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Der gruene K.KaouWKTus
Berliner Bühnen starke und dauernde die besonders in dem Vorspiel „Paracelsus“ zahl¬
Erfolge versagt blieben, zählt Schnitzler doch zu
reichen Fallstricken begegnet, hielt sich gestern
den Lieblingen des Berliner Theaterpublikums, zu
(Mittwoch) abend auf der guten Mittelhöhe; in
den Autoren, denen man immer gern zuhört, weil
der Groteske „Der grüne Kakadu“ stieg sie sogar
sie wirklich etwas zu sagen haben. Seine liebens¬
hier und da noch darüber hinaus, obwohl man in
würdige, graziöse Art, heikle Dinge gefällig vor¬
den Ensembleszenen das Zusammenspiel manch¬
zutragen, geistreich zu sein, ohne durch aufdring¬
mal vermißte. Unter den Darstellern ragte vor
liche Geistreicheleien zu bluffen, gesellschaftlichen
allem Hans F. Gerhard hervor, der als
Schwächen keck zu Leibe zu gehen, ohne dabei je¬
Paracelsus und Henri (im „Grünen Kakadu")
mand ernstlich weh zu tun, haben ihn in den ver¬
die Intention des Dichters mit voller Hingabe
dienten Ruf eines scharfen und dabei doch an¬
und feinem Verständnis für die seelischen Stim¬
genehmen, sagen wir eines „charmanten“ Sitten¬
mungen erfüllte. Die Schwierigkeit der Rolle des
schilderers gebracht, und wenn er in neuerer Zeit
Paracelsus überwand auch er freilich nicht ganz.
das „Dramatische“ in seinen Komödien nicht gar
Konrad Wiene, der den Doktor Hausmann in der
zu sehr vernachlässigte und seine liebe, wienerische
„Gefährtin“ lobenswert spielte, mimte im
Manier, ausgiebig zu plauschen, sich nicht gar zu
„Grünen Kakadu“ einen vorzüglichen naiven
oft in das „weite Land“ unbegrenzter Redseligkeit
Strolch (Grain). Von den übrigen Darstellern
verlöre, wäre er der wenigen einer, die man mit
seien noch Max Reimer als Professor Pilgram,
Berechtigung als berufene moderne Lustspieldichter
Heinz Bernecker als der Waffenschmied Cyprian,
preisen kann. So muß man sich, um seiner würdig
Else Wasa als Justina, seine Gattin, Hedwig
zu gedenken, an seine früheren Werke halten, und
Pauly als Marquise von Lansac und Richard
zwei Berliner Bühnen benutzten gestern die
Witth als Prospere. Die Regie führte Alfred
günstige Gelegenheit zur Veranstaltung sympathi¬
Walter=Horst.
scher Schnitzler=Abende. Im Neuen Volks¬
theater wurde der Einakter „Literatur“
und der Dreiakter „Liebelei“ gegeben — zwei
In Wien bildet der fünfzigste Geburtstag
Stücke, in denen die Eigenart Schnitzlers besonders
Artur Schnitzlers bereits die ganze Woche über
eindringlich und liebenswürdig zur Geltung
den Anlaß zu literarischen und theatralischen
kommt. „Literatur“, die keck=lustige Plauderei,
Veranstaltungen, denen sich der Dichter selbst
die so ergötzlich das München=Wiener Kaffeehaus¬
durch eine kleine Ferienreise fluchtartig entzogen
literatentum glossiert und in wirksamen Gegen¬
hat. Gestern, am eigentlichen Festtag, spielte das
satz zu dem Typus eines literaturfeindlichen
Burgtheater, wie uns un
hl.=Kor¬
respondent
österreichischen Aristokraten bringt, wurde freilich
telegraphiert,
Eine Vorlesung
weite
Land“.
0
in all seinen feinen Beziehungen zur Wirklichkeit
und seinen intimen Milieureizen vom Publikum
„Schleiers der Beatrice", des Renaissance¬
der Neuen freien Volksbühne, das sich lediglich an
stückes, das in Wien noch nie gegeben wurde,
die lustigen Aeußerlichkeiten hielt, nicht ganz er¬
durch Ferdinand Onno vom Deutschen Volks¬
faßt. Um so echter und kräftiger aber wirkte die
theater wurde vom Verband für Literatur veran¬
unverwüstliche „Liebelei“ mit ihrer herzigen
staltet, und ein Merkerabend, in dem Werke des
Heiterkeit und ihrer zu Herzen gehenden Senti¬
Dichters durch Elsa Galafres vom Deutschen
mentalität, mit der Fülle echter Volkstümlichkeit,
Volkstheater, Lilli Marberg und Arnold Korff
die ihre von Leben und Wahrheit strotzende
vom Burgtheater vorgelesen wurden, bildeten die
Figuren umgibt. Die Darstellung bewährte sich
außertheatralischen Festveranstaltungen. Ferner
in beiden Stücken wieder aufs beste, wenn sie auch
brachte das Deutsche Volkstheater eine Neuinsze¬
den „literarischen" Einakter, wohl mit Absicht,
nierung von Schnitzlers „Liebelei“ und die seit
langem nicht gegebene Groteske „Der grüne Ka¬
etwas grell und laut nahm. Aurel Nowotny als
Klemens und Theodor Kaiser, Robert Müller in
kadu“ in einer liebevollen Regie und guten Dar¬
den Rollen des wilden Literaten und des alten
stellung. Gleichzeitig veranstaliete Jarno am
Violinspielers, das talentvolle Frl. Angerstein als
Theater in der Josefstadt eine Aufführung von
Christine, Johannes Riemann als Fritz Lobheimer,
Schnitzlers vor Jahren mit Katharina Schratt in
die muntere Else Bäck in der derblustigen Episode
der Hauprolle am Burgtheater gegebenen Schau¬
der Mizi Schlager, Yella Wagner, Adolf Edgar
spiel „Das Vermächtnis". Diesmal spielte
Frau Niese die Rolle der Toni.
Licho und Anna Ruhner verdienen für ihre schau¬
spielerischen Bemühungen um das gute Gelingen
dieses Schnitzler=Abends ehrenvolle Erwähnung.
hs. Das Schiller=Thater Char¬
lottenburg hatte zur Schnitzler=Feier drei
schaitt aus:
Einakter des Dichters ausgewählt, die — vielleicht
Der Tag, Berlin
mit Ausnahme der „Gefährtin“ — nicht die Welt
darstellen, die in den Dramen des Oesterreichers
16 MAl 1912
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mit Vorliebe behandelt wird, die aber von seiner
Weltanschauung und Sprache eine treffliche Probe
J. K. Schnitzler=Feiern in Berlin. Arthur
geben. „Paracelsus“ führt in die primitivere
Schnitzler, der feinsinnige Wiener Poet, beging
Denkungsart des 16. Jahrhunderts zurück, wäh¬
gestern (Mittwoch) seinen 50. Geburtstag. Trotz=! rend „Der grüne Kakadu“ am Vorabend der großen
dem seinen neuesten Werken auf den französischen Revolution spielt. Die Darstellung,