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9. 4. Der gruene Kakadu Zyklus
K
miert
S
das erste Mal, um ihr im Schlafzustand den Wahn einzu#lcelsus“. Viell
zitternden Stimmungen weiß er so duftig und zart in
flüstern, sie habe ihrem gestrengen Eheherrn mit einem Kontraft der be
Worte zu verkörpern, daß wir ihm unsere Bewunderung
galanten Junker die Treue gebrochen; das zweite Mal, da- hier ergeht, zi
Ein Schnitzler=Abend im Residenztheater.
nicht versagen können.
mit sie einmal ihrem Gemahl die volle Wahrheit sage — Holzschnittmar
Ein alter Professor, der um die Untreue seiner viel
die Wahrheit, daß sie einst Paracelsus heiß geliebt, jetzt gute Portion #
„Die Gefährtin“ — „Paracelsus“ — „Der
z. B. Herrn ##
jüngeren Gattin gewußt, aber als weiser Lebenskenner
aber in ihrer ruhigen Ehe mit Meister Cyprian recht glück¬
grüne Kakadu“. 11
ganz und gar
großmüthig dazu geschwiegen hat, erfährt nach dem Tode
lich sei. So rächt sich der edle Wunderdoktor an dem Zunft¬
ihn beim
* Die Wienek Dichtung ist ein ganz sonderbares Misch¬
seiner Frau, daß auch diese neue Liebe für beide Betheiligten
meister, der in seinem nüchternen Sinn den Werth des
Bombastus
nur eine flüchtige Spielerei gewesen ist. Was bleibt ihm
gewächs. Sie gleicht einem verschnittenen Landwein, dem
Wahns und des Augenblicks nicht begreifen will.
der den protzig
übrig, als nach einem letzten Seufzer über seine Selbst¬
beides zusammen, die fremde Traube, die ihm beigekeltert
„Es fließen ineinander Traum und Wachen,
teristisch gab,
täuschung die Unwürdige zu vergessen? Vielleicht hätte
ist, und der Erdgeruch des mütterlichen Bodens den eigen¬
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends.
tonte jedes W
ein anderer Dichter diesen einfachen Stoff zu einer er¬
thümlichen prickelnden Reiz gibt. Jeder, der solchen Trunk
Wir wissen nichts von Andern, nichts von uns.
aus dem Mun
schütternden Tragödie gestaltet. Schnitzler begnügt sich
schlürft, spürt etwas Aehnliches heraus, aber nur der
Wir spielen immer; wer es weiß, ist klug.“
glücklichen T#
mit einer gedämpften Plauderei zur Dämmerstunde. Aber
Kenner weiß ihn richtig zu würdigen und zu rubriziren.
legene genialg
das Halbdunkel, das über den Seelen der drei Menschen
Das ist in kurzen Worten die etwas wohlfeile Lebens¬
Im vergangenen Winter hat Hermann Bahr, der wandel¬
dern mit verb
liegt, die sich hier, am Abend nach dem Begräbniß der
philosophie, die uns der Dichter in dem leichten Versspiele
bare Protens der Moderne, der Halbfranzose von der
stützten ihn F
Frau, zum ersten Male offen aussprechen, ist mit all seinen
mit viel Behagen vorträgt. Doch ist der in Haus Sachs¬
Donau, der seit anderthalb Jahrzehnten alle literarischen
Hypnose präg
schwankenden Lichtern und Schatten so meisterhaft gemalt,
scher Holzschnittmanier gehaltene Einalter so sehr er
Moden von Paris, Berlin und Wien verständnißinnig
die den Schre
daß Niemand sich dem Banne dieser Dämmerstimmung
feinere Charakterisirungskunst vermissen läßt, so geschickt
mitmacht und sich stets geschmackvoll nach der neuesten
Ausdruck br
entziehen kann, und die innexe Handlung, die sich
aufgebaut, daß sich der Zuschauer den etwas grobkörnigen
zu kleiden weiß, hier in München, wie in anderen
so war es
ganz in der Seele des Professors Pilgram abspielt,
Humor gerne gefallen läßt. Ja, er wirkt auf der Bühne
Städten Deutschlands viel Geistreiches und Witziges
nach beiden
die ailmälige Enthüllung der ganzen traurigen Wahr¬
vor einem größerem Publikum, wie der gestrige Abend
über die neue Wiener Kunst geplaudert; aber so viel wir
die Darstel
zeigte, noch stärker als die dustige Stimmungsmalerei der
heit, ist so wahr und so einfach dargestellt, daß
auch vom Café Grünsteiger, von Orchideen und Kravatten,
Was war a
wir die ganze Vergangenheit, die doch blos als Er¬
„Gefährtin“ mit ihrem keuschen Verzicht auf jeden
von Schnitzler, Peter Altenberg und Hugo v. Hoffmanns¬
mit dem au
innerung an uns vorüberzieht, thatsächlich mit dem alten
äußerlichen Theatereffekt. Freilich ist ihm nicht nur darin,
thal hörten, so wenig wußten wir nach wie vor, was wir
nommen w#
Manne miterleben. Wer das Geheimniß moderner
ondern auch an innerer dramatischer Wucht „Der
uns denn eigentlich unter dem spezifisch Wienerischen dieser
nicht nur die
dramatischer Dichtung belauschen will, der sehe sich einmal
grüne Kakadu“, der den Abend beschloß, bedeutend
Dichter zu denken hätten. War Bahr sich selbst darüber
Sapits wie
Schnitzlers „Gefährtin“ an! Auf der Bühne drei Per¬
überlegen. Was ich gelegentlich der letzten Aufführung der
untlar? Ich glaube kaum. Aber sein Lokalpatriotismus
Intendanz
sonen in bald gedämpftem, bald heftig erregtem Zwie¬
literarischen Gesellschaft über diese Schnitzler'sche Groteske
verbot ihm, das Ding beim rechten Namen zu nennen.
dem „Wei
gespräch, ein bischen Dämmerlicht im Zimmer, ein Aus¬
sagte, hat für mich wenigstens gestern seine Bestätigung
Wien ist das deutsche Capna. Die wollüstige Luft, die
ungen zu
blick auf den Garten vor dem Hause, auf das frische Grab
gefunden: theatralisch ein Meisterstück geschickter Mache,
über der Donaustadt zittert, macht schlaff und müde. Wenn
an Stelle de
der verstorbenen Frau — das ist der ganze Bühnenzauber.
rein künstlerisch genommen ein schöner Blender, jeden¬
ich an Wien dente oder einen Wiener Dichter lese, geht mir
eingesprung
Und trotzdem zwingt uns der Dichter, zumal wenn er von
falls aber eine erfreuliche Bereicherung unseres Theater¬
stets der Tingeltangelreim durch den Kopf:
zu spielen.
einem so seinfühligen Regisseur, wie Meister Savits,
O du mei' Weanerstadt,
repertoirs.
unterstützt wird, in der kurzen Frist einer halben Stunde
Die gestrige Aufführung der drei Einakter bewies auf's denen die?
Die solche Herzen hat,
ein ganzes, an Glück, Entsagung und bitterer Enttäuschung
Neue, daß das Personal unserer Hofbühne unter guter aller Anerke
Du bleibst in Ewigkeit
unseres Hoft
reiches Menschenleben durchzukosten!
Mei' Stolz, mei' Freud'!
Regie den modernen Stil der Menschendarstellung sehr
Schauspiels
Berglichen mit der „Gefährtin“ (der Titel besagt, wielucus
vohl zu treffen weiß. Das gilt insbesondere von der
Man glaube nicht, das sei nur ein loser Scherz. Nein,
anon lucendo, daß Pilgrams Frau eben nur dessen gesetz¬
Darstellung der „Gefährtin“, die Herr Savits so fein ab¬
etwas von dieser Gefühlsduselei, die sich mit ein paarwohl¬
lich angetraute Frau, aber nicht dessen Lebensgefährtin
getönt hatte, daß es für den Freund moderner Stimmungs¬
feilen Thränen über die traurige Wirklichkeit hinweg¬
war), ist das Versspiel „Paracelsus“, der zweite Ein¬
malerei eine Freude war, das wechselnde Bühnenbild zu
tröstet, steckt in jeder Wiener Dichtung. Man wagt niemals
akter des gestrigen Abends, sehr leichte Waare. Was hätte
schauen und den Worten der Darsteller zu lauschen.
die letzten Konsequenzen zu ziehen und den Menschen und
ein anderer Dichter aus der merkwürdigen Renaissance¬
Aber wie wurde auch gespielt! Herr Schneider
Diugen schroff in's Auge zu sehen. Man kämpft nicht, son¬
figur des Theophrastus Bombastus Paracelsus von
(Professor Pilgram), Herr Lützenkirchen (Dr.
dern lächelt halb müde, halb ironisch=überlegen oder man
Hohenheim gemacht! Zugleich Bahnbrecher der Wissen¬
und Fräulein Heese wetteiferten
Hausmann)
flüchtet sich aus dem harten, trostlosen Dasein in eine
schaft, Lehrer der occultistischen Geheimlehre und mark¬
miteinander, den gedämpften Ton des Ganzen
schönere Traumwelt und schwelgt im Wohlklang farben¬
schreierischer Charlatan wäre der Basler Wunderdoktor
festzuhelten und dabei doch, jedes in seiner Art eine
prächtiger Verse. Die durch Sentimentalität geknickte Tra¬
ganz dazu angethau, selbst einen Shakesveare zu begeistern.
ganze Welt verhaltener Leidenschaft zu offenbaren. Ja so
gik ist echt wienerisch. Wir finden sie bei Griliparzer wie
Schnitzler aber zerbrach sich nicht lange den Kopf über diese
und nicht anders spricht man in einem Sterbehause. Da
bei Anzengruber. Sollen wir da von einem Dichter lin de
zwiespältige Natur, sondern verwandelte ihn flugs in
gab es — Frl. Heese rechne ich das doppelt hoch an —
sieele, wie Arthur Schnitzler, etwas Anderes erwarten?
einen modernen Hypnotiseur, der einem protzigen Basler
keine einzige gespreizte Betonung, keine einzige theatralische
Nein, das wäre heute, da das Deutschthum in der Donau¬
Handwerksmeister durch seine Zauberkünste etwas Be¬
Geberde. Nur Herr Schneider hätte sich vielleicht beim
stadt mehr und mehr dem Ansturm der Slaven zu erliegen
scheidenheit beibringt. Der Tausendsassa hypnotisirt näm¬
Abgang den letzten langen Stoßseufzer sparen können.
droht, doch zu viel verlangt. Ein müdes Lächeln, eine stille
Thräue ist Alles, was der Dichter für das Leben übrig hat, lich die ehrsame Waffenschmiedsgattin Justina, die früher
im besten Falle noch ein bischen Galgenhumor. Aber diese seine eigene Jugendgeliebte war, zweimal hintereinander. Viel weniger gelungen war die Aufführung des „Para¬