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Wien. Samsfag
indesministerium des Innern
der heutigen Sitzung bot
alten Zeit vor dem Krieg.
takteure damals andere.
heate die Sozial¬
n
merkennen, daß sie dieselbe
spielten und ihren Vorbildern
n Parlament talentvoll nach¬
e übertrafen, als sie ihren
e technischer Mittel lediglich
und Stimmitteln bestritten.
kanntwerden des „Reigen?¬
die Reihen der Sozialdemo¬
ammelte Unterschriften, drängte
Es war zu ersehen, daß es
nes dringlichen Antrages oder
andelte. Und sofort, als sich
hme des letzten Punktes der
al von den Sitzen erhoben
hner zum Rednerpult und
Bundesminister für Inneres
Frlaß über das Verbot
78 „Reigen“ sofort zurück¬
r ist nicht ganz gesund und
uf seinen bedauernswerten
Taktgefühl, auf die Art,
begründete, charakterisierend
ur, daß er auf den Bänken
mlleidiges Lächeln erntete.
Glanz erteilte unverweikt
dig, ruhig und kühl, wie es
n Auftreten im Nationalrat
einen Mann von Kenntnissen,
idlieniger Tatkraft und Kalt¬
errschtheit scheint die Sozial¬
keizen. Sie, die sich angeblich
erfassung erhoben hatten,
wieder während der Aus¬
nisters völlig ihre Fassung
Rand und Band wie
zienzeiten der Opposition.
parlamentarischem Benehmen
zuschauer beinahe ein ergötz¬
zu sehen, die im vorgeblichen
ganze Kultur ablegten. Be¬
sich zu Beginn der Minister¬
vor. Er, das Musterbild
# wenn man sich an die Zeit,
identenstuhl saß, erinnert -
tand eifrig tätig mitten unter
der lautesten. Ein Zwischenruf
Mataja erst brachte ihn
und den weiteren Lärm
esorgen. Sie taten es mit
so daß Bundesminister
sich verständlich zu machen
nals unterbrechen mußte. Die
fralen steigerte sich geradezu
desminisier schließend erklärte,
er sein Wirken getrost allen
den. Beschimpfungen erhoben
melten auf die Ministerbank
mTätlichkeiten bedroht. Die
Gleich das erste Konzert war
Daß dem begeisterten Mahler¬
liegt Lonnte miun zum voraus
die Einheitlichkeit und Wucht
schen Zug und die seingetönte
chatten an diese Abend erleht
eum gelang ausgezeichnet. Der
Dirigenten willig gehorchende
Kr. 42
12. Februar 1921
eichspost
geben wird. Die Vorgänge, die den Kern des in Rede
Christlichsozialen drängten sich heran, um weitere Aus¬
tehenden Stückes bilden, sind in dieser Beziehung durchaus
artungen der Sozialdemokraten zu verhindern. Ge¬
Andeutiger Art.
dränge vor der Ministerbank. Mit schwerer Mühe ge¬
Die deutsche Kultur in Oesterreich wirh gewiß keinen
Schaden leiden, wenn die Schaustellung folcher Vorgänge
lang es den Ordnern, die Ruhe wieder einigermaßen her¬
auf offener Bühne unterbleibt. (Stürmischer Berfall und
zustellen. Und nun bestieg Abg. Seitz die Rednertribüne.
Händeslatschen bei de Christlichsozialen.) Ich glaube auch
Seine Angriffe gegen Bundesminister Dr. Glanz gingen
nicht, daß die breiten Massen der Wiener Bevölkerung.
nicht nur über das Maß dessen hinaus, was man für
die einen schweren Existenzkampf führen, es als Verlust
einen Mann, der einmal Präsident war, für erlaubt
betrachten werden, wenn einer kleinen Zahl frivoler Ge¬
die Berichte über die Zusammensetzung und das

hält, sondern auch über die Grenzen der parlamen¬
nießer
Verhaiten des Publikums während der Vorstellung lassen
so daß ihm
arischen Ausdrucksweise überhaupt,
an dieser Charakteristik keinen Zweifel — dieses dem sitt¬
Präsident Dr. Dinghofer den Ordnungsruf erkeilte.
lichen Empfinden und dem Ernste der Zeit widersprechende
Der christlichsoziale Abg. Volker wies unter dem
Bergnügen entangen wird.
Nach diesen Worten steigert sich die Unruhe zu einem an¬
Beifall der Mehrheit des Hauses, von den Sozial¬
altenden Lärm, so daß der Präsident wiederholt zur Ruhe
demokraten vielfach stürmisch unterbrochen, die Angriffe
ermahnen muß.
einer Vorredner schlagfertig zurück.
Bundesminister Dr. Glanz: Die Regierung glaubt sich
bei dieser Verfügung mit der öffentlichen Meinung in Wien
Die Aufregung brandete nach Schluß der Sitzung
und ganz Niederösterreich in Uebereinstimmung zu befinden
in den Gängen noch weiter. Die Besonnenheit der Christ¬
und ist überzeugt, daß ihre Auffassung auch die Billigung des¬
lichsozialen verhinderte neue Zusammenstöße und jene
hohen Hauses finden wird. (Zwischenrufe.)
sozialdemokratischen Rauhbeine, die den Austritt des
Was
die formelle Frage
Bundesministers Dr. Glanz aus dem Sitzungssaal ab¬
betrifft, handelt es sich um folgendes: Da seitens des Magi¬
warten wollten, mögen es ihnen danken, daß sie von
strates den Verhältnissen, wie sie sich nach Aufführung des
hrem vielleicht folgenschweren Vorhaben abgehalten
Reigen gestaltet haben, nicht Rechnung getragen wurde, wer
wurden.
es nach den geltenden Kompeienzbestimmungen.
velche die Theaterangelegenheiten dem Res¬
Nachstehend der Bericht im Anschluß an die „Wiener
sort des Bundesministeriums des Innern z#e
Stimmen“:
weisen, mein Recht und meine Pflicht, die weiteren Aus¬
Die Abgeordneten Leuthner (spzdem.) u. Gen. bringen
ührungen zu untersagen. Wenn nun von seiten des Herrn an¬
folgende dringliche Anfrage ein:
fragenden Abgeordneten das Recht zur Aufsicht in seiner
Die Bundesregierung hat die Aufführung des bekannten
Gänze bestritten wird, so möchte ich demgegenüber nur kurz
Theaterstückes „Riigen“ in Wien verboten. Dieses Verbot stellt
darauf verweisen, daß dieses Recht, in dem ich übrigens ver
einen verfussungswidrigen Eingeiff der Bundesregierung in die
allem eine Pflicht erblicke, schon in dem Verhältnis der in Be¬
Rechte des Landes Wien dar, da zur Ausübung der Theater¬
tracht kommenden Behörden an sich begründet ist, daß es
zensur ir Wir ausschließlich der Landeshaupimann von Wien
Wissenschaft und Praxis niemals bezweifelt haben, daß es von
efum ist. Das Verbot beweist, daß der Regierung das Diktat
unseren obersten Gerichtshöfen siets einmü ig anerkannt wurde.
er Klerikalen höber steht als die Bestimmungen der Ver¬
daß es auch in unsere neue Verfassung übernommen wurde,
assung. Es wird die Frage gestellt, ob der Bundesminister für
vie die Art. 103 und 142 ausdrücklich bezeugen. Dem Recht
Inneres den verfassungswibrigen Erlaß über das. Verbot der
der Aufsicht entspricht anderseits die Ver¬
Aufführung des „Reigen“ sofort zurückziehen wolle?
pflichtung zur Durchführung der getroffenen
Schon bei der Verlesung der Anfrage zeigte sich im Saale
Anordnungen. Auch diese Verpflichtung ist eine unbe¬
Verfassung
ebhafte Unruhe. Die Abgeordneten sammelten sich in dem
strittene gewesen und kommt auch in der neuen
Halbrund um die Ministerbank, als die Sozialdemokraten ihren
zum Ausdruck. Die Regierung wird in anlogen Fällen immer
Sturmbock, Abg. Leuthner, für die Einleitung erregter
enau so handeln, mögen sie welches Land immer betreffen ..,
Szenen vorschickten. Aus der Begründung der Dringlichkeit der
Fortgesetze lärmende Zwischenrufe des Abg. Leuihner.) Der
Anfrage durch Abg. Leuthner ist sochlich nur wieder das eine
Präsident ruft ihn zur Ordnung.
festzustellen, daß es eine brutale Rücksichlslosigkeit ist, einen
Bundesminister Dr. Glanz: Gerade in dem von Herrn
bedauernswerten, schonungsbedürftigen Kranken in bewußter
Abg. Leuthner erwähnten Falle aus Steiermark wird das
Absicht in eine Angelegenheit zu hetzen, der er nicht gewachsen
hehe Haus Gelegenheit haben, sich davon zu überzeugen, daß
st und die ihn zubem noch Aufregungszuständen aussetzt, vor
die Regierung auch diese Frage in einer durchaus objektiven
denen ihn ein wohlmeinender Arzt sicher nur eindringlich
und pflichtgemäßen Weise lösen wird.
warnen würde.
Auf die gegen mich persönlich gerichteten Bemerkungen
Bundesminister Dr. Glanz: Schon vor Zulassung der Auf¬
will ich nicht näher eingehen. Ich glaube, das Urteik
in seiner
die durch den Magistrat
über mein Wirken getrost jedem anständig
ührung des „Reigen
Eigenschaft als politische Landesstelle erfolgt ist, hai der Herr
denkenden Menschen überlassen zu können.
oligeiprasident beim Herrn Bürgermeister von Wien auf die
Stürmischer Beifall und Händeklatschen bei den Christlich¬
schweren Bodenken gegen die Aufführung dieses Bühnenwertes
sozialen. — Fortgesetzte lärmende Zwischenrufe bei den Sozial¬
aufmerksam gemacht. Er verwies hiebet auch auf die geteite
demokraten.) Ich kann nur beionen, daß mich persönliche An¬
Beurteilung, die vor längerer Zeit schon die bloße Vorlesung
friffe, mögen sie von wo immer kommen, nicht einen Schritt
der zehn Dialoge in der Publizistik gefunden habe. Der
weit von dem, was ich als Pfiicht erkannt habe, abzubringen
Magistrat als politische Landesbehörde hat jedoch dessen¬
imstande sind. (Lebhafter Beifull und Händeklatschen bei den
ungeachtet nach Anhörung des Zensurbeirates mit dem Bescheide
Christlichsozialen, stürmischer Widerspruch, Pfui= und Abzug¬
vom 12. Jänner d. J. die Aufführung zugelassen.
rufe bei den Sozialdemokraten.)
(Zu#schenrufe.)
Ein Handgemenge.
Die Aufführung des Stückes gob alsbald zu lebhaften
Die sozialdemokratischen Abgeordneten Zelenka, Wit¬
Erörterungen in der Oeffentlichkeit Anlaß.
ternigg und Widholz drängen sich an die Ministerbank
Adg. Pick (sozdem.): In der „Reichspost“! (Zwischenrufe
und schlagen tollwütig mit den Fäusten auf den Tisch vor
bei den Sozialdemokraten; Gegenrufe bei den Christlich¬
sozialen. Lärm.)
Bundesminister Dr. Glanz. Mit einiger Befriedigung könn n
Bundesminister Dr. Glanz: Hiebei sprach sich die weit
diese Herren nun behaupten, auch endlich einmal schlagende
iberwiegende Mehrzahl der öffeutlichen
Argumente vorgebracht zu haben. Ihr Vordrängen weckt den
Stimmen ...
Ehrgeiz anderer Genossen. Auch sie wollen ihre starken Seiten
Abg. Seitz (sozdem.): Wo haben Sie das gezählt? Weisen
zeigen, da sich endlich wieder einmal eine köstliche Gelegenheit
Sie uns das nach! (Lärm.)
zu bieten scheint, nach Herzensluft mit den Händen reden zu.
Bundesminister Dr. Glanz: ... dahin aus, daß die Auf¬
können. Sie balgen sich beinabe untereinander, an die Mini¬
führung ihrem gesamten Eindruck nach
eine arge Verletzung der öffentlichen Sittlichkeit
sterbank heranzukommen. Beschimpfungen werden laut. Ge¬
bedeute. Kundgebungen aus der Bevölkerung und zahlreiche
johle gegen Bundesminister Dr. Glanz: „Hinaus mit ihm!“
Artikel der Presse verschiedener Richtung
und ähnliches, wie eben der entfesselte Geist aus ihnen spricht,
noch einmal — ließen erkennen, daß diese Vorführungen mit
oweit er nicht seinen ständigen Sitz in den geballten Fäusten
dem sittlichen Empfinden weiter Kreise der
hat. Es hat den Anschein, als wollten die Genoffen den Bun¬
Wiener Bevölkerung in scharfem Gegensatz
desminister, der durch den Hinweis auf die „anständigen
tehen. (Lebhafter Beifull und Händeklatschen bei den
Christlichsonalen.)
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