Faksimile

Text

box 17/6
11. Reigen
Bei Bezug durch Trafiken und sonftige Verschleißstellen
Redaktion: I. Fleischmaekt 5, Telephon 20791, 13239.
bministration:
Postversand monatlich
I. Grünangergasse 1, Telephon 9177.
Einzelne Nummer K 1.50
Anyerlangt ein=Ffandte Manuskripte werden nicht a
Inseratenaufnahmer I. Wollzeile 22, Telephon 1652.
8. Jahrgang
Wien, Freitag, den 11. Februar 1921
77
um den „Reigen
Ein Kan
I., Herrengasse 10
Die Anfrage, die Abg. Leuthner und
Krawallszenen und Ruufe¬
Genossen überreicht hatten, lautete:
Die Bundesregierung hat die Aufführung
reien im Nationalrat.
8 bekannten Theaterstückes „Reigen“ in
Knapp vor der Erledigung der heuti¬
gen mageren Tagesordnung des Natio=Wien verboten. Dieses Verbot stellt einen
nalrates wurdevon der Gtast#torres## verfassungswidrigen Eingriff der
denz jenes Communiqué Vrlaut#
Bundesregierung in die Rechte des
das Veröift des „Reigen beinhaliet
der
Landes Wien dar, da zur Ausübung
die Sistierung der Aufführungen begrün¬
der
Theaterzensur in Wien ausschließlich
3
det. Durch einen Iufall gelangte dies
Landeshauptmann von Wien befugt ist.
on More
zur Kenntnis der Sozialdemokraten, die
Das Verbot beweist, daß der Regierung
rasch entschlossen durch den Abgeordneten
85
das Diktat der Klerikalen höher steht, als die
Leuthner eine dringliche Aufrage
Bestimmungen der Verfassung.
fabrizieren ließen, die erforderlichen
Es wird die Frage gestellt, ob der Bundes¬
Unterschriften aufbrachten und so mit
diesem heiklen Gegenstand in das Haus
minister für Inneres den verfassungswidrigen
platzten, das auf eine Attacke so schwer¬
Erlaß über das Verbor der Aufführung des
wiegender Art nicht vorbereitet war. Die
„Nigen“ sofort zurückziehen wolle.
Folgen waren zunächst Lärmszenen,
In Begründung der Dringlichkeit führte
dann stürmische Auftritte, schließlich
Abg. Leuthner aus, er wolle sich durchaus
Keilereien und Prügeleien mit
nicht in eine Diskussion über ästhetische oder
Ordnungsrufen ohne Zahl.
ethische Fragen einlassen und gar nicht fragen,
Der Streitfall ist kurz gefaßt folgender:
was der „Reigen“ künstlerisch und ethisch be¬
deute. Wollte man die Frage beurteilen, was
Minister Dr. Glanz, die Regierung
der „Reigen“ künstlerisch, ethisch bedeutet, so
und die christlichsoziale Partei stehen auf
würde sich herausstellen, daß Stücke wie der
dem Standpunkt, daß die weiteren Auf¬
„Reigen“ in zahlreichen Fällen aufgeführt
führungen des „Reigen“ aus sittlichen
winden, ohne irgendeinen Anstoß bei frommen
Gründen untunlich seien, so daß aus
Gemütern zu erregen wie beispielsweise im
ethischen Motiven mit dem Verbot
in den
Josefstädter Theäter. Es handelt sich hier um
vorgegangen werden mußte. Die Sozial¬
die rein gesetzliche Seite der An¬
gelegenheit.
Die „Net
demokraten sehen dagegen von dem
Nach dem Bundesverfassungsgesetz steht
über dies
Theaterstück vollkommen ab und nehmen
dem Landeshauptmann, in diesem Falle dem
nur Stellung dagegen, daß sich der
Bürgermeister von Wien, die Entscheidung zu,
die
Bundesminister des Innern über
gegen die, wenn sie einmal im bejahenden
neue Verfassung hinweggesetzt und über
Falle erfolgt ist, eine Entscheidung der Re¬
den Landeshauptmann von Wien hinweg
gierung nicht angerufen werden kann. Nur in
eine Verfügung getroffen habe.
dem Falle, wenn sie verneinendaus¬
gefallen ist, ist eine Berufung an die Regierung
Der Führer der Sozialdemokraten
nöglich.
Präsident Seitz, der heute zum ersten¬
91
Bundesminister . Glanz: In
mal seit langem wieder die Redner¬
Beantwortung der soeben gestellten Anfrage
tribüne bestieg, kennzeichnete in scharfen
möchte ich dem hohen Hause mitteilen: Schon
Worten die in der sozialdemokratischen
vor der Zulassung der Aufführung des
Partei gegen Minister Dr. Glanz herr¬
Reigen“, die durch den Magistrat in seiner
5
schende Mißstimmung und drohte, unter¬
stützt von seinen Klubkollegen, mit den
ist, hatte der Herr Polizeipräsident von Wien
3
auf die schweren Bedenken gegen die
schärfsten Repressalien für den Fall, als
Aufführung dieses Bühnenwerkes aufmerksam
es der Bundesminister auf einen Ver¬
gemacht.
fassungskampf ankommen lassen würde.
Die Aufführung des Stückes gab alsbald
Er teilte hiebei mit, daß der Landes¬
zu lebhaften Erörterungen in der
hauptmann das Verbot des „Reigen“
So¬
Oeffentlichkeit Anlaß. (Gegenrufe bei den
so
überhaupt nicht zur Kenntnis nehme,
Kär¬
zialdemokraten: In der Reichspost“
esensehistcesshenseh eene
Astoria.
1