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8. Freiwild
Telefon 12801.
Alex. Weigls Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
Nr. 33
„OBSERVER
öst. u. behördl. come. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX. Türkenstrasse 17.
Filia Budapest; Figele¬
Vortretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
Ausschnitt aus:
Post (Berlin)
vom 100
zu bedauern, daß Friedrich Herrnals
ehre gelten soll, ist eine durch und durch verdorbene
Schiller=Theater.
Natur. Der Mann, der die fremde Ehre nicht Rönning und Ferdinand Gregori als Leutnant
Karinski durch ihr Hochdeutsch die Wirkung ihres
Freiwild von Arthur Schnitzler
schont, hat natürlich keine eigene; er fordert seinen
Gegner auch nicht zum Zweikampf, weil ihn sein vortrefflichen Spiels beeinträchtigten. Auch Erich
ist dem Berliner Theaterpublikum nicht unbekannt.
Kaiser als Leutnant Rohnstedt wußte nicht immer
Aber just heute ist das Problem, das der Verfasser
empörtes Gemüth dazu treibt, sondern weil er ohne
diesen Zweikampf dem Offizierstande nacht mehr den Versuchungen zu widerstehen und verfiel oft
lösen will, durch die Duellinterpellation im Reichs¬
angehören kann. Stände nicht hinter ihm der Ab= unvermerkt wieder in den Berliner Jargon, der
rag aktuell geworden. Wer will es da dem Kritiker
ihm natürlich besser gelang, als die Weiner
der bisweilen auch einen Blick in den politischen
grund, dann würde er diese Ohrfeige still hinge¬
Sprochen. Fräulein Marianne Wulf als Schau¬
Theil der Zeitung wirft, verdenken, wenn er etwas
nommen haben, das führt man aus allem, nament¬
spielerin Riedel hatte keine leichte Aufgabe, weil
näher auf die Tendenz des Schauspiels eingeht
ch aber aus dem Angebot einer Schießkomödie
sie fast ohne irgend eine Unterbrechung und Er¬
Schnitzler ist Gegner des Duells, das ihm ver¬
heraus. Das sind Connivenzen des Verfassers
gegenüber seinem eigenen Standpunkt. Er stellt holung das leidende Weib darzustellen hatte. Aber
lich erscheint, weil es den sittlichen Empfin¬
sie wußte geschickt die Schwierigkeiten ihrer eintö¬
dungen nicht immer gerecht wird und weil es vor
keine Figuren auf die Bühne, die Typen sind, son¬
dern er schafft sich Charaktere, wie er sie für seine nigen Aufgabe zu überwinden und entfesselte durch
allen Dingen nicht als Strafe und ausgleiche de
die Darstellung einer selbstlosen, hingebenden
Gerechtig wirkt. Derjenige, der im Recht ist,
Zwecke braucht. Das ist der eine Fehler. Der
Weiblichkeit den Beifall des Publikums. Auch die
muß sein Leben ebensogut einsetzen, wie sein Geg¬
andere ist Poldi Grehlinger. Der Duellfrage ge¬
H. E.
übrigen Rollen waren gut besetzt.
ner und unter Umständen wird gerade der Schul¬
genüber giebt es nur zwei Möglichkeiten. Wer
die von Glück in diesem ernsten Würfelspiel
den Zweikampf verweigert, der immerhin für ge¬
um einschenleben am meisten begünstigt.
wisse Kreise und Klassen eine Art Justiz darstellt,
een der Thatsache wirbt der Zweitampf
der muß die strafende Gewalt dem Staate, der
er im Kreise jener idealen Na¬
Gesellschaft, dem Gesetz überlassen. Poldi aber
die met
turen, die bewußt dem Menschenthum und dem
übt Selostjustiz, indem er seinen Gegner ohrfeigt;
100
Leben eine gewisse Vollkommenheit beimessen und
er maßt sich damit persönlich ein Recht an, das
meinen, wo eine Schuld vorliege, müsse auch eine
ihm vom Standpunkt des Duellgegners aus, na¬
Abonnem unfehlbare Sühne folgen. Allein das ist nicht der
türlich ebensogut versagt sein muß, wie ganzen
Abonnent et des Zweikamer will die Gesell¬
Gesenschaftskategorien der Zweikampf untersagt
schaft zur Ehrenhafter eben, indem er den
sein soll.
einzelnen Menschen zwingt, daß er für die Ver¬
Und nun die Schlußszene! Nachdem der Mord
letzung der fremden Ehre ein eigene Existenz
geschehen, sammelt sich das Publikum, das erstarrt,
Inhalts¬
einsetzt; derjenige, der dies fordert, muß natur¬
blitt
gemäß auch einen gleicher Werth in die Wagschaft aber ohne Entrüstung über den Mort den brutalen
Offizier veroriren läßt und sich so gewissermaßen
wodurch
werfen. Wenn wir von dieser Voraussetzung aus
auch vor dem Klassenbewußtsein des Offizierstan¬
des In¬
an die Prüfung des Schnitzlerschen Schauspiels
des beugt. Das ist die letzte Inkonsequenz des
werden in
herantreten, müssen wir das Problem für unge¬
Verfassers. Will er das Duell und die Standes¬
löst erklären.
vorrechte verwerfen, so muß er dies durch das zu¬
Leutnant Karinski hat die Ehre einer unbe¬
sammenströmende Volk, das hier gewissermaßen
scholtenen Schauspielerin in einem Bekanntenkreise
in einer unentschuldbaren Weise angegriffen und die Stelle des antiken Chors vertritt, bekunden
wird dafür von Poldi Grehlinger geohrfeigt. Die¬ lassen.
Technisch ist das Schauspiel gut durchgeführt,
ser verweigert aber die Annahme einer Forderung,
sodaß die Schwächen in der Durcharbeitung der
dagegen tritt er dem auf Rache sinnenden Gegner
muthig gegenüber und wird meuchlings von diesem Tendenz wenig fühlbar sind. An der Darstellung
ist die mangelnde Einheit auszusetzen.
erschossen.
Handlung spielt in Besterreich; dem entsprechend
Der Lösung des Problems ist durch die In¬
müßten die Vertreter dieses Milieus auch den
konsequenzen in der Charakterzeichnung und der
Konflikte mitzungen. Leutnant Karinski, der dem berdeutschen Die prechen. Vor allem wäre
Publikum gegenüber als der Träger der Officiers, des donneren zu fordern. Es war sicher