlicht. Abgötterei mit der Subtilität kleiner
Nuancen wird darin getrieben.
Ein wenig
Eitelkeit ist darin, und viel gezierte Eleganz.
Im „Reigen“ wird dieses ganze Inventar un¬
schuldiger Jugendtorheit lächelnd preisgegeben.
Der „Anatol“ ist ein loses Nebeneinander kleiner
Szenen, wie der Zufallseinfall erster Schreib¬
seligkeit sie zusammentrug. Der „Reigen“ jedoch
gibt sich als eine geschlossene Einheit, als das