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10. Das Vernaechtnig
Telephon 12801.
• M
LRETEN SSAUHN
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I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
in Ausschnitt aus#t. vonne Leitung, W.
ILROHIDOSC Klene Aungabe)
vom:
Lustspieltheater. Zum Besten eines Mädchen¬
Unterstützungsheims wurde gestern hier Schnitzlers
Schauspiel „Das Vermächtnis“ aufgefaherdie
Tragödie der ledigen Mutter. Genau vor zehn Jahren
wurde das Werk im Burgtheater gegeben. Wahrscheinlich
zum Entsetzen aller Komtessen, denn im Grunde ist ja das
Ganze doch nichts anderes, als ein Plaidoyer für die freie Liebe.
Am Franzensring hielt Frau Hohenfels die Standrede für
das Menschliche, das Allermenschlichste. Hier verteidigte in
überzeugender Weise Fräulein Kamilla Gerzhofer —
einst auch ein Burgtheaterkind — das Recht der Allein¬
stehenden: Liebe um Liebe zu geben. Dort war es Kathi
Schratt, die für dieses Recht die rührendsten Beweise
erbrachte; hier gab sich Frau Niese dankenswerte Mühe,
uns für die gleiche Tendenz zu erwärmen. Ehrlich gesagt,
wäre uns die schwer vermißte Schratt noch lieber als
„Förster=Christel“ gewesen als Frau Niese in der Rolle der
ledigen Mutter. Diese hat gar so wenig Lediges an sich; alles
an ihr ist von einer so behaglichen Sotidität, von einer
derart rundlichen Frauenhaftigkeit, daß es einem schwer
fällt, dieser wohlgenährten Dame zu glauben, sie brachte
es je über sich, illegitim Mutier zu werden. Daran
krankte die gestrige Aufführung. Eine und die andere Rühr¬
szene während des Abends läßt man sich von der feschen Frau
Niese gern gefallen; sie aber den ganzen langen Winterabend
hindurch seufzen, stöhnen, schluchzen und jammern zu
hören, das wird am Ende ungemütlich. Bei alledem er¬
scheint es anerkennenswert von dieser genialen Künstlerin,
daß sie eine Rolle übernommen und vorzüglich gespielt
hat, in der sie ihr Bestes gewaltsam unterdrücken mußte,
den frischefrohen, das Herz erqnichetiden Humor.
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Telephon 12801.
eS
& M
10
G l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte
6
Wien, I., Concordiaplatz 4.
*
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Guellenangabe ehne Gewähr.)
*
i Ausschnitt aus:
Osterr. Volks Zeitung, Wiee
vom:
(f. MV 108
Lustspieltheater. Zum Besten eines Mädchen¬
Unterstützungsheims wurde gestern hier Schnitzlers
Schauspiel „Das Vermächtnis“ aufgeführt, die
Tragödie der ledigen Mutter. Genau vor zehn Jahren
wurde das Werk im Burgtheater gegeben. Wahrscheinlich
zum Entsetzen aller Komtessen, denn im Grunde ist ja das
Ganze doch nichts anderes, als ein Plaidoyer für die freie Liebe.
Am Franzensring hielt Frau Hohenfels die Standrede für
das Menschliche, das Allermenschlichste. Hier verteidigte in
überzeugender Weise Fräulein Kamilla Gerzhofer —
einst auch ein Burgtheaterkind — das Recht der Allein¬
stehenden: Liebe um Liebe zu geben. Dort war es Kathi
Schratt, die für dieses Recht die rührendsten Beweise
erbrachte; hier gab sich Frau Niese dankenswerte Mühe,
uns für die gleiche Tendenz zu erwärmen. Ehrlich gesagt,
wäre uns die schwer vermißte Schratt noch lieber als
„Förster=Christel“ gewesen als Frau Niese in der Rolle der
ledigen Mutter. Diese hat gar so wenig Lediges an sich; alles
an ihr ist von einer so behaglichen Solidität, von einer
derart rundlichen Frauenhaftigkeit, daß es einem schwer
fällt, dieser wohlgenährten Dame zu glauben, sie brachte
es je über sich, illegitim Mutter zu werden. Daran
krankte die gestrige Aufführung. Eine und die andere Rühr¬
szene während des Abends läßt man sich von der feschen Frau
Niese gern gefallen; sie aber den ganzen langen Winterabend:
hindurch seufzen, stöhnen, schluchzen und jammern zu
hören, das wird am Ende ungemütlich. Bei alledem er¬
scheint es anerkennenswert von dieser genialen Künstlerin,
daß sie eine Rolle übernommen und vorzüglich gespielt
hat, in der sie ihr Bestes gewaltsam unterdrücken mußte,
den frischen, frohen, das Herz erquickenden Humor. Auch
Herr Maran hatte in einer Rolle, in der
Hartmann seine feinkomische Art geltend
machen konnte, mit der großen Schwierigkeit
zu kämpfen, anders zu sein, als er es sonst zu unserem Ver¬
gnügen ist. Sehr brav spielten die Damen Lene Schöl¬
ler. Else Maltana und Rosa Neuwirth; auch die
Herren Kurt Lessen und Willi Vasco. Herr Forster
war ebenso starr und gerade so kalt, wie es die Grund¬
sätze sind, zu deren Versechter der Dichter ihn ausersehen
hatte. Er war weit grausamer, als es von ihm verlangt
wurde. Im ganzen und großen: „Das Vermächtnis“ -
weinende Erben!
A#I.