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9 4. per Bruche Kakadu—Zukrus
verenenenteren
renummm
schen Grund hätte der rohe phosiologische widert uns als die interessantere Persönlichkeit, sondern als der
eine treulose Gattin werde wenigstens dem
an das sträftiche Verhältniß zwischen seiner Frau und typische Repräsentant eines Standes, der sich an
Freunde und Collegen gewesen sein, was sie ihm
einem höheren rächt. Die Lust des Stückes ist mit
seinem Assistenten, einem Beistand in des Wortes ver¬
te werden können: die Gefährtin. Gewesen —
Miasmen geschwängert und mit Elektricität überladen,
wegenster Bedeutung, zu dulden, und wenn er selbst insosern
ofessor Eveline Pilgram ist nicht mehr. Das
sie zittert unter der ungeheuren Spannung, die auf den
bei dem unsauberen Handel engagirt wäre, daß er die
ielt am Abend ihres Begrübnißtages im Land¬
Gemüthern lastet. Ein zweiter „toller Tag“ verkündigt
liebende Gefährtin, die verständnißvolle Freundin seiner
s trauernden Gatten, eine Stunde von Wien.
den blutigen Abend vom 14. Juli 1789; in der schwülen
wissenschaftlichen Bestiebungen, die er in Eveline nicht
s Bischen angenehme Täuschung wird dem
Atmosphäre der Kneipe „zum grünen Kakadu“ bereitet
fand, in Olga gesunden zu haben glaubte, dann würden
chen geraubt. Er weiß nur die halbe Wahr¬
sich der Sturm auf die Bastille vor. Die entartete vor¬
wir ihn begreisen, und dann bestände auch der Titel des
erfährt von seiner Nachbarin Olga Merholm
nehme Gesellschaft des damaligen Frankreich begehrte den
Stückes zu Recht. So aber sind wir empört über den
hiem aus Scheveningen herbeigeeilten Assistenten
Kitzel für ihre abgestumpften Sinne, die Erregung ihrer
Brand die ganze: Eveline war nichts Speculanten, der das junge Mädchen für zwei Jahre des
erschlafften Nerven, die Befriedigung ihrer entarteten
ls die Maitresse des Freundes, nicht einmal seine! Glückes, das heißt des Sinnenrausches, geheiratet hat,
Gelüste um jeden Preis; sie bezahlte ihre Zerstreuungen
; sie wußte davon, daß er sich mit einem jungen, und wir lachen den alten Narren aus, der so sein zwischen
mit ihrer ererbten Würde und stieg aus ihren goldenen
verloben wollte und hatte nichts dagegen ein= der Geliebten und Gefährtin unterscheidet, und verachten
Palästen gar in die unsaubersten Spelunken und Laster¬
fn. Zu viel für den Gekränkten, der immer ver= den Sophisten, der den Ehebruch des Freundes verdammt,
höhlen hinab, um sich mit verkommenem Gesindel zu
weil dieser ihn aus fleischlicher Begierde begangen hat,
rwartet hatte, Eveline und Alfred würden sich
amusiren. Der ehemalige Theaterdirector Prospère hält
während er ihn noch weiter stillschweigend gut geheißen
ecken, zu viel für den Großmüthigen, der seine
sein Local und seine Bande für die extravaganten Be¬
hätte, wenn er ihn aus Liebe oder Forschungseifer be¬
tte frei geben wollen, um sie mii Alfred zu ver¬
dürfnisse einer hohen Aristokratie bereit. Seine Specialität
gangen haben würde. Wie klug von Herrn Sonnenthal,
Zu viel aber auch für den Zuschauer, der dem
ist die echt romantische Vermengung von Schein und
uns das cynische Lächeln des Befreiten zu unterschlagen,
in die Karten sieht, ohne sich von der vornehmen
Wesen, Lüge und Wahrheit; er gibt ein Theater ohne
mit dem er sein nächtliches Lager aufsucht!
en Kunst gefangen nehmen zu lassen, mit der
Apparat, auf welchem Jeder nach Belieben agirt, aus
Auf den robnsten Wasseuschmied der Renaissancezeit
Konnenthal den wunderlichsten aller Ehemänner
dem Stegreise spielt, was ihm gerade einfällt, und das
und den zartbesaiteten Physiologen der Gegenwart folgt
Frau Eveline erhebe Dich von den Todten und
blasirte Publicum foppt, je schamloser, frecher und grauen.
der liederliche Lump der französischen Revolution als das
Die uns vom Dichter eröffnete Aussicht auf den
hafter, desto besser. An diesem historischen Beispiele kann,
dritte tragikomische Subject der Schnitzler'schen Trilogie.
.wo ihr Cadaver eingescharrt liegt, genügt uns nicht.
nebenbei bemerkt, mit Nutzen studirt werden, wie zu allen
Die Stände sind gut gewählt. In jedem der beiden ersten
gt dafür, daß die gegen sie auftretenden Zeugen
Zeiten des sittlichen und künstlerischen Verfalles, die
Stücke besorgt der Zufall die beabsichtigte Zerstörung der
rheit ausse? Alfred will eine Andere heiraten
beide Hand in Hand gehen, die mehr oder weniger ver¬
Illusion. Nicht ohne Grund sind wir gewohnt, diesen
ißt gern die Schwüre, mit denen er die Verstorbene
schämte Vorliebe für die naturalistische Steigerung
lustigen Rath und Kammerdiener des Schicksals als die
in gutem Glauven verführte. Olga, die, wie wir
der Illusion bis zum Ueberschnappen in die Un¬
bewegende Seele des Scherzspieles zu betrachten. Beide
unglücklicher Ehe lebt, macht sich ebenfalls ver¬
natur ihre Orgien feiert. Es genügt nicht mehr,
Schauspiele sind denn auch die ernsten Schlußacte ver¬
sie liebt den Professor trotz seiner grauen Haare.
neugierig hinter die Coulissen zu sehen, sondern
kappter Komödien. Sein drittes Stück hat der Dichter
iebt sie ihn nicht? Der Dichter behandelt
man will die Kunst beobachten, wie sie aus der Natur
eine Groteske genannt, in offenbarer Verlegenheit, wie er
itzlichen Punkt mit ausgesuchter Delicatesse,
hervor= oder in diese wiederzurückgeht. Taschendiebe,
das kühne Werk seiner Phautasie zutreffend bezeichnen
er den Weibern sonst nicht eh zart entgegen
Säufer, Einbrecher, Brandstifter, Räuber, Mörder, Dirnen
ich eine todte Frau ist imm.ch eine Frau. sollte, das hinter seiner tollen Ausgelassenheit den sittlichen
und deren Zuhälter, die Ideale unserer süßen „Moderne“,
he von Goethe's „Wahlverwannschaften“, die Ernst der bittersten Satire verbirgt. Der Harlelin, der
sind die Chargen der Prospére'schen Bande, und es erhöht
ärter an die Pilgram'sche Sommerwohnung die Pritsche mit dem Dolche vertauscht, ist seit „Tabarin“
den Reiz ihrer wüsten Improvisationen, daß sie zum
als der Ortsfriedhof mit seinen Grabsteinen und und den „Pagliacei“ eine wohl aecreditirte Figur der
mochte ihm unbehaglich sein — diese Todten modernen Bühne. Schnitzler's „Grüner Kakadu“ übey=! Theil wirklich sind, was sie vorstellen. Ihr erster Held und
mer wieder auf Wenn der Professor einen psychi¬ flügelt seine Vorgänger beiweitem, und er thut dies nict Charakterdarsteller ist der aloriose Heuri, der auf seine.
älteren Tage den verrückten ernsthaften Einfall hat, sich?¬
als frommer Ackerbauer aufs Land zurückzuziehen mit 7
seiner angebeteten Léocadie. Sie, die allgemeine Schönheit#
von ganz Paris, ist seit gestern seine Frau. „Nun findg
wir durch ein heiliges Sacrament vereinigt. Das ist mehr,
als menschliche Schwüre sind. Jetzt ist Gott über uns,
man darf Alles vergessen, was vorher geschehen ist.
Léocadie, eine neue Zeit bricht an. Leocadie, Alles wird
heilig, unsere Küsse, so wild sie sein mögen, sind von nun
an heilig . . . ich will mit dir allein sein, nur so können
wir Alles vergessen. Aber dann werden wir glücklich sein,
wie nie Menschen gewesen sind. Wir werden Kinder
haben, Du wirst eine gute Mutter werden, Leocadie,
und ein braves Weib. Alles, Alles wird aus¬
gelöscht sein.“ Zum letzten Male tritt die gereinigte
Léocadie in der Porte St. Martin auf, und zum
letzten Male spielt der glückliche Heuri an demselben
Abende seine großartigste Sceue, die er sich eigens dafür
zurechtlegte. Er stellt den eifersüchtigen Gatten vor, der
den Liebhaber seiner Frau umgebracht hat, und er nenut,
da er unter Hunderten wählen kann, aufs Gerathewohl
den Herzog von Cadignan als das Object seiner Rache.
Zufälligerweise ist nun gerade der Herzog am Mittage
des heiligen Tages mit Leocadie gesehen worden, und bei
dem natürlichen Spiel Henri's glauben die entsetzten
Zuschauer, die Wahrheit von ihm zu hören. Ihren
Aeußerungen entnimmt Heuri, daß er am Tage seiner
Hochzeit von Leocadie betrogen worden ist, und ersticht den ##
ahnungslos eintretenden Herzog, während das Volk herein¬
stürmt und unter Jubelrufen den Fall der Bastille
verkündigt. Das Alles hat dank der genialen Conception #
des Dichters das Ansehen eines unheimlichen, gespenster¬
haften, lustigtollen Traumes, der in einer Reihe eindrucks¬
voller mit kräftiger Realistik gemalter Bilder an unss
vorüberslattert. Auf dem Gipfel ihrer Kunst, in der
grandiosen Schlußseene, begegnen einander der Dichtel
und sein größter Darsteller — Sonnenthal.
Max Kalbeck.