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11.
Reigen
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darauf subskribieren (unter 20 v. H. Preis¬
nachlaß) im Laufe dieses Monats. Wer
das Dreikönigsspiel und „die Kirche Got¬
esgüte“ von Höhn kennt, weiß, daß er
etwas Feines erwarten darf.
Von Walther Classens „Werden des
deutschen Volkes“ erscheint eben das letzte
(zwölfte) Heft. Damit liegt der dritte,
abschließende Band des Werkes (gebunden
6 Mk.) fertig vor. Es ist die Geschichts¬
darstellung, die unsre Leser am meisten
interessieren wird.
Und nun nehme ich einen kleinen An¬
lauf und wage das Eingeständnis, daß
auch von mir zu Weihnachten ein Buch
nein, ein Büchlein erscheint. Es sind
noch immer nicht „die drei Stände“ son¬
dern es ist erst ein Andachtsbuch: „Das
Büchlein Thaumasia“, und enthält „drei¬
ßig Andachten vor den Wundern des
Lebens“. Ich gebe darin — wie soll ich
— so etwas wie die Grundzüge
sagen
ethischen
neiner philosophischen und
Weltanschauung. Die sattelfesten Natur¬
wissenschafter unsrer Zeit werden, hof
die ich geschrieben habe. Späterhin, das
hoff ich auch, werden sie verständiger
über die mehr phänomenologische Be¬
trachtungsweise, die ich anwende, urteilen
philosophischen Sattel gehoben sind und
wieder das gute deutsche Flügelroß des
Paracelsus und des Jacob Böhme zu be¬
steigen wagen. Das Buch erscheint im
Greifenverlag in Rudolstadt (der die
Herausgabe anregte) und kostet ge¬
Die „Dorfkirche“ Hans von Lüpkes,
die uns in der Gesinnung nahesteht, läßt
seit dem vorigen Monat eine Teilaus¬
gabe unter dem Titel „Kirche und Volks¬
tum“ erscheinen, die über die Kreise der
Geistlichen hinaus die Beziehungen, zwi¬
pflegen will. (Verlag der Deutschen
Landbuchhandlung, Berlin, Preis viertel¬
ährlich 1,50 Mk.) Wir weisen unsre
evangelischen Leser darauf hin; es han¬
delt sich um eine Sache, die sowohl für
die Kirche wie für das Volkstum wichtig
Der „neue Reigenprozeß“ den Maxi¬
milian Sladek und Gertrud Eysoldt unter
dem Beistande Wolfgang Heines wegen
meines im März 1922 erschienenen Auf¬
satzes über das Reigen=Geschäft gegen
nich führen, soll am 13. Dezember im
Amtsgericht Alt=Moabit in Berlin zur
Verhandlung kommen. Endlich wird Herr
Sladek aus dem Zweifel erlöst, ob er sich
seit bald drei Jahren mit einer von mir
beleidigten oder nicht beleidigten Ehre
im heiligen Dienste jener Art Kunst auf¬
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opfert, bei der die Beteiligten mit Eifer
zu versichern pflegen, daß „dem Reinen
alles rein“ sei. Der halbverweste Prozeß
wird also endlich auf den Obduktionstisch
gehoben. Als der Reichspräsident ein¬
mal beleidigt worden war, sagte sein
Verteidiger Wolfgang Heine, nach ein¬
dreiviertel Jahr sei das Interesse daran
erloschen. Herrn Sladeks Ehre ist weit
hartnäckiger als die des Reichspräsiden¬
ten. Ich glaube nicht, daß es gelingen
wird, den „Reigen“ neu aufzulackieren
und interessant zu machen. Sogar die
Berliner „Revüen“ beginnen ihre Dar¬
stellerinnen schon wieder anzuziehen. Ar¬
thur Schnitzler wird dem Anzug der Zeit
vermutlich bald folgen. Die allgemeine
Ablehnung, die er sich mit seiner „Komö
die der Verführung“ zuzog, war deutlich
genug. Carl Weichhardt schrieb in einer
guten Besprechung des Stückes in der
Frankfurter Zeitung: „Als die Frau des
Bankpräsidenten ihren Gatten im Ge¬
ängnis glaubt, jubelt sie, daß sie nun
chlafen kann, wo und bei wem sie will;
vom Schlafen in diesem Sinne sprechen
die Frauen hier bis zur Ermüdung, und
diese Atmosphäre der Ansau
man muß das Wort bei¬
berkeit —
nahe auch rein physisch verstehen! — be¬
rührt darum so undelikat, weil der
Dichter nicht fühlen läßt, daß
er über ihr steht.“ „So redet und
lebt sie sich in das von Falkenir und
Schnitzler ihr eingeimpfte und auf¬
konstruierte Dirnentum hinein. Niemand
aber hat den Reigen so treffsicher gekean¬
zeichnet wie Herwarth Walden in ein
paar ironischen Worten im „Sturm“ (wo¬
bei wir uns darauf hinzuweisen gestatten
daß Walden in seinen kritischen Ironier
m „Sturm“ zuweilen ganze Abschnitte
von Literaturgeschichten überflüssig macht
das Vergnügen, das man beim Lesen von
Literaturgeschichten nicht hat, hat man
dabei obendrein.) Wir führen aus Wal¬
dens „Sinn und Sinne“ (Mai 1923) an:
„Die Kultur ist für die Sinnlichkeit. Wo¬
runter sie einen Schlafzimmerschmarren
von Herrn Schnitzler versteht. Ohne Des¬
ous einer Weltfirma. Unter solcher
Sinnlichkeit firmiert in dieser großar¬
tigen Kultur die Welt. Eine Kultur, ge¬
macht von Leuten, die Dessus für Des¬
ous halten und denen Dessous das Le¬
ben der Sinne ist.“ Weiter ist nichts zu
sagen. — Man „darf“ jetzt wieder an¬
ständig sein, ohne als Mucker und Spie¬
ßer zu gelten, Herr Sladek. Warum also
Ihre Bemühungen? Seien Sie doch nicht
o prüde.
Leser, die auf eine wohlgelungene
Bildnisbüste Alfred Kerrs Wert legen,
machen wir auf Nr. 32 des Simplicissi¬