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Wien, Donnerstag
Seite 8
dort aus schlossen sie sich zum Abmarsch zusammen, der, wie
schon früher erwähnt, auf dem Stephansplatze sein Ende
fand.
Die Verwüstungen in den Kammerspielen.
Die Theaterbesucher, die während der Panikszene
fluchtartig das Theater verlassen und in umliegenden
Straßen, in Nachbarhäusern, in Kaffeehäusern und
Restaurants Zuflucht gesucht hatten, kehrten nun all¬
mählich wieder zurück, um ihre, in der Theater¬
zu
garderobe verwahrten Ueberkleider in Empfang
Auch die Darsteller verließen dann ihre
nehmen.
Garderoben. Einer Reihe von Mißhandelten hat ein
im Theater anwesender Arzt Hilfe geleistet.
Der Theatersaal selbst bot ein Bild der Verwüstung.
Der Vorhang zeigte noch die schwarzen Flecke von den mit
Teer gefüllten Eierschalen, die gegen ihn geschleudert worden
waren. Auf der Rampe lagen einige zerbrochene Stühle, die
fest¬
man dort hingeworfen hatte. Die auf dem Fußboden
genagelt gewesene Leiste einer Sitzreihe war weggerissen.
Der vordere Teil des Zuschauerraumes war mit Wasser über¬
flutet. Noch höher stand das Wasser in dem Zugang zum
Bühnenraum. Im Wasser schwammen die Bestandteile einer
Baßgeige, welche die Demonstranten zertrümmert hatten.
Von einem hier stehenden Klavier rann das Wasser
hinunter. Ebenso waren Lacken und Wasserbäche auf der
Bühne selbst zu sehen und im Saale verspürte man noch
immer den üblen Geruch von Schwefelwasserstoff, der von
der Stinkbombe herrührte.
Verbot der Nachtvorstellung.
Die Direktion der Kammerspiele plante trotz der Vor¬
gänge und trotz des angerichteten Schadens, den sie im
großen und ganzen beheben zu können glaubte, die Nacht¬
vorstellung vor sich gehen zu lassen, die ebenso wie die
Abendvorstellung ausverkauft war. Man wollte den Beginn
der Vorstellung etwas hinausschieben, um in dieser Zeit die
notdürftigsten Aufräumungsarbeiten durchzuführen.
Ueber Anraten der Feuerwehr ist aber die
Nachtvorstellung schließlich aus Gründen der
worden. Branddirektor
Sicherheit verboten
Schifter hat nämlich der Behörde gegenüber seiner An¬
sicht Ausdruck verliehen, daß mit Rücksicht auf den Bau des
Theaters und die vielen zum Theatersaale führenden Treppen
bei der Wiederholung einer Ponik
größeres Unheil geschehen könnte und daß eine
Gewähr für die Sicherheit der Theater¬
besucher nicht übernommen werden könne. Aus
diesen Gründen wurde seitens der Polizeibehörde der
Direktion der Kammerspiele nahegelegt, die Nachtvorstellung
zu unterlassen. Jenen Personen, die Karten für die Nacht¬
vorstellung gekauft hatten, wird das Geld hiefür zurück¬
erstattet werden.
Die Frage weiterer „Reigen“=Aufführungen.
Es ist in hohem Grade wahrscheinlich, daß die heutige
Abendaufführung des „Reigen“ die letzte gewesen ist und
daß nunmehr das polizeiliche Verbot des heiß um¬
strittenen Stückes aus Sicherheitsgründen erfolgen wird.
Diesbezüglich ist aber im Laufe des Abends noch keine
sormelle Entschließung des Polizeipräsidiums erfolgt. Die
Behörden werden erst im Laufe des morgigen Tages Ge¬
legenheit nehmen, sich mit der Frage zu befassen, ob aus
Gründen der öffentlichen Ruhe und Ordnung oder auch
aus Gründen der Sicherheit der Theaterbesucher die
weiteren Vorführungen des „Reigen“ zu verbieten sind.
Ein aus diesen Gründen zu verfügendes Verbot könnte
die Polizeidirektion im eigenen Wirkungskreis erlassen,
ohne sich um die Verschiedenheit der Ansichten über das
Zensurverbot zwischen dem Bundesministerium des Innern
zu
und dem Bürgermeister als Landeshauptmann
kümmern.
Mitteilungen der Schausvieler.
Herr Hans Wengraf, der im dritten Bilde, „Stuben¬
mädchen und junger Herr“, mit Fräulein Hochtald auf der
Szene steht, vernahm schon zu diesem Zeitpunkte leises Ge¬
murmel aus dem Zuschauerraum. Das Wort „Schweinerei“
war bis auf die Bühne hörbar. Im Publikum war eine
legte sich dieselbe zunächst
Neue Freie Presse.
Ingenieur Christian über das langsame Fort¬
chreiten derselben zur Rede. Es kam zu einer erregten
Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Oberst dem In¬
genieur Stöße in die Brust versetzte. Dann erfaßte
er den Ingenieur beim Kragen, schleppte ihn durch die Flug¬
halle, wo sich der Vorfall abspielte, bis zur Tür und stieß
ihn zur Tür hinaus.
Der 150 Arbeiter, welche Zeugen dieses Vorfalles waren,
bemächtigte sich große Erregung und sie legten zum Protest
gegen dieses Vorgehen sofort die Arbeit nieder. Die
Nachricht verbreitete sich unter den Arbeitern der übrigen Flug¬
feldbetriebe, und da die Situation kritisch wurde, begaben sich
die Betriebsräte zu den Ententeoffizieren und forderten von
ihnen Genugtuung Da diese verweigert wurde, versammelten
sich die Arbeiter vor der Fliegerkaserne und demonstrierten
laut gegen die Beleidigung ihres Ingenieurs. Gleichzeitig
wurden alle Ausgänge besetzt und schließlich wurden über
Auftrag des englischen Obersten die Arbeiter in der Flieger¬
halle versammelt, woselbst er sich entschuldigte. Damit
war der Zwischenfall beendet.
Meldung über einen hoffnungslosen
Zustand Carusos.
Newyork, 16. Februar.
Caruso soll im Sterben liegen und heute früh
bereits mit den Sterbesakramenten versehen worden sein.
Zugseinschränkungen auf der Franz Josefsbahn.
Wegen Kohlenmangels unterbleibt ab 17. Fe¬
bruar Nahpersonenzug Nr. 47 ab Wien Franz Josefsbahn
9 Uhr abends bis Tulln. Ab Freitag den 18. d. unterbleiben
bis auf weiteres folgende Personenzüge: Zug 19 ab Tulln
5 Uhr 44 Minuten früh bis Sigmundsherberg. Zug 14 ab
Sigmundsherberg 4 Uhr 41 Minuten nachmittags bis Wien
Franz Josefsbahn, Zug 317 ab Wien Franz Josefsbahn
11 Uhr vormittags bis Krems, Zug 318 ab Krems 12 Uhr
55 Minuten nachmittags bis Tullu, Zug 132 ab Tullu
7 Uhr 52 Minuten abends bis Wien Franz Josefsbahn. Ferner
in Samstagen Zug 315 ab Wien Franz Josefsbahn 4 Uhr
25 Mivuten nachmittags bis Krems und an Sonntagen
Zug 314 ab Krems 7 Uhr 58 Minuten abends bis Wien
Franz Josefebahn sowie an Sonntagen zwischen Krems und
Klein=Pöchlarn Zug 517, ab Krems 2 Uhr 5 Minuten nach¬
mittags, und Zug 1314, ab Klein=Pöchlarn 5 Uhr 56 Minuten
nachmittags, an Krems 7 Uhr 40 Minuten abends.
Lokalbericht.
[„Bismarcks Ausgang.“] Unter diesem Titel wird
Regierungsrat Dr. Franz Zweybrück am Samstag den
19. d., ½8 Uhr, im kleinen Saale der „Urania, die Vor¬
jänge am Berliner Hofe, die mit dem Rücktritte des ersten
Reichskanzlers ihren Abschluß fanden auf Grund der letzten
urkundlichen Veröffentlichungen schildern.
[Der Konzipientenball.] Donnerstag den
17. d. findet in den Sophiensälen der vom Niederöster¬
reichischen Konzipientenverein veranstaltete Konzipientenball
dessen Reinertrag gemeinnützigen Zwecken der Konzipientenschaft
zufließt, statt. Damen erscheinen in Balltoilette, Herren im Frack.
Ballmusik: das André Hummer=Orchester. Beginn 7 Uhr
abends. Eintrittskarten und Logen sind erhältlich in der Kanzlei
der Niederösterreichischen Rechtsanwaltskammer: 1. Bezirk
Rotenturmstraße 13, 3. Stock (Zimmer 6), und im Bureau
des Ballkomitees, 3. Bezirk, Landstraße Hauptstraße Nr. 1,
1. Stock.
[Millionengewinne beim Weinhandel.] Vor
einiger Zeit wurde beim Kriegswucheramte die Anzeige erstattet,
daß der Weingroßhändler Adolf Schenk, 2. Bezirk, Heine¬
traße (Kaiser Josefstraße) Nr. 40, übermäßige Preise forderte.
Die Untersuchung erstreckte sich insbesondere auf den Verkauf
von 14.000 Hektoliter Wein. Bezüglich dieses Weines überreichte
Schenk Kalkulationen, die vom Sachverständigen überprüft
wurden. Aus ihren Gutachten geht hervor, daß Schenk einen
übermäßigen Gewinn von mindestens 3,716.328 K. eingeheimst
hat. Im Zuge des Verfahrens überreichte Schenk zwei
weitere Kalkulationen, welche für seine Geschäftsgebarung
charakteristisch sind. So setzte Schenk für Lagerfässerabnützung
30 K. per Hektoliter ein, woraus für die ganze Quantität von
14.000 Hektoliter ein Betrag von 420.000 K. resultiert, während
in der Bilanz von 1919 als Gesamtwert aller Fässer nur ein
Betrag von 64.737 K. ausgewiesen wurde. Für die Faßabnützung
der in Rede stehenden 14.000 Hektoliter Wein wurde also ein
höherer Betrag zu den Gestehungskosten hinzugeschlagen, als der
Gesamtwert überhaupt betrug. Interessant ist ferner ein anderer
1
17. Februar 1921
Ziegler anmelden. Als er ihm
maßlosen Erstannen, daß es ein
den er als angeblichen Fabrika
lernt. Er verlangte nun von
ihm erwachsenen Schaden, kon
kommen und erstattete die Anzei
sich nun mit Zimmermann un
Jahren 1919 und 1920 ein
Firmen zusammen rund 700.0
daß er ihnen bedeutende Kohle
Ziegler allein büßte rund 200.
entlockten Summen zwischen 50
stand mit einer Anzahl der vor
verhandlungen; einige Betroge
nicht angeschlossen. Obwohl
14jährigen Kindes, hat er eine
geführt. Er unterhielt Beziehun
tube, verbrachte fast die ganze
Vergnügungslokale, überhäufte
und vernachlässigte seine Fami
heitsbureau durch Oberkommiss
der Betrugsfälle geständig.
[Die nächstwöch
Montag treten die neuen Preis
Die Trafiken erhalten diese
Daran knüpften sich in der
ein Millionengeschenk an die
richtet Präsident Löffler
trafikanten eine Zuschrift an
diese Maßnahme der Finanzo
Trafikanten die Möglichkeit
Tabakfassungen anstandslos
30
sin
zent der Trafikantenschaft
und wären nicht in der Lage,
bis dreifache Betriebskapital
Preiserhöhung der Tabakfabri
nur 100 Prozent, doch muß
Vorrat für eine halbe oder ga
Durchschnittswochenfassung von
Zukunft ein Betriebskapital
wendig. Ist, diese Betriebskap
fast bei allen alten Trafikanten
großen Zahl von kriegsbeschäl
vor kurzer Zeit ihr Geschäft
Sowohl der Tabakregie als
Finanzen ist die Lage der Tra
deshalb wurden die Verfügung
[Vorträge und Ver
finden folgende Vorträg,
½3 Uhr, großer Saal:
Wunder des Schneeschuhe.
Anderle: „Philosophie 7n5
Dr. Josef Kling: „Die Ro
vissenschaft und Technik“;
„Meisterschöpfungen moderner
Saal: Schubert=Coldmark=Bra
Universitätsprofessor Dr. Rudolf
saal, Professor Ingenieur Hei
Klubsaal: „Dich
Schiffen“:
Refraktorraum, Professor Dr.
Oesterzeichisches M
Hofrat Direktor Dr. Eduard L
zur Zeit des Wiener Kongr
innere Medizin und K
aal der Klinik Ortner, Kraz
Jagic, Schlesinger, Weinberger,
Verein für angen
und Psychologie, 7 Uhr,
Grundlagen der Individualp
chaft“, 7 Uhr, Staatsgymnasi
Richter: „Geschichte der soz
[Kursalon=Redou
Armen der Stadt
17. d. in sämtlichen Sälen de
ands unter Mitwirkung der
berg. Im Kabarett: Marischka,
Leopoldi. Entree 100 Kronen.
nahmen fließen den Armen de
[Nacht=Komödie.]
nachts, findet im großen Kon
unter Mitwirkung folgender
estimmte Jusage gegeben
Franzi Ressel, Hubert M
Berndt, Josef König,
Eugen Günther, Leo Sto
am Flügel: Erich Meller
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