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künstlerisch zu nehmenden Werken. Nach Wildes Theorie ist die Auf¬
gabe der Kunst das Schaffen des Schönen, und das Schaffensgebiet
des Künstlers ist unbegrenzt. Er hat der Wirklichkeit eine zweite Welt
der Schönheit gegenüber zu stellen. Wenn dem Künstler das gelungen
ist, so steht sein Werk außer aller Ethik. Die Kunst zu offenbaren, den
Künstler zu verbergen, das ist das Ziel der Kunst. Alle Kunst ist
zwecklos, daher unmoralisch. Er erscheint in diesen Paradoxen nicht
original, dei hinter Oskar Wilde steht der Franzose Bandelaire. Er¬
füllt von diesen Theorien sind die Gedichte „Die Sphynx“, ein Hymmns
auf entschwundene Götter, und die Gefängnisballade“, in der er das
dichterisch Größte geschaffen. Entzückt in der Sphyux“ die wunderbare
Sprache, so erstannt man in der „Gefängnisballade“ über die vollendete
Technik. Er schildert darin die letzten Tage eines Mannes, der seine!
Geliebte ermordet hat und deshalb zum Tode verurteilt worden ist.
In seinen Novellen zeigt Wilde sich von zwingender Lebendigkeit un
sprudelndem Witz. Sein Hauptprosawerk „Dorian Grays Bilduis“ ist
ungleich gearbeitet. Meisterhaft darin sind die Gespräche, die Idee ab¬
geschmackt. Oskar Wilde spielte in seinem Leben mit allen mög¬
lichen und unmöglichen Gedanken. Seine in „Dorian Grays Bild¬
nis“ versochtene Theorie setzte er aber auch in die Praxis um. Kerker,
gesellschaftliche Aechtung, elender Tod in der Verbannung waren seine
Strafe.
Das Größte was Wilde im Drama geschaffen hat, ist der Einakter:
„Salome“. Bei der Behandlung des Stoffes dürfen wir weder uns
der christlichen Darstellung erinnern, noch der geschichtlichen Tatsachen:
Als Vorlage diente dem Dichter die Erzählung „Herodias“ von Flau¬
bert; der historische Stoff erscheint bei Wilde vollkommen verzerrt. Inl
der Stimmung einer Mondnacht wird unter den schwülsten äußereis
Ausdrucksformen der bekannte Vorgang geschildert, den Wilde aus
perverser Sinnlichkeit zu erklären sucht. Herodes Antipas erscheint als
ein ausgesprochener Neuropathiker, als ein schwachsinniger, lüsterne
Kerl, die Herodias als ein geiferndes Weib, deren Schandtaten durc
Johannes des öfteren verkündet werden, und die Salome ist als ein
mannstolle Dirne, als eine Lustmörderin dargestellt, die dem Sadi##
uus nicht ferne steht. Ueber dem Ganzen liegt ein Dunst von Perver
sität. So abstoßend Inhalt und Behandlung des Stückes, so rühmens
wert ist die Form. Die Prosa ist bis zum Aeußersten durchgearbeiten
das Ganze zeigt eine wundervolle Geschlossenheit. Der Eindruck eine
solchen Stückes kann natürlich kein erhebender sein; man ist Beobachter
der Aeußerungen eines überspannten Gehirnes, einer überhitzten Phan¬
tasie geworden und hat Proben einer glänzenden Stilkunst empfangen.
Ein Schaustück für den Reisen, ein nervenreizendes Spiel für den Un¬
reifen.
Als der Vorhang gefallen, blieb das vollbesetzte Haus totenstill.
Dem Versuche einiger Hände, die Stille noch bemerkbarer zu machen,
ist durch Zischen Einhalt geboten worden. Der Geschmack der Gäste
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hatte das Stück abgelehnt, das Experiment war mißlungen. Eine ideale
Darstellung vermöchte vielleicht eine bewundernde Anerkennung der
Vorzüge dieses Stückes einem nur nach rein ästhetischen Gesichtspunkten
urteilenden Publikum abzuringen, eine Zuhörerschaft von Künstlern würde
wohl die Linien der in ihrer Absonderlichkeit und Krankhaftigkeit oft
grandiosen Figuren mit künstlerischen Augen abtasten, aber eine Zu¬
hörerschaft, die nur einen Moment aus dem Gedanken des l’art pour
l’art herausfällt, muß schreckhaft zusammenzucken vor diesem Spiele
mit ungeheuerlichen Gedanken, vor diesem Stücke, das eine Tragödie
des Liebeswahnsinns sein will und sich als eine mit raffinierter Kunst
einer
festgehaltene Irrenhausszeue darstellt. Aber selbst in
iumer ein Moment fehlent,
idealen deutschen Aufführung
er finnliche Reiz der Sprache Wildes, die, wie gesagt, wohl dus
nustisch Vollkonmienste leistet, was man in Prosa zu schreiben vermag.
Wilde hat das Stück in vorzüglichem Französisch geschrieben, die Ueber¬
etzung von Hedwig Lachmann, die der Aufführung zugrunde gelegen
sat, ist sehr gut, gibt aber immerhin nur einen Dämmerschein des
Originals. Die Aufführung konnte aber nicht befriedigen. Gegen den
Stil des Stückes, den im allgemeinen die Regie des Direktors Wil¬
elmi richtig festzuhalten versucht hat, wurden verschiedentlich Verstöße
zemacht. Es muß sich alles in diesem Stücke in hieratischer Ruhe ab¬
pielen. Dagegen sündigten die Darsteller der Hauptrollen. Die schau¬
pielerischen Leistungen blieben durchgehends hinter den Anforderungen
zes Dichters zurück. Die Darstellung des Herodes erfordert eine ge¬
valtige schauspielerische Krast; der Dichter hat in dieser Person ein
Meisterstück psychologischer Zustandsschilderung eines verwickelten
Krankheitsbildes gegeben. Herr Schmalz hat nur Ober¬
läche geboten. Fränkein Felseggs Sakome war eine Ver¬
tandesleistung. So weit man sich mit dem Verstande
diese Person verfenken kann, hat Fräulein Felsegg gute Momente
erausgeholt. Sie hat auch hübsch ausgesehen, wenn sie es auch nicht
vermocht hat, uns den Eindruck eines hallwüchsigen Mädchens zu ver¬
chaffen. Für den Ausdruck einer Sinnlichkeit, die zwischen lauernder
Lüsternheit und orientalisch trögem Wesen schwankt, fehlten ihr die
mneren Triebe. Von Fräulein Felseggs Salome kann man sagen „Du
gleichst dem Geist, den Du begreisst“, wobei zu bedenken ist, daß nicht
der Kopf das Zentrum der die Tat auslösenden Kräfte bei Salome ist.
Zur Salome=Darstellung gehört auch ein Requisit, das nur sehr wenige
Schauspielerimen mehr haben, seitdem sich Tanz und Schauspielkunst
getremnt haben. Die Salome muß einen sinnberückenden Tanz voll¬
führen; der mißlang mim Fräulein Felsegg in den Grundelementen.
Als Herodias hat Fräulein Sandorf die Nummer ihres Garns zu
grob genommen. Dieses Weib ist groß in seiner Lasterhaftigkeit; sie ist!
nicht allein das, was der Johannes von ihr sagt, sie ist auch Königin.
Herr Graumann sprach im allgemeinen den Jochanaan gut.
Nach einer halbstündigen Pause folgte Artur Schnitzlers „Groteske“
„Der grüne Kakadu“, der 1899 entstanden ist und aus zahlreichen
Aufführungen an großen Bühnen wohlbekannt. Er spielt in einer
Spelunke von Paris, die wir heute Cabaret neunen würden, am Abend
des Tages der Erstürmung der Bastille. In dieser „Räuberhöhle“
amüsiert sich die lüsterne Arlstokratie von Paris an Darbietungen
schauerlicher Art. Schauspieler geben sich als Verbrecher und geben er¬
dichtete Schandtaten zum besten, Animiermädchen treiben ihr Wesen.
Schon flammt der Vulkan in Paris, die Artstos amüsieren sich in der