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11. Reigen
box 17/5

aber darum nicht weniger unverkenndar die ver¬
chiedensten Versuche unternommen, ein nach¬
trägliches Aufführungsverbot des „Reigen“
durchzusetzen. Ein heutiges Morgenblatt be¬
hauptet außerdem, daß auch der Bundes¬
minister des Innern an die Polizei
eine Art
privaten Schreibens
gerichtet habe, in welchem er vorschlug, mit Rück¬
sicht auf die kürzlich stattgefundenen Demonstra¬
tionen mit einem Verbot des „Reigen“ vorzu¬
gehen. Die Polizei habe jedoch schon aus rein
ormalen Gründen diesen Vorschlag zurück¬
weisen müssen.
Sollte sich diese Nachricht bestätigen, so läge
hier ein Fall vor, der in der Verwaltungs¬
geschichte wohl einzig dastehend wäre
und man könnte dann übrigens nur annehmen,
daß der Bundesminister, der sellst ein partei¬
oser Beamter ist, unter politischem
Druck diesen ungewöhnlichen Schritt tat.
Der Standpunkt der Polizei ist natürlich
der, daß ein Verbot der Aufführungen des
„Reigens“ von ihr, die als Zensurbehörde ja nur
eine Unterinstanz bildet, einzig und allein
aus Sicherheitsgründen
verfügt werden könnte. Das wäre etwa,
wvenn sich Demonstrationen ereignen sollten, von
solchem Umfange, daß wirklich von einer Ge¬
fährdung der öffentlichen Ruhe und
Sicherheit gesprochen werden könnte.
Ausgeschlossen erscheint jedoch die
Möglichkeit eines nachträglichen
Zensurverbotes oder wäre zumindest
benfalls ein Novum. Denn die Zensur hat
diesmal nach einer sehr reiflichen Prüfung und
nachdem sogar für die Delegierten der Zensur¬
behörde eine
eigene Generalprobe
abgehalten worden war, die Aufführung ge¬
stattet. Seither haben die Urteile der Presse
mit einer einzigen Ausnahme, eben der eines
ausgesprochenen Parteiblattes, übereinstimmend
vor allem den dichterischen Charakter des Wer¬
kes und die unleugbare Diskretion der Auf¬
führung festgestellt.
Zu einem Verbot könnte es also, wie ge¬
sagt, nur kommen, wenn die Aufführungen des
„Reigen“ Gegenstand großer öffentlicher
Skandalszenen würden. Die letzte Demonstra¬
tion war nun in jeder Beziehung eine direkt
lächerliche und alle übrigen Aufführungen
haben unter vollkommener Ruhe
und Disziplin des Publikums stattge¬
funden. Es ist daher
kaum anzunehmen,
daß außer auf dem Wege eines bestellten und
organisierten Tumultes sich irgendwelche
Zwischenfälle ergeben könnten.
Direktor Bernaudementiert die
Verbotsmeldung.
Direktor Bernau erklärte heute einem
unserer Mitarbeiter, daß nicht einmal
von der Wahrscheinlichkeit einer
Einstellung der „Reigen" = Auf¬
führungen gespochen werden könne,
zumal ja bei der seinerzeitigen Vorführung
für die Zensur auch Vertreter der Landes¬
regierung anwesend waren. Es wird der
„Reigen“, nicht nur heute abends,
ondern wegen seines finanziellen Erfolges auch
in den nächsten Tagen und sogar
als Nachtvorstellung gegeben werden.