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Gefaehrtin
DiL

(Volksbühne.) Albert Bassermanns künstlerische
Fersönlichkeit erweist immer ihre Anziehungskraft, so oft er als
Hast bei uns erscheint. Sein geistvolles Temperament und seine
ndividuelle Auffassung dringen in allem durch, was er bieten
mag, ob es sich um ernste oder leichtwiegende Dinge handelt.
Gestern reichte er in drei im Wesen verschiedenartigen Einaktern
gewissermaßen nur leichte Kostproben seiner Begabung und
künstlerischen Laune. Es war ein Bassermann in der Nußschale,
eine Introduktion mit kleinen, verfliegenden Melodien.
Zuerst spielte er den Robert in Schnitzlers „Gefährtin“. Szenen
schwermütiger Erkenntnisse nach einer brüchigen, durch den Tod
beendeten Ehe. Man erinnert sich an Sonnenthal in dieser
Rolle, die von ihm das gütig Resignierte, die Töne eines. ent¬
täuschten Herzens erhielt. Bassermann war um vieles härter und
fügte sich stärker in die psychologische Konstruktion dieses kleinen
Dramas. Nach dieser Tristitia kam die diskret spöttische Szene
Hartlebens von der „fittlichen Forderung“. Mit überlegener Ironie
und all den reichen kleinen Einfällen, mit denen er auch das Harmloseste
interessant und funkelnd zu gestalten vermag, charakterisierte
Bassermanns naives Kleinstadtphilistertum und seinen Zusammen¬
bruch im Erotischen. Das war ein sprühendes Spiel voll kleiner
Boshaftigkeiten, das die stärkste Wirkung an diesem Abend aus¬
zuüben vermochte. Die Sängerin Revera war mit klugen, wenn
auch nicht verführerischen Künsten Frau Else Bassermann. Der
alte Schwank „Eine Partie Piquet“ gibt Gelegenheit zu
humoristischen Virtuositäten, aber die verstaubten Humore sonnten
auch durch die Charakteristik Bassermanns und seines „Partners
Ziegler nicht wirksam gemacht werden. 7## ### #y i.
5 bkl. 1910
Neue Frsis Prasse. Wien
Theater= und Kunstnachrichten.
[Gastspiel Albert Bassermann an der
Polksbühne.] Albert Bassermann ließ an seinem
ersten Gastspielabend sehr freundliche Burgtheatererinnerungen
von gestern und ehegestern in uns anklingen. Der erste der
drei Einalter, die er uns diesmal brachte, „Die Gefährtm“ von
Artur Schnitzl##ist sogar echtestes Burgtheater, nicht
nur darum, weil einst Sonnenthal die Haupirolle gab, sondern
weil in dem Dialog deutlich merkbar, Schall und Geistigreit
des alten Burgtheaters eingefangen ist, so daß uns die Ueber¬
lieferung edler Schauspielkunst in lebendiger, dichterischer Ge¬
staltung neu begegnet, mag auch der Dichter Schnitzler später
die Motive, die hier an uns vorübergleiten, reiner und
den
menschlicher verknüpft haben. Bassermann also spielte
alternden Arzt, der am Grabe der viel jüngeren Gattin den
Mann erwartet, von dem er weiß — ohne Groll und ohne
Zorn — er habe der Toten nahegestanden, und von dem er
nun erfährt, daß die große Leidenschaft, die er im Leben der
Galtin so vornehm respektierte, nur Schein war, hieter dem
sich Leichtsinn und Dirnenhaftigkeit verbarg. Sonnenthal war
n dieser Rolle ganz enttäuschter Freund, enttäuschter Gatte —
sväterlicher Freund und väterticher Gatte. Bassermann brachte
das Noble der Figur äußerlich sichtbar zum Ausdruck. Er
gab den Arzt sehr elegant, bartlos, kühl und glatt, das
Menokol im Auge. Aber es ist sehr schön zu beobachten,
wie das Spiel Bassermanns unter der scheinbar so kühlen und
glatten Oberfläche verhaltene Qual und Leidenschaft immer¬
während im Brodeln und Kochen erhält. Er bringt das
Ueberraschende und Sinnreiche der Erfindung, worin sich doch
immer die beste Kraft des Dichters wie des Schauspielers
offenbart, zu eindringlichster Wirkung. Auch hier ist ihm der
Gedanke edle und kühle Oberfläche und darunter duckt sich
sprungbereit die Handlung. Im Höhepunkt, wie der junge
Hausmann, übrigens von Josef Schildkraut ganz vor¬
trefflich, nur in einer verwunderlich häßlichen Maske gespielt,
dem verzichtbereiten Freunde, der Schmerz und Trauer er¬
wartet, die Eröffnung macht, er habe sich verlobt, zeigt Basser¬
mann das erschreckte Mienenspiel des plötzlichen Begreifens und
schmerzvoller Klarheit, eine ganze Stufenleiter dramatisierter
Empfindung. Ein wenig fern schon in seiner Frivo¬
lität wie in seiner Tugend mutete uns der zweite Ein¬
akter „Die sittliche Forderung“ von Otto Erich Hartleben
an. Bassermann spielte da den sächselnden Kaufmann Fried¬
rich Stierwald aus Rudolstadt, der die sittenlose Rita Revera¬
auf den Pfad der Tugend zurückführen will, aber von ihr
schnell und ohne viel Mühe zur Sünde bekehrt wird. Basser¬
mann stattete diesen Tropf mit einer virtuosen Lustig eit aus,
die er gleichsam nur so aus dem Aermel schüttelte. Frau
Else Bassermann gab die sündhafte Rita Revera, doch
im zweiten Plan, etwa als guteingespielte Klavier¬
begleitung zur Solopartie des berühmten Gatten. Zu keiner
tieferen Wirkung gelangie der dritte Einalter „Eine Partie
Piquet“ von Fonier und Meyor, eine Schwankreliquie
des alten Burgtheaters. Diese artige Spieldose, mit Bieder¬
meiermotven freundlich geschmückt, wollte nicht recht zu klingen
anfangen, obgleich die Aufführung — die biedere Drolligkeit
Hans Zieglers ist besonders anzumerken — im ganzen
gut geglückt war. Der wichtigste Alteur, das Publikum, tat
nicht mit. Die Lachstürme von einst mochten nicht einsetzen,
und doch spielte Bassermann den ahnenstolzen Chevalier von
Rocheferrier, der Guttaten mit Grobheiten lohnt und ewig
beleidigt, ewig ränkesüchtig ist, mit ungemein drolliger Ge¬
ziertheit, die irgendwie an Maran und zugleich
Illustrationen aus einem alten Band Dickens erinnerte. Das
Bildhafte, Verwandelte, das Bassermann in jeder Rolle zu
geben versteht, zeigte sich hier in vielen winzigen Schnörkeln
und Schnörkelchen, die der Künstler als vergnügte Glossen und
Anmerkungen voll mitteilsamer Spielfreude vor uns aus¬
breitete. Ihm war der Beifall nach jedem Senken des Vor¬
hangs gewiß: als soin Werk. Er weiß in allen Ecken und
Winkeln des Theaters Bescheid — Theaterwind und Theater¬
7.
donner sind ihm untertan, und auch der Applaus.