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ruene Kakadu
9.3. Der
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—. und ihre
zmen. auch der neue, bereits geplante
von orei Monaten ist vorläufig abgesagt worden. Es ist
anzunehmen, daß die Aussicht auf ein Disziplinarverfahren, mit
dem die vorgesetzten Schulbehörden den Lehrern gedroht haben.
zu deren Entschluß wesentlich beigetragen hat.
Deutsche-Tageszeitung, Bet
„Fräulein Julie“ und „Der grüne Kakadu“
(Lessing=Theater.)
Strindbergs frühes Trauerspiel, der johannissachtif.
schwüle Einakter, der auch eine Abrechnung ist zwischen Mann
und Weib, eine, in der es wie von Peitschenhieben jaust, wurde
gestern beinahe in jener Vollendung gespielt, die diese „natura¬
listische" Studie verlangt. Tilla Durieug war als herrisches
Fräulein Julie konventioneller, als man erwarten durfte, fand
sich aber als geduckte Domestitendirne besser in der Wirklichkeit
zurecht; doch war sie in den Augenblicken tiefster Erniedrigung
und Verzweiflung nicht ganz frei von sentimentaler Theatralik.
Ihr stand Eugen Klöpfer als glatte, verschmitzt=pfiffige und
zielbewußte Lakaienseele gegenüber: kernfaul und doch Mensch
mit gesundem Instinkt; ein Kerl, der schon mit dem bloßen Zucken
der Mundwinkel sein wahres Wesen enthüllt. Setzen wir auf
Eugen Klopfer große Hoffnungen, er wird nicht enttäuschen.
Wundervoll war die Köchin Christine der Ilka Grüning;
sie war das leibhaftige Standesbewußtsein ihrer Schicht, das
Weib mit dem derben Wirklichkeitssinn. — Nach Sirindbergs auf¬
wühlendem Trauerspiel war die glitzernde Revolutionsgroteske
Arthur Schnitzlers eine angenehme Entspannung. Hei,
wie ging das tüstiß zusider Spelunke „Der grüne Katadu“, wo
der ehrenwerte Maulheld Bürger Prospere das Wort führt!
Prospère ist wahrlich ein tüchtiger Wirt und nicht umsonst
Theaterdirektor gewesen; er weiß, wie er sein Publikum, die über¬
lebten, nach seltsamen Genüssen verlangenden Herrenmenschen bei
guter Laune hält: seine Schauspieler spielen menschliches Elend,
menschliche Verworfenheit, und er selber benutzt seine „Immu¬
nität“ als Pariser Original gehörig, den hochnoblen Herren von
Paris allerlei Liebenswürdigkeiten zu sagen. Und doch ist dieser
Prospère, der die „Frechheit“ immer im Munde führt, wenn er
gesichert ist der wunderechte Prototyp all jener Drahtzieher, die,
seige von Natur, doch an ihr eigenes Heldentum glauben, sobald
die Geschichte einigermaßen günstig ausläuft. Schnitzlers famoser
Einakter ist eine feine Satire, die wahrlich nicht, wie gestern,
unzufriedenes Zischen (das ein paar Leutchen für notwendig
hielten) verdient. Der Akt wurde teilweise blendend gespielt.
Victor Barnowsky hatte Zug hineingebracht. Hanns
[Fischers Prospère war ja reichlich behäbig, indessen paßte das
für den freiheitsdünstigen „Bürger“ ganz gut. Den leidenschaft¬
lichen Helden Henri, der von der Rolle zur Wirklichkeit über¬
springt, vom Komödianten zum Herzogsmörder, gab Konrad
Veidt mit schillerischem Pathos und verzehrendem Feuer. Als
ahnungsloser Engel Albin zeigte Martin Gien entzückende
Naivität. Dagny Servaes konnte als Leocadia ihre ganze
schauspielerische Grazie herausstellen, während Tilla Durieux
(Séverine) sich etwas unvorteilhaft pomphasi benahm, was einen
Dichter Rolliu (Josef Rehberger) eigentlich nicht hätte
reizen sollen. Fritz Delius (Emilie), Julius Herr¬
mann (Marquis) schmiegten sich in den Nahmen, der im
übrigen ein so lebendiges Bild bot, daß ein paar kleine Pariser
Grisetten recht verführerisch ihre Reize zur Schau trugen. Alles
in allem: ein Abend, der sehenswert ist.
Hugo Kubsch.

Deuch und Veriag: „Deuische Togeszeitung" Akllengesellschaft. Berlin.
Hauptschriftleitung: Daus Baecket.
Verantwortlich für den tanerpolktischen Tell: Wisbeim Tcheimann; für
Ausland. Heer und Flotie: Gras C. Neventlow; für Handel: Olto Flick;
für den unterhallenden Tetl, Wissenschaft, Kunst: Richard Nordhausen:
für den öetlichen und provinziellen Teil: Ernst Schacht:
für Anzeigen:
Walter Borstendorff, sämllich in Berlin.
Hierzu 3 Beilagen.
###n noch zahlreiche
und Wincmünsche. Der Dekan der philo¬
sopyischen Fakultät der Universität Bonn überbrachte in seiner
Begrüßung dem Atedemiedirektor Dr. Fritz Roeber die
Mitteilung, daß die Fakultät ihn zum Ehrendoktor er¬
nannt habe.
Lessingthecter. 2
„Fräulein Julie.“
Als Strindbergs „Nach Damaskus“ im Lessingtheater
gsgeben wurde, schrieb ich, daß es die fragmentarische Arbeit
eines fragmentarischen Genies sei. Man nahm ergriffen die
dunkle Schönheit auf, die hier und da zum Durchbruch kam
und beugte sich gern vor der Ehrwürdigkeit des tiefen Lei¬
dens, das hinter der erschütternden Szenenfolge lag. Man
spürte aber auch, daß die Phantasie des Dichters ins
Fiebern geraten war und wurde von Unheimlichen Delirien
erschreckt. Ohne mein Urteil anderen aufdrängen zu wallen,
scheint mir in Strindbergs dramatischem Schaffen überhaupt
ein fragmentarischer Zug vorhanden zu sein. Auch in den
anüfemininen Arbeiten seiner ersten Periode beleuchtet er
mehr eine Seite des Problems, als daß er das ganze
Problem in seinem vollen Umfang zur Erscheinung bruchte.
Es ist diese Einseitigkeit, die seiner Auffassung des Welbes
etwas Ueberreiztes und Haßersülltes, gelegentlich sogar etwas
Krankhaftes gibt. Man bewundert im einen Augenblick die
unerbittliche Schärfe seiner Beobachtung und empfindet im
nächsten mit einem gelinden Schauder, daß er von bestimm¬
ten Ideen nicht sowohl beseelt, als besessen ist. Er spielt so¬
zusagen nur auf einer Saite und streicht diese gelegentlich
mit einer so verbissenen Wut, daß man vorübergehend den
unheimlichen Fanatismus des Manomanen zu spüren
glaubt.
„Fräulein Julie“ die wir gestern im Lessing¬
theater sahen, zeigt den fragmentarlschen Zug ihres Dichters
sowohl in der Philosophie, wie in der Gestaltung. Neben
lebensechten Zügen der Menschenschüderung stehen andere,
die psychologisch ganz unmöglich sind und nur eine lehrhafte
Absicht erläutern sollen. Neben unbewußten feelischen Offen¬
barungen kommen Fälle vor, in denen die Personen ledig¬
lich aussprechen, was wir nach der theoretischen Meinung
des Dichters von ihnen zu halten haben. Die gestaltende
Kraft des naiven Künstlers wird fortgesetzt von einem
doktrinären Literaten durchkreuzt, der bestimmte Gebanken
unter die Leute bringen möchte. Und wie steht es mit dem
philosophischen Inhalt? Der Kampf einer Aristo¬
kratin, in der ein Hang nach unten steckt, mit einem Kammer¬
diener, der über einen robusten Willen zur Macht verfügt,
ist so breit und ausführlich geschildert, daß man in ihm not¬
gedrungen das eigentliche Problem des Stückes erbüicken
muß. Dann erfährt man aber, daß die Aristokratin im
Grunde gar keine ist, daß ihre Mutter nicht nur von unten
kam, sondern überdies mit verbrecherischen Reigungen be¬
lastet war, und der soziale Einschlag, der zunächst so be¬
deutungsvoll erschien, verflüchtigt sich ins Wesenlose. Man
hat sich eine geraume Zeit in ein Problem hineingedacht,
dessen Voraussetzungen plötzlich vom Dichter selber auf¬
gehoben werden, und schließlich bleibt nur der Sündenfall
eines entarteten Geschöpfs übrig, dem keine typische Geltung
zukommt, der aber vom Dichter mit allerhand interessanten
sozialen Streiflichtern übergossen wird. Wer überhaupt
denkt, wird das Theater mit einem Gefühl der Unklarheit
verlassen, die erotischen Stimmungen vor und nach dem
Sündenfall aber sind mit so eindringlicher Krakt geschildert,
daß man trotz allem von dem sonderbaren Einzelschicksal ge¬
packt wird. Da auch der „Grüne Kakadu von Schn
ler, der den Beschluß bildete, zu den interessanteren genc
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gen dir modernen jüdischen Literatur zählt, kann der ganze
6
Abend selbst anspruchsvollen Besuchern mit gutem Gewissen
=
empfohlen werden.
Gespielt wurde im allgemeinen gut. Nur Frau
Durieux entfaltete gelegentlich eine so starke Leidenschaft¬
lichkeit, daß der Text in ihrer Ergriffenheit unterging.
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Erich Schleikjer.
*
„Aus dem Kunstleben“ siehe erste Beilage.
Teuma Reimrich Kispier.
Berantwortlich füir Polinl: Srich Schwarzer, für Unpolitischen Tagesberich:

und Reichshauptstadi: Bernhard Ssch, für Kin stleben: Dr. Guslav Mank.
für Handel: Alfred Schütte für den Anzeigenteil: Bremo Ollech.
Sämtlich in Berlin. Verlag der Täglichen Kundschau. G. m. v. H. Berlis —
Druck von Bempei & Co. B. #####. in Berlin.
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