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9.4. per gruene Kakadu—Zykius
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schienen durch die einigermaßen sensationelle Wirkung der Einakter,
namentlich des letzten, so überrascht zu sein, daß sie glaubten zischen
zu müssen.
„Hamburger Fremdenblatt“:
Komi
Die Altonaer Bühne sieht auf einen künstlerisch wahrhaft glanz¬
vollen Premièren=Abend zurück, an dessen Gelingen der Verfasser der
A1
drei Einakter, Arthur Schnitzler, die Regie, die gestern schwierige
Aufgaben löste, und die Darsteller gleichen Antheil haben. Wer Arthur
Ueber
Schnitzler ist, sollte nachgerade selbst in Hamburg allgemein bekannt
reizende
geworden sein. Man ist versucht, um dieses einen gerechten, um dieses
einen wirklichen Dichters willen den Oesterreichern ihre sämmtlichen
Max 2
literarischen Sünden zu vergeben. Schnitzler, den man in den ersten
Jahren seines Schaffens nur für einen außergewöhnlich geistvollen und
in seinem
gewandten Causeur, später zwar für einen gelorenen, feinsinnigen, aber
wachs zu
der Decadence ganz und gar verfallenen Drainunker halten konnte, hat
stücke wie
sich wunderbar vertieft und gekräftigt. Er ist nicht mehr der dialogisirte
Bestien“
und ins Deutsche übersetzte Prevost, er spielt nicht mehr Fangball mit
durchaus
den seelischen Empfindungen von Demimondainen und gefallenen Ge¬
Humor a#
des Wort
sellschaftsdamen; ein echter Dichter, greift er ins Vollleben der Menschheit
und packt es da, wo es am interessantesten und wo seine geheimen Trieb¬
stellung
kräfte am schwierigsten zu ergründen sind. Mehr als die bekannten
Prüderie
Dramen Schnitzler's, „Freiwild“, „Vermächtniß", „Liebelei“ 2c.
Seele au
haben seine überaus zahlreichen kleinen dramatischen Episoden, Dialog¬
mit solch
skizzen, wie sie in den Büchern „Anatol“, „Die Frau des Weisen“
keit ausg
niedergelegt sind, gezeigt, daß der Dichter ein feiner Menschenzeichner,
diesen ne
ein bis zum Raffinement geschickter Dramatiker, ein Meister der Ge¬
wie die
sprächsform und überaus eleganter Stilist ist. Die drei Einakter, die
ist, Schr
gestern in so herrlicher Darstellung über die Bretter gingen, haben ge¬
Nun alse
zeigt, daß Schnitzler auf dem Wege ist, wirkliche Tiefe und Wucht zu
Muse ha
erlangen, zum Theil schon errungen hat. Bezüglich Schnitzler's sehen
sich ganz
wir uns heute einem Dichter gegenüber, berufen, den ersten zeitgenössischen
Einakter
Größen der Literatur an die Seite zu treten. Am charakteristischsten für
Auch hie
das originelle Talent Schnitzler's ist unter den drei Einaktern der
einen stä
mittlere: „Die Gefährtin". Diese Arbeit, die zugleich auch die
künstlerisch vollendetste unter den dreien ist, weist alle Vorzüge der be¬fand ein
kannten dramatischen Episoden des Dichters auf: Herrliche Menschen¬
zeichnung, raffinirt geschickter Aufbau, meisterhafter Dialog und zarte
Max
Stimmungen, zugleich aber auch eine Tiefe, wie sie nur wenigen anderen
Abend i
Schöpfungen des Autors eigen ist. In dieser kleinen Episode spielt sich
moderner
ein ganzes und schweres Menschenschicksal ab. Unsere dramatischen
hat uns
Fabrikanten würden aus diesem „Stoff“ ein fünfaktiges Schauspiel ge¬
selbe geb¬
macht haben, aber Schnitzler, der Dichter, ist so reich an Ideen, an
Geruch
Mecklenf
Phat asie, an Gestaltungskraft, daß er seinen Reichthum in kleinen,
schwerwiegenden Perlen verstreuen kann. Diese Beschränkung, dieses
es wohl
Zusammendrängen eines ganzen Lebensschicksals in eine einzige kleine
Humorif
das ist
Episode ist schon an und für sich das Meisterwerk eines echten Dichters.
ihm hat
Das Stück hebt mit einer intimen, ganz eigenartigen Stimmung an,
die sich auch nicht verflüchtigt und bis zum Ende festgehalten ist.
seine Sti
erschütternde und menschlich tiefe Lebensepisode, die bezüglich ihrer
sogenani
Charaktere durchaus wahrhaftig ist, fand eine meisterhafte Darstellung.
insofern
Das Kunstwerk fand ungetheilten Beifall. Auch das Versspiel:
natürlich
ihnen vo
„Paracelsus“, welches dem besprochenen Stücke voranging, ist ein
echtes Kind der Schnitzler'schen Muse, allein vergleichsweise ist es nur
jenem fei
erblüht i.
eine artige dichterische Laune, ein origineller und geistvoll ausgebeuteter
Namen u
mehr nicht. Schnitzler führt uns Paracelsus als
Einfall
einen seh
Hypnotiseur vor. Geschichtlich wird das Meiste an diesem Spiel gewiß
nicht stimmen — das macht aber Nichts. Auch dieses Stück wurde mit
selbstverst¬
großem Beifall aufgenommen und die Darsteller mehrfach gerufen.
ferner als
kleine Ski
„Der grüne Kakadu“ dagegen, die einaktige „Groteske“, wie
Schnitzler diese Arbeit nennt, die den Beschluß des Abends bildete
harmlos
anderen ?#
und in literarischen Kreisen am meisten Spannung hervorgerufen hatte,
mädchen:
fand eine nur getheilte Aufnahme, ja, es fanden sich sogar einige Zischer.
Sünder 1
Diese Armseligen dachten gewiß, es kandle sich um ein revolutionäres
eine Gegendemonstration
essant, di
müsse
patriotischer
Stück
insceniren, allein sie sind im Irrthum. Es handelt sich, wie ich den
spricht, d.
einseligen Herren Zischern ergebenst bemerken möchte, um ein Kunst¬
wollen.
werk, und zwar um ein ebenso originelles wie bedeutendes, für dessen
und daß
Darstellung man der Theaterdirektion eine Ermunterung zu Theil
werden lassen muß. Der Dichter kann sie entbehren. Also um ein
kleinen S!
Kunstwerk handelt es sich, meine Herren Zischer. Und als Gegen¬
demonstration sei hier erklärt, daß dieses Kunstwerk höchst sehenswerth
Die 6
ist, weil es wirklich etwas ganz Originelles auf dem Gebiete der
Komödie
dramatischen Literatur darstellt. Das Stuck ist erfüllt von der Stimmung
Stück hat
der Revolution. Ein mächtiges Leben pulsirt in ihm. Von der Straße
sprucht, un
dringt die Aufregung der Massen herein. Allein die Quintessenz des
Spiels ist eine erschütternde Episode à lu „Bajazzo“. Das, was das
flotten Hu
seltsame Stück an Details sonst noch enthält, wiederzugeben, ist un¬
trefflich zu
möglich. Man muß es sehen, und wenn man künstlerisches Verständniß
dem Publ
besitzt, wird man sehen, daß es ein seines Stück Arbeit ist, das die
Ausgestal
Zischer beschämt. Die Regie stand in allen drei Stücken auf der Höhe
ihrer Aufgabe, ihr und unserm, wie es scheint, ausgezeichneten Ensemble
„Lie
ist ein echt künstlerischer Schnitzler=Abend zu danken.
Dreyer'
vorher ni
hafte Büle—