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9.2. #1e box 14//7
Framdenblach Wien
F-331 77
Theater und Kunst.
Gastspiel Bassermann.
Volksbühne.
Am ersten Abend seines Gastspiels erschien Basser¬
mann in drei verschiedenen Rollen, zeigte im engen Raum
eines Abends an drei verschiedenen Gestalten seine Wand¬
lungsfähigkeit wie seine bildnerische Kraft und bewies in
drei Einaktern, wie sehr er in seiner unbedingten Spiel¬
freudigkeit allen großen Darstellern gleicht, wie er sich, aus
der Natur eines großen Darstellers, eigentlich nur für eine
Rolle interessiert und nicht im geringsten um den Gehalt
irgend eines Stückes schert.
Die Linie dieses Abends war denn auch, was die
drei Einakter betrifft, eine absteigende, ja eine abstürzende,
und man kann nicht einmal sagen, daß sich zuletzt — wie
doch die Absicht war — wenigstens die Heiterkeit gehoben
hätte. Denn die Lachstürme blieben bei der „Partie Piquet“
so ziemlich aus. Nach den kleinen Einaktern von Schnitzler
und Hartleben sah das Publikum mit einiger Betroffenheit
diese verstaubte und kindische Posse mit an, die jetzt noch
älter, noch schwächer und noch unlebendiger scheint, als
irgend ein Schwank von Kotzebue. Ein wenig verstaubt
mutet ja auch Otto Erich Hartlebens Satire „Die sittliche
orderung“ an. Salopp und skizzenhaft hingewischt sind
ie beiden Gestalten, das aus kleinstädtischer Beschränktheit
bis
ins freie Künstlertum entsprungene Mädchen, da
zum Varietéstern gebracht hat, und der treuherzi
sche Jugendgeliebte, der nun kommt, die Ve
in die legiülme Ordnung heimzuholen, er
sittlichen Forderung nicht weiter besteht,
man auch auf andere Weise zu einem
gebnis gelangen kann. Das gleiche M
manns „Heimat“ bringt, ist auch hier
hier aber bloß in beiläufiger, gutgelau
mehr improvisierend als gestaltend,
rednerisch als dramatisch behandelt,
mit der starken Faust eines Theatra
sam ist beiden Stücken, dem Schal
wie dem Schwänkchen von Hartlebe
tung des Spießbürgers und in d
stellung gegen die Moralphilister ein
tum zu spüren bleibt, das sich über die
ebenso wundert wie entzückt.
Am stärksten wirkt der erste der drei Eina
Schnitzlers „Gefährtin“, wie denn an den meiste
g=
Stynitzlers mit den Jahren mehr und mehr die ed
keit, die ihnen innewohnt, hervortritt, so daß die
wenn man, sie nach langer Zeit wiedersieht, von einem
merkwürdig ergreifenden Schimmer überbreitet sind.Ein
Glanz, der langsam tiefer und milder geworden ist. Mit
leiser, aber eindringlicher Kraft sind die Gestalten gezeich¬
net. Auch die Gestalt der toten Frau tritt, unsichtbar, doch
in voller Lebendigkeit hervor. Leife, aber mit unwider¬
stehlicher, innerer Notwendigkeit wird die Vorgeschichte auf¬
geröllt in einem Dialog, dessen hohe Kultur, dessen treff¬
sichere Meisterschaft unendlich wohltut. Daß ein bedeutender
Mann, der von seiner um vieles jüngeren Frau betrogen!
wird, seine Würde in dem Glauhen rettet, die treulose
Frau und der treulose Freund seien in einer großen
Leidenschaft einander verbunden, stöhnten unter Gewissens¬
qualen und würden nächstens vielleicht den Mut finden ein
Bekenntnis abzulegen und um ihre Freiheit zu bitten, daß
diesem Mann nach dem plötzlichen Tod der jungen Frau
auch dieser schützende Irrtum genommen wird und er er¬
fahren muß, er sei gar nicht um einer großen Leidenschaft
willen, sondern einfach durch das banale Liebesabenteuer
zweier ganz banaler, in ihrer Begierde unbedenklicher
Menschen gefoppt worden, gehört zu jener Art von Stoffen,
die man gewöhnlich „geistvoll“ nennt, aber nur deshalb,
weil die Alltagskritik über den sehr trivialen Begriff des
„Geistvollen“ zu der wahrhaft dichterischen, menschlich
weisen und beziehungsreichen Gestalt solch eines kompri¬
mierten Dramas gar nicht hinlangt, sich auch nicht die
Mühe nimmt, hinzulangen.
Bassermann spielt in der „Gefährtin“ den doppelt
Betrogenen und er ist niemals feiner, niemals schauspiele¬
inleuch¬
unteren Rollen gewiß