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n Mern d Innere auts dem
Jahre 1850, geregelt. Beide Teile stützen sich auf diese Ver¬
rdnung. Diese Theaterordnung weist im § 3 die Aufführungs¬
bewilligung der Statthalterei zu. Nur wenn die Statthalterei
ein Verbot erlassen hat, entscheidet auf Rekurs des Aufführungs¬
werbers das Ministerium des Innern. Ueber die Rücknahme
einer erteilten Bewilligung sagt § 5 lediglich, daß sie aus
Beweggründen der öffentlichen Ordnung jederzeit erfolgen
kann. Landeshauptmann Reumann folgert nun aus der
Theaterordnung, daß auch eine Rücknahme der Aufführungs¬
erlaubnis ausschließlich dem Landeschef zugestanden habe, be¬
ziehungsweise zustehe. Diese Verwaltungsangelegenheit falle
demnach unter Artikel 15 der gegenwärtigen Bundesverfassung,
das heißt, sie habe im selbständigen Wirkungskreis
des Landes Wien zu „verbleiben“.
Dei Bundesm nister seinerseits folgert aus dem Umstande,
daß die Theatererdnung durch en Verfügung des Ministeriums
des Innern geregelt wurde, die Materie gehöre nach wie vor
in die Kompetenz des Ministeriums. Die Vollziehung stehe
sonach auch heute dem Bunde, beziehungsweise dem zuständigen
Innenressort zu Dieses könne sich demnach auf Artikel 103 der
gegenwärtigen Verfassung berufen, wonach in den Angelegen¬
heiten der mittelbaren Bundesverwaltung (das heißt der Voll¬
ziehung des Bundes durch den Landeshauptmann und nicht
durch eigene Bundesbehorden) der Landeshauptmann an die
Weisungen der Bundesregierung gebunden ist. Landeshaupt¬
mann Reumann empfindet somit die Verfügung des Bundes¬
ministers als einen Eingriff in sein Recht, der Bundesminister
betrachtet sie als einen Dienstauftrag. Hat Reumann recht, so
liegt ein Kompetenzkonflikt vor, hal der Minister recht, so liegt
die Nichtbefolgung einer ministerielen Anordnung vor. In
beiden Fällen sieht die Bundesverfassung eine Austragung der
A#gelegenheit durch den Verfassungsgerichtshof vor. Handelt
##sich um einen Kompetenzkonflikt, so kommt Artikel#
Anwendung, wonach der Verfassungsgerichtshof über solche
Konflikte zwischen einem Lande und dem Bund erkennen kann.
Liegt eine Dienstverweigerung vor, so hat nach Artikel 142 der
Verfassungsgerichtshof über eine Anklage zu erdennen, die durch
Beschluß der Bundesregierung gegen einen Landeshauptmann
wegen Nichtbefolgung einer Anordnung des Bundes in An¬
gelegenheiten der mittetoaren Bundesverwaltung angestrengt
werden kann. So wäre die Rechtslage, wenn Artikel 15, auf
den sich der Landeshauptmann beruft, schon in Kraft wäre.
Nun hat jedoch das mit der Verfassung gleichzeitig erlassene
Uebergangsgesetz in seinem § 42 die Geltung oberwähnten
Kompetenzabgrenzungsartikel, darunter des Artikels 15, au¬
die Erlassung einer Reihe von Gesetzen geknüpft, die noch nicht
geschaffen sind. Bis dorthin gilt die Bestimmung, daß die alte
Verteilung der Zustandigkeit auf dem Gebiet von Gesetz¬
gebung und Vollziehung zwischen Staat und Ländern nicht
geändert wird und daß — mit Ausnahme der Angelegenheit
der ehemals autonomen Verwaltung — alle Angelegenheiten
der Vollzehung von den Ländern als Angelegenheiten der
mittelbaren Bundesverwaltung zu führen sind (§ 42 c.) Diese
Anordnungen des Uebergangsgesetzes kann der Bundesminister
des Innern für sich in Anspruch nehmen. Aber für die Aus¬
tragung des Streites gibt es schon nach dem gegenwärtigen
unfertigen Zustand der Verfassung keinen andern Weg als die
Anrufung des Verfassungsgerichtshofes.
Der Standpunkt Direktor Vernaus
Direktor Bernau teilte auf eine Anfrage mit, daß er
nach wie vor den „Reigen“ zur Aufführung bringen werde,
Er fühle sich zur freiwilligen Nachgiebigkeit um so weniger
veranlaßt, als der Widerstand gegen das Stück nicht der
Ausdruck der öffentlichen Meinung, sondern das Ergebnis
einer politischen Agitation sei. Die öffentliche Meinung, nämlich
die Kritik des Publikums, habe sich bisher immer für das
Stück ausgesprochen. Der Direktor sei der Meinung, daß die
Polizeibehörde mit genügenden Mitteln die Zuhörer vor jeder
Belästigung schützen werde. Sollte das Stück verboten
werden, so werde er ohne Verzug den Rechtsweg beschreiten.
Er habe übrigens den Behörden mitgeteilt, daß er jetzt in
Lohnverhandlungen mit seinen Angestellten stehe und
daß eine Störung seines Betriebes 500 Leute in ihrer
Existenz schädigen würde. Einem Vertreter des Bundes¬
ministers Glang hätte Direktor Bernau erklärt, daß er bereit
sei, in der Szefierie des Stückes etwa gewünschte kleine
Aenderungen durchführen zu lassen. Er könne nicht zu¬
geben, daß der eigen“ unsittlich sei, und sehe den weiteren
Ereignissen ruhiß entgegen.
ReAnsiandschin