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ruene Kakadu
box 15/4
9. 3. Der Bdeneaandan
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greifend, sondern geradezu erschütternd wirkt.
glaubten und an die Menschen, sie zu bessern und ] Gesellschaft, den Trug des Herkommens. Die Ge¬
Herr Robin Robert konnte gestern bereits
sellschaft ist der Repräsentant des Kompromisses,
zu bekehren, da haben wir wohl gesungen und
ein Verdienst beanspruchen, bevor er die Bühne
der halben Wahrheit. Ueber sie und ihre In¬
gesagt von dem erbärmlichen Wicht, der die
betrat: daß er künstlerischen Geschmach und per¬
stitutionen schüttet Ibsen, wie in fast allen Dramen,
Wahrheit kenne und sie nicht sage und künde!
sönlich-ideellen Mut bewiesen hatte, dieses
so auch im „Volksfeind“, die Schale seines
Aber als wir älter wurden und erfahrener, und
Drama zu seiner Benefizvorstellung zu erwählen.
Zornes aus. „Wenn ich nur wüßte, wo man
die Menschen mit nüchternem Blick betrachteten
Er hätte mit „Husarenfieber“ mühelos ein aus¬
einen Urwald oder eine kleine Südsee - Insel
und die Welt, da wurde es uns bald klar, daß es
verkauftes Haus erzielt; als Künstler verschmähte
um einen billigen Preis haben könnte!“
gar nichts Schwereres gibt, als die Wahrheit zu
er diese billige Konzession. Zeigte er sich in dieser
ruft Stockmann zuletzt voller Bitterkeit aus.
sehen und zu bekennen, auch da, wo man sie
Beziehung als Idealist, so bewies seine Dar¬
Ein Mann wie er hätte alle Selbstachtung,
nicht hören will. Und schließlich — wer will sie
stellung des Stockmann aufs neue, was ich schon
ja jedes Anstandsgefühl verlieren müssen, wenn
hören, ja, wer kann sie hören? Wer ist stark
einmal von ihm gesagt habe: daß er in erster
er hier mit der Menge paktiert hätte. Die
I und groß genug, sie zu vernehmen, wo ihre For¬
Reihe denkender Künstler ist. Ja, sein geistiges
Kollision ist hier nicht, wie so oft oberflächlich
derung mit seinem Vorteil. seiner Bequemlich¬
Erfassen, sein Durchdringen einer Rolle steht
behauptet wird, speziell theoretisch oder politisch,
keit, seiner Eitelkeit in Konflikt kommt? „Kreu¬
noch höher als seine Gestaltungskraft. Es ist das
sie ist, wie Anathon Kall, wohl der neueste
die urewige Ant¬
zige, kreuzige!“, das
Apriorische und Eigenartige dieses Schau¬
Ibsenbiograph, es richtig erkannt hat, allgemein
wort für alle Wahrheitskünder, alle Wahr¬
spielers. Man höre seine Erzählung von den
ethisch. Die Gesellschaft, das Gemeinwesen ist es,
heitsforderer.
drei Ringen im „Nathan“ man lausche ihm,
das dem persönlichen Moralbewußtsein, der per¬
Steinigen wollen sie auch Stockmann, den
wie er gestern die große herrliche, von einer
sönlichen Wahrheitsliebe überall Hemmnisse in
Wahrheitsfanatiker. Der Arme leidet an einem
Wahrheitstiefe sondergleichen erfüllte Rede an
den Weg legt. Stockmann ist revolutionärer
todbringenden Wahn: Wahr und frei und ohne
die Bürgerversammlung hielt, stets wird man
Aristokrat, welcher einer blinden Mehrheit
feige Kompromisse will er durch diese Welt der
die Empfindung haben: dieser Mann spielt, ge¬
in allen Fragen die
das Recht abspricht,
Kompromisse schreiten. Wer das könnte! Wer
staltet nicht nur — er denkt! Und das verlange
Autorität zu repräsentieren. „Die Minorität
nicht überall und in jeder Lage zu Kompromissen
ich von einem Schauspieler, der in die uner¬
hat immer recht“, sagt er. Deshalb fallen
gezwungen wäre, die sein Herz verwirft! Stock¬
gründliche Gedankenwelt eines Shakespeate,
sie alle über ihn her, am wütendsten die
manns Losung heißt wie die Brands und so man¬
Lessing, Goethe, Ibsen hineinsteigt, daß er
Liberalen, die sehr schlecht im Stücke fortkom¬
cher Ibsenschen Helden: Alles oder nichts!
bildeter, denkender Künstler ist. In dieser Be¬
men. Und mehr noch als die Minorität ist der
Seine eigenen Wege gehen, wie mancher möchte
ziehung schon begrüße ich es mit Freude, daß die¬
einzelne im Recht, der gegen die anderen um
es! Aber da kommt wie ein „Volksfeind“, der
ser Schauspieler unserem hoffentlich zu einem
die Wahrheit kämpft, der immer auf dem Dor¬
Herr Bürgermeister und belehrt uns, daß das in
literarischen Aufschwunge bestimmten Theater
posten der Menschheit stehi, der sein Herzensblut
einer wohlgeordneten Gesellschaft unstatthaft sei.
für die nächste Zeit erhalten bleibt;
hergibt, um mit verrotteten Wahrheiten aufzu¬
„Der Einzelne muß sich durchaus dem Ganzen
sein künstlerischer Geist und sein nicht rastender
räumen, Kulturschöpfer und Kulturträger zu
unterordnen oder, besser gesagt, den Behörden,
Eifer lassen schöne Hoffnungen aufsteigen. Durch¬
sein. So nimmt Stockmann als einzelner den
die über das Gemeinwohl zu wachen haben.“
aus richtig hatte er gestern seinen Stockmann an¬
Kampf auf mit dieser Gesellschaft dieser Stadt
Und unter dieser alltäglichen Weisheit und ihrem
gelegt: sonnig-heiter, an die Güte und den Wahr¬
der Rechenschaft, des liberalen Geistes, des ver¬
ledernen Zwang verbluten die Eigenen, die
heitsdrang der Menschen glaubend, als idealisti¬
träglichen Sinnes, der moralischen Biederkeit, die
Adelsmenschen! Und die Lüge siegt. Und wer
schen Nachtwandler, der vor Freude über die
im tiefen Grunde nichts als Morast ist und Un¬
rettende Entdeckung der Badvergiftung nicht ein¬
die Macht hat, triumphiert.
rat und Heuchelei und Trug. Und wenn er zu¬
mal ahnt welche furchtbaren Konsequenzen
Der „Dolksfeind“ ist, wie alle Dramen Ibsens,
letzt ganz einsam dasteht, „der ist der stärkste
für seine Vaterstadt, für ihn selber diese Ent¬
voller Symbolik. Das Gift, das in das Bad
Mann in der Welt, der allein dasteht.“ Ihn bin¬
deckung heraufbeschwören muß. Sein sonniger
dringt, und das die kluge Gesellschaft nicht sehen
den keine Programm mehr und Verpflichtun¬
Idealismus hatte etwas Verträumtes, sein
will, ist die Lüge, die jedes Gemeinwesen ver¬
gen, die Rücksichten ud feige Kompromisse auf¬
Glaube an die Menschen hätte töricht heißen
giftet. Wer diese Symbolik bezweifelt, der lese
erlegen. Die selbständige freie Persönlichkeit
können, wäre er nicht so kindlich gewesen. Oft
aufmerksam die große Rede, die Stockmann den
des einzelnen gegen den Egoismus und
hätte ich noch mehr Ruhe in Wort und Gebärde.
versammelten Bürgern hielt. Dieser Stockmann,
die Unwahrhaftigkeit der Gesellschaft, das
welcher der Wahrheit zum Siege verhelfen will,
ist das Problem dieses Dramas, das noch mehr Zurückhaltung, die Lichter noch dis¬
geht den dornenvollen Leidensweg aller derer,
1 deren Seele sich aufbäumt gegen die Heuchler der nicht, nur interessant, nicht nur er= kreter aufgesetzt, mehr noch übrig lassend. ia