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8.
Freiwild
box 14/3
Nr. 1434
5. Februar 1898
eine Resolution, in der es unter Anderm heißt: „Die Plenar¬
versammlung der Advocatenkammer kann ungeachtet der in
der Verordnung enthaltenen ausdrücklichen Betonung der
Rechtsprechung sich den Bedenken nicht verschließen, welche
eine von der obersten Justizverwaltung ausgehende
Interpretation von Gesetzen hervorrufen muß. Sie befürchtet
als Folge mehrerer Antworten, insbesondere der allgemeinen
Anordnung der Vorlage von Facturen bei der Klage
und der Behandlung der Nichtbeibringung von Beweismitteln
in derselben als Formgebrechen, eine wesentliche Er¬
chwerung und Vertheuerung der Rechtspflege
in den der Zahl nach weitaus überwiegenden, streitlos ver¬
laufenden Rechtsangelegenheiten. Sie erklärt, an den im
Gesetze begründeten Rechten des Advocaten, insbesondere an
dessen auf §. 31 C. P. O. beruhender Befugniß, zu seiner
Substitution Personen seines Vertrauens unter seiner Verant¬
Die Resolution wurde
wortung zu bestellen, festzuhalten."
nach längerer Debatte einstimmig angenommen.
Dr. Ofner referirte sodann über das Verhältniß der
Advocaten zu ihrem Personale und beantragte namens des
Kammerausschusses die von uns bereits in der „Beamten¬
zeitung" veröffentlichte Resolution über die Stellung, die
materielle Lage, Kündigungsfrist und Sonntagsruhe der
Advocatursbeamten, welche hierauf einstimmig ange¬
nommen wurde, worauf die Sitzung geschlossen wurde.
Theater und Kunst.
(Carltheater.) „Freiwild, Schauspiel in
drei Acten von Arthur Schnitzler. Wenn Jemand von
schweren Bedenken bezüglich des Zweikampfes erfüllt ist und
sich diese Bedenken zur eigenen Erleichterung recht gründlich
so läßt
von der Seele schreiben will
dagegen wol nichts einwenden. Wenn diese Seelen¬
entlastung in dramatischer Form, also stückweise erfolgt,
so mag das wol als erschwerender Umstand gelten, aber
füglich kann auch dagegen ein berechtigter Ein¬
wand nicht erhoben werden. Und gelangt ein solches
Stück zur Aufführung, so ist das eine vielleicht
betrübliche Thatsache, aber doch eine Thatsache,
die sich eben nicht abwenden läßt. Wenn aber dann ein
solches Stück mit der Prätension einer künstlerischen Leistung
an uns herantritt, wenn es eine ernsthafte kritische Beurthei¬
lung verlangt, dann ist das denn doch eine starke Zumuthung,
eine Herausforderung, die man nach dem Codex der gesunden
Vernunft ruhig ablehnen kann. Wir machen von
diesem codificirten Rechte Gebrauch und lehnen es
ebenso artig als entschieden an, uns dem heute
im Carltheater zum erstenmale aufgeführten Schauspiel, Frei¬
wild des Herrn Arthur Schnitzler mit dem schweren Rüstzeug
literarischer Kritik zu stellen. — In diesem Stück fällt eine
Ohrfeige. Darauf steht das Stück. Denn diese Ohrfeige wird
von Herrn Paul Rönning, einem ebenso wohlhabenden als
edlen und grundgescheiten Civilisten, dem Herrn Lieutenant
Karinski versetzt, der natürlich ein Spieler, ein Schulden¬
macher, ein Raubold, ein Mädchenjäger, kurzum ein
Officier ist, wie man ihn in Duellstücken mit
Besserungstendenz unbedingt benöthigt. Es wäre tragisch,
wenn dieser Lieutenant Karinski, der doch auch
sonst ziemlich schneidig ist, etwa rascher mit einer Ohrfeige
am Platze wäre als der edle, grundgescheine Herr Rönning.
In diesem Falle wäre nämlich das Stück schon im ersten
Act zu Ende. Herr Rönning könnte mit einer geschwollenen
ten
Backe und seinen gesammten Ueberzeugungen nach Hause
gehen, von dem schallenden Gelächter aller Freunde un¬
freiwilligen Humors begleitet. Denn Einer, dem eine wohl¬
heute
Karl gerathene Maulschelle im Gesichte sitzt und der dann mann¬
haft erklärt, sich nicht duelliren zu wollen, ist doch wol eine
Der
sig der komische Figur. Darum fällt die Ohrfeige in entgegengesetzter
Richtung und so kann das Stück für weitere zwei Acte auf¬
daß in
tigter Officier! Das nimmt
erthe
Gold¬
seruir
alte
de
Wien, Samstag
Nr. 1434.
theater als Gast. Für die Rolle mußte ein Uebriges gethan sich entgegenste
„Wir bringen
werden. Auch Herr Klein bemühte sich übrigens vergeblich,
sich gestern sch
wenigstens die Duellgegner zu begeistern. Die Phrasen, die
rung der V
er zu sprechen hatte, waren doch gar zu land¬
Stunde gesche
läufig. Ganz unzulänglich war Fräulein Sangora
seitens des
als die naive Theatertugend. Herr Korff hatte als Poldi
Kaftal,
Grehlinger einen eleganten Einfaltspinsel darzustellen und
Partie der
entledigte sich dieser Aufgabe mit großem Geschick. Er, das
Lage sei.
Simper, hatte sehr vernünftige Dinge zu sagen, und
Fräule
daß er dies nicht mit jener albernen Aufdringlich¬
keit that, die wol im tendenziösen Geiste dieser Verbande des
Schritt hat in
Rolle lag, zeigt von mehr als Talent, es zeigt von einer
Frey die Roll¬
selbständigen Auffassung. Herr Tewele brachte die Charge
nach der Wei¬
eines schuftigen Theaterdirectors zu heiterer Geltung. — Die
Aufnahme, die das Stück fand, war eine getheilte. Selbst war, wieder
diesen Part do¬
die zahlreich erschienenen Freunde des Autors konnten nicht so
soll nicht gew.
schlankweg über das gewisse Vorurtheil hinaus, das man
Fräule
so gern bespöttelt, das aber doch recht tief in Jedem sitzt,
zehn Abende
der nicht blos Mann heißt, sondern es auch ist. Sogar die
Damen schienen nicht so allgemein und rückhaltslos auf der mit einem St.
Helene
Seite der Duellgegner zu stehen. Der Lieutenant Karinski,
Erfolge seit
so verzeichnet auch seine Figur sein mochte, hinterließ offenbar
Heidelber
doch etwas wie einen mannhaften Eindruck. Das hatte Herr
von Intenda¬
Arthur Schnitzler gewiß nicht beabsichtigt.
engagirt.
(Theater in der Josefstadt.) Die Novität,
Die
welche diese Bühne heute vorführte: „Aschermittwoch
Klein=
von Hans Fischer und Josef Jarno, ist trotz dieses
unterzeichnet
Damens ein Faschingsschwank. Der verwitwete Kauf¬