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racelsus
9. 1. P. . en.
box 14/6
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Heitnn
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1900.
vollendete Kunstwerke, durch deren Reproduktion allein das
Buch einen reellen Werth erlangt hätte.
Und es ist eigenthümlich, wie trefflich zu diesen alten
Stichen die Einbanddecke paßt, die man nicht anders als
sezessionistisch nennen kann. Die bekannte hellgrüne Leinwand
mit Golddruck, auf der nichts als ein stilisirter, breitästiger
Baum abgebildet ist.
Ja, zwischen der alten und der werdenden Kultur laufen
Fäden hin und her, spinnen sich Verbindungen, so zahlreich

daß sie uns sogar nicht mehr überraschen. Die Sezession lehnt
sich an Albrecht Dürer an, und das jungdeutsche Drama holt,
um die Prohleme der Hypnose und der Suggestion auf der
Bühne zu studiren, die Gestalt des Theophrastus Bombastus
Paracelsus hervor.
Ist es nicht merkwürdig, daß Paracelsus selbst in einem
der zahlreichen Gedichte, die er zum Lobe seiner Kunst ver¬
faßt, eine Parallele zwischen sich und Dürer zieht?
Man höre:
„All Kunst und artenej man find't
Beim Theophrasto so geschwindt,
Als vor wol bei dreitausend jarn
Bei keinem Menschen ward erfarn.
0
Als Pestilenz, Schlag, Fallend sucht,
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Aussatz, und Zipperlein verrucht,
Sampt ander Kranckheit mancher art
Hat er geheilt, der hochgelart.
Wie Durer in der Malerej
So dieser in der Artzenej:
0
Vor und nach ihnen keiner kam
Der Ihnn hierin den Preis benam.“
Der Schnitzlersche Einakter, den das Deutsche Theater
aus selstem
Winkerschlaf aufgerüttelt und in welchem
Emanuel Reicher mit feiner großen künstlerischen Intelligenz
den berühmten Todtenerwecker von den Todten erweckt, ist
verschnörkelt, wie ein mittelalterlicher Holzschnitt. Das ist aber
auch Alles, womit er an das Mittelalter erinnert; im
Uebrigen ist sein „Paracelsus“ von Anfang bis zu Ende eine
licentia poetica.
Schauen wir uns an der Hand des interessanten Buches
von Peters den wahren Paracelsus an. Wir sehen ihn da,
wie er thatsächlich unter seinen Zeitgenossen herumgewandelt,
einen kahlköpfigen Mann mit mächtigem Schädel, graue Haar¬
büsche an den Schläfen; ein eingefallenes, von Studien und
Sorgen ausgezehrtes Gesicht, unter stark vorgewölbten Augen¬
bogen kluge, gutige, müde Augen. Keine Spur von dem
prächtigen Renaissancekostüm, in welchem Schnitzler ihn sich
wohl gedacht. Ein Hemd mit schmaler Krause unter dem
Kinn; darüber ein einfaches, schlafrockartiges, am Gürtel zu¬
sammengezogenes Gewand. Aehnlich sehen wir das Bildniß
zdes Paracelsus in der Gesammtausgabe seiner Werke, die der
Baseler Huser veröffentlicht lat. Das war der Mann,
der das stolze Wort gesprochen. „Odi et arceo vulgus pro¬
fanum!“
Auf einem Kupferstich aus dem 16. Jahrhundert, den das
Wiener Kupferstichkabinet besitzt, finden sich noch andere Kern¬
sprüche Theophrasts. „Alterius non sit, qui suns eise
potest“; zu deutsch: „Eins andern Knecht sol niemant sein,
der für sich bleiben kan allein. „Omne donum perfectum a
Deo, imperfectum vero a diabolo“: „All gute gaben sindt
von Got, des Teufels aber findt ein spot.“
Man steht, daß Paracelsus troß seiner Abneigung gegen
das „vulgus profanum“ bemüht war, seine Aussprüche durch
Verdeutschungen dem großen Publikum verständlich zu machen.
Und ebenso ließ er es sich angelegen sein, in die medizinische
Wissenschaft statt des üblichen Lateins die deutsche Sprache
einzuführen. Ganz gegen den damaligen Gebrauch hielt er
seine medizinischen Vorlesungen in deutscher Sprache ab und
veröffentlichte auch seine Werke deutsch. Doch wurde es ihm
klar, daß es ihm nicht glücken würde, mit dieser Reform, welche
er sowohl aus patriotischen als aus praktischen Gründen für
angezeigt hielt, Schule zu machen. Er äußert sich darüber:
„Und ich sage euch, es ist der ganze Himmel und alle Kreuter
ehr und leichter zu erlernen denn das heillose Latein und
Griechisch Grammatica. Und were besser, man studierte die
asten Dinge, ## artnei gehörig vorhin und das Latein