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Reigen
box 17/6
ee
Was niunt
wie so vieles, auch das Theater überschwemmt hat
Ballungen von Worten,
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sich heute nicht alles Theater!
dunkel empfundene Gesühle, die in dem immerwährenden Aus¬
rufe: „O Mensch!“ ihren angeblich höchsten Ausdruck finden
Unverständlichkeiten jeder Art und jeder Formlosigkeit. Ein
Meister der dramatischen Form hätte daran denken müssen, daß
sein „Reigen“ nicht Theater ist, sondern gegen alle Gesetze
des Theaters verstößt, Schnitzler hat daran, nicht gedacht
Auch hier Anarchie und auch hier ist es gerade ein Führer, der
berufen ist, die Idee seines Levens hoch zu halten und sie ver¬
lassen hat. Genau so wie Dr. Glanz — hüben und drüben sei
— der
für diese Nebeneinanderstellung um Verzeihung gebeten
ohne Nachweis seiner Eignung zu einem Hüter der Verfassung
berusen ist, diese im Stich läßt, sobalo ihm andere Ziene
erstrebenswerter erscheinen. Die Anarchie der Kompetenzen hat
eben alles mitgerissen, was an höherer Stelle steht, sei es durch
die Berufung des großen Talents oder durch die geringfügigene
einer Partei. Und das ist das bedauerliche Ergebnis dieses
neuesten Konflikts, wahrscheinlich sein einziges Ergebuis, in sach.
licher Beziehung.
*
Drt Kampf um den „Reigen
Kulionattal.
##ie stürmische Sitzung. — Die Stellung des Mi¬
nisters Dr. Glanz erschüttert.
Der Natio alrat ##t gestern eine stürmische Sitzung erlebt
Der Minister des Innern Dr. Glanz hat über den Kopf des
Landeshauptmannes vin Wien Bürgermeister Reumann
hinweg, der allein hiefür zuständig gewesen wäre, ein Verbor
gegen die weiteren Aufführungen von Schnitzleis „Reigen“ in
den Kammerspielen erlassen, das der Landeshauptmann zwar
nicht zur Kenninis genommen hat und auch nicht durchführen
ließ, das aber durch die damit begangene Verletzung der Ver¬
jassung zu einem schweren parlamentarischen Konflikt Anlaß gab
dessen Weiterungen vorläufig noch nicht abzusehen sind. Das
Haus hatte die für die gestrige Sitzung vorgesehene Tages¬
ordnung bereits nahezu erschöpft, als der sozialdemokratischen
Partei bekannt wurde, daß ein gerade von der Regierung aus¬
gegebeues Communigté dieses vom Minister des Innein er¬
lassene Verbot publiziert. Im Nu war eine dringliche Anfrage
an die Regierung eingebracht, die den Auftakt zu stürmischen
Szenen gab über die wir an anderei Stelle ausführlich berichten.
Der Kampf um den „Reigen“ bedeutet naturgemäß nur einen
rein äußerlichen Anlaß im Kampfe der Sozialdemokraten gegen die
christlichsoziale Regierung. Die Sozialdemokraten haben auch gestein
bereits mit einer verschärften Opposition eingesetzt, indem sie den
Antrag stellten, alle in Beratung flehenden Vorlagen der ersten
Lesung zu unterziehen. Unter diesen Vorlagen befindet sich auch
die Novellierung des Wehrmachtgesetzes, deren Zustandekommen
bekanntlich über Verlangen des Leuers der Heeresubeiwachungs¬
kommission Generals Zuecari mit dem 10 März befristet
wurde, bis dahin aber kaum wird erledigt werden können, da
das Haus eist am 1. März wieder zu Vollsitzungen zusammen¬
treien wird. In parlamentarischen Kreisen wurde gestern der
Vorfall begreiflicherweise lebhaft erörtert und vielfach der Auf.
fassung Ausdruck gegeben, daß — wenn nicht in letzter Stunde
eine Zurückziehung des verfassungswidrigen Verbotes durch den
Minister Glanz möglich werden sollte — die Stellung des
Bundesministeis für Inneres und sein weiteres Verbleiben in der
Regierung sehr fraglich geworden ist.
Das Haus besaßte sich gestern zunächst mit einer dringlichen An¬
frage des Abgeordneten Hampel wegen der Ver mögensbeschlagnahme
der österreichischen Schutz= und Alvenvereine durch die jugollawische
Regierung und nahm nach Anhörung des Bundeskanzlers einen
Resolutiogsantrag an, in welchem die Regierung aufgefordert wird bei
der jugoslawischen Regierung dahin vorstellig zu werden, von jeder
weiteren zwangsweisen Veräußerung österreichischen Eigentums abzu¬
sehen und die zwungsweise Eintreibung deutschösterreichischer Forderungen
einzustellen, vor allem aber die vermögensrechtlichen Interessen der
Schutzvereine zu schützen. Weiters wurde die Abänderung und Ergänzung
des Hceresgebührengesetzes in zweiter und dritter Lesung
gum Besch luß erhoben, ebenso wie das Militärbesoldungs.
Abergangsgesetz uad die Abänderung des Spielabgaben¬
Aesetzes.