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auch mit allerkühnstem Schwunge, am Ziel vorbei ins Leeie
gesaust ist.
Somit habe ich keinerlei Anlaß, mich mit dem Gutachten
Maximilian Hardens zu beschäftigen, soweit es meine Person
betrifft. Was zu berichtigen mir nötig scheint, ist die Darstellung,
die Maximilian Harden von dem inneren Verhältnis und dem
äußeren Verhalten Max Reinhardts gegenüber dem „Reigen“ gibt,
und die auf unzureichender Kenntuis von Tatsachen und offenbaren
Mißverständnissen beruht. Zur endgültigen Aufklätung muß ich
mehr um Max Reinhardts als um meinetwillen in aller Kürze
mitteilen, wie meine Szeuenreihe „Reigen“, die bekanntlich
ursprünglich keineswegs zur Aufführung bestimmt war, mit meiner
ausdrücklichen Einwilligung auf die Bühne kam.
Nachdem im Lause der Jahre von einzelnen Schauspielern
und Schauspielerinnen, später auch von Theaterdirektoren An¬
fragen und Anträge an mich gelangt waren, die von mir durch¬
aus abgelehnt wurden, erbat Max Reinhardt im November 1918
elegraphisch von mir das Aufführungsrecht des „Reigen“ für die
Kammerspiele. Ich konnte mich zu einer zustimmenden Antwort
nicht gleich entschließen, erklätte mich aber freiwillig bereit, Mar
Reinhardt die Priorität zu wahren, was er dankend zur Kenninis
nahm,
Indessen traten immer neue, zum Teil recht erwägenswert
Anträge an mich heran; im Januar 1919 lud mich der Direktor
eines namhaften deutschen Theaters zur bevorstehenden Urauf¬
führung des „Reigen“ an seiner Bühne ein, so daß mir gerade
noch Zeit blieb, die schon für einen bestimmten Tag angesetzt
Vorstellung zu inhibieren; aus Rußland brachten zurückkehrende
Kriegsgefangene die Kunde von Aufführungen des „Reigen“ in
einer Anzahl von russischen Städten; und so hatten, im Ausland
vorerst, meine Dialoge ohne mein Dazutun und ohne meine Zu
stimmung ihre theatralische Lausbahn begonnen. Trotz allen
gesetzlich gewährleisteten Schutzes schien es mir nach meinen bis¬
herigen Erfahrungen nicht ganz außerhalb aller Möglichkeit
zu liegen, daß am Ende auch irgendwo in deutschen
Landen eine widerrechtliche Aufführung stattfinden könne
(mit einzelnen Szenen war das schon in früheren,
rechtsklateren und rechtsbewußteren Zeiten der Fall gewesen); und
diese Erwägung war mit ein Grund, daß ich im Frühjahr 1919
bei Max Reinhardt anfragte, ob er eine öffentliche Aufsührung
des „Reigen“ noch immer für opportum halte. Er antwortete
nir am 19. Apiil 1919: „Ich halte die Aufführung Ihres
Werkes künstlerisch nicht nur für opportum, sondern für unbe¬
dingt wünschenswert. Dabei ist allerdings Voraussetzung, daß
bei den Gefahren, die in der Gegenständlichkeit des Stoffes liegen,
das Werk in nicht unkünstlerische und undelikate Hände kommt.
die es der Sensationslust eines allzu bereiten Publikums aus¬
liesern könnten. Ich nehme aber bestimmt an, daß
sich die Bedenken durch eine völlig sensationsfreie,
reine
künstlerische und diskrete Inszenierung überwinden lassen.
Und weiterhin: „Je weniger Sie mich zeitlich festlegen, je mehr
wächst für mich die Möglichteit unser beider Wünsche nach meiner
Regie zu erfüllen. Sie dürfen jedoch in jedem Fall versicher
sein, daß ich aus den schon wiederholten Gründen mein volles
künstlerisches Interesse Ihrem Werk widmen werde und unbedingt
dafür Sorge trage, daß es auf dem höchsten künstlerischen Niveau
herauskomme.
Auf diese Zusicherungen hin schloß ich mit Max Reinhardt
einen Vertrag, nach welchem der „Reigen bis spätestens
31. Januar 1920 an einer seiner Bühnen zur Aufführung kommen
sollte. Der Termin wurde, wie das im Theaterleben zuweilen
vorkommt, versäumt, eine kurze Zeit hindurch schienen die
politischen Verhältnisse für eine Aufführung des „Reigen“,
worüber ich mit Reinhardt eines Sinnes war, nicht sehr günstig
zu liegen, und im Frühjahr 1920 drang ein Gerücht zu
mir, daß Reinhardt mit einer anderen Berliner Theater¬
direktion verhandle, die den „Reigen“ in den Kammerspielen zur
Aufführung bringen solle. Auf mein Ersuchen um Aufklätung
wurde mir von Reinhardt am 24. April folgende Antwort zuteil:
„Bezüglich des „Reigen“ möchte ich Ihnen mitteilen, daß von
mehieren Seiten allerdings an mich herangetreten worden ist, das
Werk freizugeben. Jede Unterhandlung in der Richtung ist von
vornherein von mir abgelehnt worden. Ich habe niemals daran
gedacht, dieses Stück einer andern Bühne zu überlassen. Ich
habe immer an der Absicht festgehalten, das Werk selbst zu in¬
szenieren. Daran hat sich nichts geändert.“
Waien Harsen aus Rteinantets, Aotent Dert aus karmenn
Schweigen zu entnehmen geglaubt hat, ist nicht meine Sache
Ebensowenig bedarf es der Versicherung, daß es keineswegs
meine Absicht war, durch diese Berichtigung einen Teil der Ver¬
antwortung für die Aufführung des „Reigen“ von meinen
Schultern abzuwälzen Im Augenblick, da ich meine Zustimmung
rteilt habe, stehe ich in jeder Weise dafür ein und hätte jede
Verantwortung selbstverständlich auch dann mit dem größen
Vergnügen getragen, wenn das Reiuktat nicht so unwidersprechlich
ür Max Reinhardts Auffasseu zeugte: „daß die Bedenken gegen
eine Aufführung des „Reigen“ sich durch eine künstlerische und
iskiete Inszenierung überwinden ließen.
Trotzdem bleibt es nach wie vor niemandem verwehrt, im
Reigen“ mit Maximilian Harden nichts anderes zu sehen als
eine Reihe „schon süßlich angeschimmelter, in jedem Sinn un¬
platonischer Gespräche über Lust und Leid der Paarung“; jedem
teht es auch weiterhin frei, das Experiment einer „Reigen"¬
Aufführung, wie ich selbst es so lange Jahre hindurch tat, für
kodlematiich, ein gelungenes für mißglückt und sogar ein be¬
hördlich approbiertes noch immer für strafwürdig zu erklären; jo
ich bin sein davon, jeden, der so denkt, für einen Philister und
Dunkelmann und jeden, der für das Bühnenrecht des „Reigen
eintritt, schon darum für einen Kunstkenner und Freiheitskämpfer
zu halten. Wogegen ich mich aber mit aller Entschiedenheit ver¬
wahre, das ist der Beisuch, gerade Max Reinhardt, der
als Erster meine eigene Meinung von der Nichtaufführbarke:
des „Reigen“ ins Wanken gebracht, meinen eigenen Be¬
denken gegenüber die Aufführung des „Reigen“ nicht nur für
künstlerisch opportun“, sondern für „unbedingt wünschensweit“
erklärt hat, als Eideshelfer gegen die künstlerische und moralisch
Zulässigkeit eines Experi.hents anzurufen, als dessen geistiger
Initialor er in jedem Falle gelten muß — mögen auch äußere
mstände ihn verhindert aben zu denen ich nach Reinhardts
Briesen, die ich in ihrer ganzen ausführlichen und überzeugenden
Herzlichkeit hier nicht wiederholen konnte, die Abmahnungen
Maximilian Hardens keineswegs zu rechnen vermag —, das
Experiment, so wie er ursprünglich gesonnen war, persönlich und
als erster zu wagen.
Cagebuch.
Von
Hermann Bahr.
17. Januar. Emil Ludwigs Goethe=Buch, von dem
jetzt auch der zweite und dritte Band eischienen sind (J. G. Cottasche
Buchhandlung Nuchfolger. Stuttgart und Berlin 1920), hat die
Kraf, über den Reizen Anekdotischen doch nie den Blick zum
Ewigten zu verlieren: de#pirische Goethe mit all seiner Wunder¬
ichkeit, fast rührend zuweilen und dann wieder von leiser Komik,
verdrängt doch das Gefühl für das Elementare, das Dämonische,
das Ungeheure seines aus derber Menschlichkeit, Allzumenschlichkeit
bis über die Wolken ragenden Wesens nicht und der breite Roman
dieser behäbig bürgerlichen Existenz behält doch immer einen ent¬
rückend hymnischen Klang. Indem er Goethe nirgends vergipst
und uns dreist den großen Philister, den großen Pedanten,
den guten Rechner, den breiten Geldverdiener,
klugen Weltmann, den behaglichen Zecher, den Küchen¬
freund, ja den Ansatz zum alten Steiger zeigt, tritt das
Dämonische nur desto gewaltiger hervor: ist es doch, als hätte
sich mit ihm eist der Erdgeist, bisher sonst immer gleichsam nur
Details der Menschheit entwersend, nun einmal darauf besonnen
was mit dem ganzen Menschen eigentlich gemeint ist ... Ent¬
zückend der Besuch der verwitweten Hoftätin Kestner beim alten
Goethe, der sich zunächst entschuldigen läßt: er hat Gicht; und
als es Lotten am Ende dennoch gelingt vorzukommen, findet sie,
wie sie selbst erzühlt, „einen alten Mann, welcher, wenn ich nicht
wüßte, daß es Goethe wäre, und auch dennoch, keinen an¬
genehmen Eindruck auf mich gemacht hat“ — ist dieses „und auch
dennoch“, durch dessen Erbitterung der ganze Saß aus dem Leim
geht, nicht reizend? Allerliebst auch die Schilderung, wie Goethe
n Karlsbad am Abend vor seinem vierundsiebzigsten Geburtstag
die Polonaise mit Ulriken tanzt. Dann aber wieder, nachdem er
den Korb von ihr gekriegt, wie tief ins Tragische hinein burlesk
ie Szene, da Zelter, um ihn zu trösten, ihm mit mächtiger
Stimme die Marienbader Elegie vortragen muß:
„so
sitzen die beiden Alten allein im Krankenzimmer beisammen und
achselzuckend abtat, kündig
letzten Heft von „The Lo
enthusiastisch über ihn:
Borgia und Cellini, doch
Abenteurer der Renaissat
Wunder und ein Probiem,
vergleichliches Schauspiel.
Carduccis ausgerufen,
n
Dekadeu und Lüstling per
moralischer Energie von
zehn Jahren schon hieß er
ein Dandy, Reklameheid,
hielt er die römische Rede,
entschied, mit sechsundfünfz
von sechzig sitzt er in Fium
tatbereit und ein Heer glüh
war, but it is, in a mar
seinem kleinen Sparta eine
nach Rom marschieren und
Doch mancher Zug einer i#
verrät, daß er keiner Illusi
Wär' er nichts als i gendei
ein kleiner adriatischer Ro¬
e#inen pittoresken Helden
am in ienken. Aber dieser

##de, vielleicht aber auch
imiissenen künstlerischen La
venn Squire schließlich die
erklärt, daß they feel in d'
Napoleon, who was
reversion to the old con
unversehens wieder zu Goet
a die beiden gewaltigsten
elber so strenge sein F#
neidisch, in Flammen auf
Byrons im Grunde doch w
Seebad, Spleen und das
Ludwig sagt, „die volle
Dichtung läßt Goethe an
seinem eigenen Stieben eins
So gibt er dem Wagenlenke
Bin der Poet,
Wenn er sein
Wesche Töne hätte Goethe de
nüssen, auf jener Einheit vo
Beispiel seit der Renalssance
eigenen Haus glaubt man m
18. Januar. D
innetung seinen Sinn erhält,
gangenheit gewolden, ihren
nicht, sie hebt unverständig ac
puren suchend, empfind ich
drum, meigen ersten Aufsatz
als Maturant vor vierzig Ja
darin stand. Nur aus der
aß es kotzengrob gewesen sei
verehrungswürdigen Mann,
wert geworden, damals
über die ja wirklich rech
„Nora“ meinen ganzen jun
ich los. Und zu neug
darauf antworten würde, wof
einer Antwort noch erkühnen
nächsten Theaterseuilleion kam
zurück, seine respektvoll Ibsen
und fuhr dann fvit: „Es gi
Leute, Gscheitle nennt man
Gscheitling tut uns in einem
. mehr weiß ich davon ni
noch, daß er zum Schluß läch
nennen, „der, schrieb er, d
zur Genüge! „der Mitwe
leiben wird.“ Ich hat
berg
unterschrieben, weil
Vaterstadt, liegt und dort der K
reicher schwört, das Nibelunger