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10. Das Vernaechtnis

1898.
Zeitung.
9. Oktober.

dem 1 Stück recht gnädig von einem für den Verfasser, wie es schien,
sehr vortheilhaft zusammengesetzten Publikum ausgenommen,
das das die Gelegenheit, ein Wiedersehen zu feiern, nicht vorüber
lt den gehen lassen wollte. Baron liebt ein prächtiges, aber — reiches
Mädchen aus dem Volke; daß das Mädchen ihn wiederliebt, ist
Scheve¬
keine Frage. Baron hat all sein Geld verjubbt, zeigt aber in
3. No¬
der Nothlage erst recht, welch ein Baron
nach¬
einen fängt wahrhaftig an zu arbeiten und erwirbt Geld
urch und Mädchen. Des größeren Nachdrucks wegen wird das Thema
it an zwei Exemplaren abgewandelt. Die Lücken, die bei solcher
de Handlung immerhin noch entstehen können, werden durch den
rGegensatz von vornehm und gering, durch die alten Bourgeois¬
e Gentilhomme=Gespäßigkeiten ausgefüllt. Der Kachelofen=Töpfer¬
dt. meister im Salon oder seinem unverschämten Diener gegen¬
ntische über, das sind Gelegenheiten, mit Geist und Witz nur
ter an! zu sprühen. Das Stück erscheint ungewöhnlich matt. Selbst
wer bei dem „Weißen Rößl“ sich vortrefflich unterhalten hat, wird
scheint, daß das Schauspiel¬
mitkönnen.
Augen= hier
unseren Lustspielklassikern Blumenthal=Kadelburg
von 1h
mit der zweiten Garnitur begnügen muß,
und Pollux nur noch Max und Moritz lieben
ufführung war fast zu schade für solch ein Stück.
mm und Herr Thomas, ein bienerei
paar, Frl. Poppe und Frl. v. Mayburg, ein paat nbende
junge Damen, Herr Christians, der interessante Held, Herrn
Hartmanns Diener und Herrn Vollmers angejahrter Baron
e.
waren recht komisch. P. M—n.
atschen

Arthur Schnitzlers Schauspiel „Das Vermächtniß“,
esetzte das gestern abend erfolgreich im Deutschen Theater in
Szene ging, bietet in seinem ersten Akt eine Art Umkehr oder
igen
Ergänzung zu Maupassauts „Musotte“. Bei Maupassant
III.
stirbt die Geliebte, und der Liebhaber, der sich gerade mit
e er
ungs.
einer Anderen vermählen will, eilt an ihr Sterbelager und
it den
nimmt das überlebende Kind zu sich in sein neues Heim.
erste
et, wie Bei Schnitzler ist es der Liebhaber, der plötzlich um¬
Stheil= kommt (beim Rennen gestürzt), und nun müssen die Geliebte und
gisers,das Kind eine Aufnahme finden im Hause der Eltern des
m
beiden Dahingeschiedenen! Dieser erste Akt, in dem alles Menschliche mit
„ dem leiser und doch fester Hand angerührt und zum Klingen gebracht
einige
aß von wird, ist voller Schönheiten und wirklich das Werk eines Dichters.
Angesichts des Todes beginnen sonst getrennte Menschen einander
Königin
ad noch
er Aus= zu verstehen; Schranken, die für unübersteiglich gelten, fallen wie
von selbst; Natürlichkeit, Liebe durchdringen siegreich die Herzen.
Jahren
dauert
Es ist ein „Vermächtniß“ des Todten, daß seine ehrliche
Geliebte und sein uneheliches Kind ihr Dasein mit dem
der Eltern, der Schwester, der Freunde verknüpfen sollen.
Wie dieses Vermächtniß erfüllt wird, zeigen die beiden folgenden
dirt im
Akte. Sie stehen an dichterischem Werth bei weitem nicht auf
der Er¬
der Höhe des ersten. Weil der Stoff sich unergiebig zeigt, werden
ig Herr
auch ei
von außen Motive gehäuft, Kontraste aufgeblafen, Chargen aus
die bei
geführt; aber alle diese Bemühungen des Antors können nicht
Alo zu
3. sogar
verdecken, daß von nun ab theoretische Interessen im Vorder¬
um
grunde stehen, daß sich die Entwickelung um eine These
bende
dreht, die, mag sie auch schön und edel sein, doch
treiben.
Kraus
eben den erkältenden Hauch der These in sich trägt. Schnitzler
er nun
fordert, daß die nachgelassene Geliebte und ihr Kind
iß dies
„mit Liebe“ aufgenommen werden sollen. Er setzt dagegen
Hörer
in der
den lieblosen Verlauf, wie ihn die Wirklichkeit zu bringen pflegt.
Lied
Sehr bedeutend erleichtert er sich seine Sache, indem er auch das
m“
ater
Kind sterben läßt. Mit der Mutter, der unverehelichten Toni
bei
Weber, macht man dann selbstredend so viel Umstände nicht,
ällig
und mögen auch verschiedene Meinungen gegen einander stehen,
mitt¬
leicht
die Vernunft siegt doch über das Herz und der Dichter läßt durch¬
Stufe
blicken, daß dieser Ausgang der armen Toni das Leben kostet.