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10. Das Vernaechtnis
Telephon 12801.
1
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S l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
9
in Berlin, Budapest, Chicago, Christianla, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Ouslienangabe ehne Gewähr.)
i Ausschnitt aussy #l 1908
Neuigkeite Woltblatt. Wien
vom:
Anspiel= Theater. Am Samstag wurde
Literarischer Abend „Das Vermächtnis“, Schauspiel
in drei Akten von Artur Schnitzler. aufgeführt. Die
Handlung des Stückes, das ein Jahre alt ist,
bringt im ersten Akt den Tod eines jungen Mannes
aus vornehm bürgerlichem Hause. Er gesteht seiner
Mutter, daß er ein armes Mädchen liebt, das von ihm
ein Kind hat. Man möge nach seinem Tod beide ins
Haus nehmen und wie zur Familie gehörig behandeln.
Das geschieht, aber nun beginnt eine Leidensperiode
für die beiden Aufgenommenen und auch für die —
Zuhörer. Im zweiten Akt stirbt das Kind und im dritten
deutet die von der Familie ausgestoßene Mutter ihren
Selbstmord an.—
— Es ist nach dem Strafgesetz nicht
gestattet, die Todesstrafe zu verschärfen; unser Gefühl
verlangt, daß auch im Theater die Tragik nicht in der
Weise verschärft werde, wie es in diesem Stück der Fall
ist. Die Darstellung war vortrefflich. Frau Hansi Niese,
die die unglückliche Mutter gab, wirkte tief ergreifend.)
Herr Maran interpretierte einen in allen Farben##
schilernden scheinliberalen Abgeordneten in meisterhafter
Technik. Auch alle andern Darsteller verdienen volles Lob.
Die Generalversammlung des Kaiserjubiläums.
Stadttheater=Vereines findet Montag, den 23. d, M
um 5 Uhr nachmittags in der Volkshalle des neuen
Rathauses statt.
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4
O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
9 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewahr.
2
Ausschnitt aus:
530
Viener Leben
F vamdö. NOU. 1908
Lustspiel-Theater. In letzter Zeit —
also spät genug — werden an dieser oder
jener Bühne (das Burgtheater natürlich aus¬
genommen) wieder Werke aus Schnitzlers
erster Schaffensperiode aufgeführt.
erkennenswert dies ist, zeigte wieder eine
Aufführung des „Vermächtnis“ die wir
Jarno zu verdanken haben. Dieses Schau¬
spiel gehört allerdings nicht zu den besten
Werken des Dichters, der Grundgedanke,
welcher sich gegen die von der Gesellschaft
lügenhaft zwischen Moral und Unmoral ge¬
zogene Grenze wendet, erscheint uns heute
etwas verbraucht und der Gegensatz zwischen
dem Engherzig-Korrekten und der leuch¬
tenden Lebensfreude ist seither schon zu
oft dramatisch behandelt worden, aber den¬
noch wirkt das Stück noch immer durch
die Schärfe der Geisselhiebe, welche der
Dichter erbarmungslos auf die Gesellschaft
niedersausen lässt, durch die Feinheit des
Dialogs, die prächtigen Gestalten und durch
die Apotheose der Mutterliebe, welche sich
leuchtend von kleinlichen Vorurteilen ab¬
hebt. Diesmal war die Niese die Interpretin
dieser Idee. Sie gab die von der Mutterliebe
geadelte Gefallene vom Anfang bis zum
Ende ergreifend. Wenn sie mit tränen¬
schwerer Stimme von dem verlorenen Glück
erzählt, wenn sie, als man ihr die Türe
weist, warum? fragt und in dieser erstaunt¬
naiven Frage die ganze Wucht einer schweren
Anklage gipfelt und wenn ihr schliesslich
zum Schlusse der verklärende Schimmer
verheissender Todeshoffnung vom Antlitz
leuchtet, so sind dies Augenblicke von einer
Tragik, deren Wirkung sich wohl niemand
entziehen kann. Mit ihr teilte sich Herr
Maran, der mit dem Schwätzer Losatti eine
prächtige Charakterfigur auf die Bühne
stellte, in die Ehren des Abends. Leider
sprach er nicht immer deutlich genug. Herr
Lessen fiel in der Episodenrolle des Arztes
durch sein feines, diskretes, natürliches
Spiel äusserst angenehm auf. Herr Vasco
wirkte in der Sterbeszene ergreifend, Herr
Forster gab den Dr. Schmidt etwas zu
schablonenhaft und Frau Maltana war vor¬
nehm in Spiel und Haltung. Einige Damen
sind allerdings, wenn auch nicht talentlos,
so doch noch etwas elevenhaft, technisch
unfertig.
E. D.