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11. Reigen
machen, um sie zur Aufgabe des Vertrages zu nötigen. Bisher ohne
Erfulg. Dahinter steckt der Wunsch gewisser Kreise im Ministerium
nitziers Reigen
für Wissenschaft, Kunst und Bolksbildung, sich des Saales wieder zu
ninisteriums, dem der Saal der
bemächtigen, um ihn im Interesse der Staatstheater und gemäß
Schauspielhaus“ genannt,
den Wünschen des Direktors Schreker zu verwenden. Das ganze
mehr als ein überauspein¬
Vorgehen hängt anscheinend zusammen mit den im Kultusmine¬
Dieser Tatbestand wird auch
sterium heimisch gewordenen, teils uwpistischen, teils philiströfen
hören, der Einspruch zu¬
zir
Bestrebungen, die persönlichen künstkerischen Unternehmungan zu¬
in Direktorin Eysoldt dorf also
gunsten einer sogenannten sozialisierten Künstpflege zu untergraben.
# aufführen, ohne von der gen¬
Dazu soll jetzt der Appell an die Philisterinstinkte dienen, die ohne
bedroht zu sein.
jeden Einplick in das, was künstlerisch sein und formvollendet ist,
sundsätzliche noch das Materielle
hre woralische Selbstüberhebung dem erotischen Stoffgebiet gegen¬
ders bedauerlich bleibt, daß der
über zu betätigen pflegen. Eine Ironie des Schicksals will es, daß
ung des Stückes verbot, von
die engherzige Vorgehen im Namen des Professors und Direktors
der Kunstabteilung des
schschule, Schreker, eingeleitet wurde, des Meisters ero¬
in denen man ein klareres Ver¬
Musik, der wie kein anderer berusen gewesen wäre, die vor¬
ewarten konnte. Es sei beiont,
nden Kompositionen zu diesen zahn Schnitzlerschen Szenen zu
r bis gestern abend verreist
reiben.
un hat. Der Antrag auf Ver¬
Erst vor einigen Tagen verlautete etwas darüber, daß das Kultus¬
iell von dem Direktor der Hoch
misterium die angesetzte Aufführung von „Reigen“ zum Anlaß eine
nz Schreker, unterzeichnet,
brechens nehmen wollte. Frau Gertrud Eysoldt und Maximilion
nd, wie gesagt, in der Beamten¬
Slodel setzten sich mit dem Ministorium in Verbindung und erreichten
die Zusicherung, daß Vertreter des Ministeriums zu einer Probe
Umstaud, daß die in Frage stehen¬
kammen würden, um zunächst einmal zu sehen, wie das Stück im
zur Generalprobe ein
Kleinen Schauspielhaus gespielt werden sollte. Dies war doch wohl
jehalten haben. Erst jetzt, nach
das mindeste, was man von einer Behörde verlangen mußie, die die
rückziehung des Einspruchs damit,
Absicht hatte. „Aergernis zu nehmen“, denn ob ein in dem Theater
ehegten Befürchtungen entkräftet
gegebenes Stück „Anstoß erregt“, hängt doch wohl davon ab, wie
kleinen Schauspielhaus durch den
der gedruckte Text eingerichtet und gespielt wird. Die Probe fand
den erwachsen. Justizrat Dr.
statt, und nach einer halben Stunde Wartens empfing die Direktion
Vertreter der Direktion Eysoldt¬
die telephonische Mitteilung, die Herren würden nicht kommen,
nd Schadenersahzanspruch geltend
sondern das Weitere abwarten. Kein Mensch konnte dies
Borliner Theaterleiter
loyalerweise anders auffassen, als daß das Ministerium abwarten
wollte, wie die Aufführung sein würde, um danach
ihre Entschlüsse zu fassen. Kein Mensch konnte ahnen, daß
dieses angebliche Abwarten nichts bedeutete als die Absicht, im
erhalten wir noch die folgende
Stillen ein Vorgehen vorzubereiten, das schon arg genug sein würde
wenn es sich um einen Berliner Hausbesitzer vom Possentyp handelte.
er Hochschule für Musik gegen
das aber ganz unbegreiflich bei einem Ministerium ist, das seine Ver¬
Sladek, dat vor der Oeffent¬
tragsrechte von einer etwas höheren Warte aus ansehen sollte. Die
#eressen auftritt, entschleiert sich
Hochschule im Einperständnis mit dem Dezernenten des Ministeriums
in eines Hausbesitzers gegen einen
hat erst am Tage der Erstaufführung gegen Mittag eine einstweilige
teiner Raumknappheit gern los¬
Verfügung des Landgerichts lil erwirkt, wonach die Aufführung des
„Reigen“ der Frau Gertrud Cysoldt und Herrn Maximilian Sladek
chule für Musik ihren Auffüh¬
untersagt wurde, bei Androhung einer Haftstrafe (!) bis zu sechs
rmietet hat, läuft noch einige
Wochen. Diese Verfügung wurde um 4 Uhr nachmittags zugestellt.
g sind Versuche gemacht worden.
von wo an erst ihre rechtliche Wirkung begann. Alles also, was in
kuspielhauses Schwierigkeiten zu
1
gettel
Wochen an Arbeit und Ausgaben aufgewendet war, um eine würdige
Aufführung vorzubereiten, sollte in letzter Stunde vernichtet werden.
Aber noch mehr: auf Benachrichtigung von klögerischer Seite ver¬
öffentlichte ein Mittagshlatt bereits um ½1 Uhr, daß die Aufführung
verboten sei. und fügte dadurch einen neuen Schaden hinzu. während
man vernünftigerweise hätte annehmen müssen, daß das Kultus¬
ministerium auch jetzt noch mit Zustellung und Anwendung des Be¬
schluffes warten würde, bis as die Aufführung wirklich kannte. Ein
Appell an Herrn Minister Haenisch persönlich war unmöglich, weil
er verreist war. Eine Kapitulation vor dem Hausbesitzerunrecht, das
zugleich ein Unrecht gegen die Kunst war, konnte nicht in Frage
kommen. Frau Eysoldt hat sich durch die angedrohte Haft nicht ab¬
schrecken lassen, sondern der Vorhang ging hoch. Frau Eysoldt hat
vor Beginn der Vorstallung an das kunstliebende Publikum appelliert.
Dieses hat durch aufmerksame, taktvolle Haltung sein Verständnis
dafür bewiesen, daß in dieser Farm, einen erotischen Stoff zu be¬
handeln, nichts anstößiges oder niedere Instinkte weckendes liegt.
Der stürmische Beifall, den Herr Skadek und Frau Eysoldt bei ihren
Schlußworten fanden, als sie im Namen des Dichters und der Schau¬
spielkunst dankten, bewies, daß das Berliner Publikum kunst¬
verständiger ist als seine Mentoren im Ministerium,