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8. Freiwild
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„Berliner Reform"
Dieses Schauspiel mit tragischem Ausgang versetzt uns in einen
Badeort in der Nähe von Wien. Offiziere, Komödianten des Sommer¬
theaters, ein Arzt und ein Herr, der gar keinen Beruf hat, der nur
lebt, spielen darin eine Rolle. Dieser letztere ist die Hauptperson des
Stückes. Der Jnhalt des Stückes ist nun folgender: (Folgt dieser.)
Inscenirung war musterhaft. Gespielt wurde vortrefflich. Der
eiche Beifall, welchen das Stück fand, ist dem guten Spiel der
Darstellenden und der Tendenz des Schauspiels zu verdanken.
Berliner Tageblatt"
Und wieder ein Drama, dessen ganzer Inhalt sich um den Ehren¬
koder dreht. Im Deutschen Theater wurde gestern das dreiaktige Schau¬
spiel „Freiwild, von Arthur Schnitzler aufgeführt, dem glücklichen
Autor der „Liebelei“. Der Erfolg war diesmal womöglich
noch größer, nach den beiden ersten Akten lebhafte Hervorrufe, nach
dem letzten einige Opposition, die wohl der duellfeindlichen Tendenz
galt, und die durch stürmischen Beifall übertönt wurde. Alle
Gegner des Duells werden das Stück sehen wollen, und die Offiziere
werden in Civil hineingehen. Der Titel führte Anfangs irre. Die
Handlung spielt in einem Badeorte bei Wien, in Baden oder Vöslau,
und führt uns in eine Gesellschaft von Schmierenkomödianten und
Offizieren. (Folgt Inhalt.) Ich habe mich den enthusiastischen Urtheilen
über Schnitzlers „Liebelei“ nicht anschließen können: was man darin
als modernste Poesie bewunderte, schien mir ein bischen zu dünn. Es
war kein Kunstwerk aus gediegenem Golde, sondern eine Arbeit seinen
Kunsthandwerkes, mit echtem Goldschaum nur überzogen. Das ist schon
recht viel; und diesmal, wo die Poesie schimmernd glänzt, hat
Schnitzler deutlicher und fester die geschickte Hand eines außerge¬
wöhnlichen Theatertechnikers gezeigt. Wahrhafte Dichtung ist das fast
stumme Liebeswerben Rönnings und die echt Wienerische Gestalt des
verbitterten Komikers (Herr Reinhardt). Mit der eigentlichen
Handlung ist aber eine so fieberhafte theatralische Spannung
erreicht, wie seit Jahren in keinem unserer Dramen, Theater,
fast nichts als Theater, sind auch die munteren Schmierenauftritte. Sie
sorgen für die Lachlst des Publikums. Ein gutes und starkes
Theaterstück.
„Berl. Lokal-Anzeiger“
Im Deutschen Theater wurde gestern (Dienstag) Arthur Schnitzlers
neues dreiaktiges Lustspiel „Freiwild“ zum ersten Male aufgeführt.
Mit stetig wachsender Theilnahme folgte das Publikum der
Entwickelung und Steigerung. „Freiwild" is ein Problemstück
oder auch ein Tendenzstück. Es wendet sich gegen das Duell, es be¬
handelt die Officiersehre. (Folgt Inhalt.) In der Schilderung des
Milieus sowohl, wie auch im straffen Aufbau der Handlung zeigt sich
Schnitzler als ein hervorragend begabter, echter Dramatiker, von dem
die deutsche Bühne noch Bedeutendes erwarten darf. Seine jüngeren
Mitstrebenden in Oesterreich läßt er an dichterischem Können und drama¬
tischen Empfinden weit hinter sich zurück. Das fühlte auch das Publi¬
kum, als es den Autor wiederholt stürmisch hervorjubelte.
„Das Volk:
Das Deutsche Theater hat gestern (Dienstag) auch mit dem zweiten
Werk des durch seine „Liebelei hier bestens eingeführten Wiener
Dramatikers Arthur Schnitzler „Freiwild“ einen schönen Erfolg
davongetragen, der — soweit es sich um das Schaffen des Dichters
selbst handelt — einen zweiten achtungswerthen Sieg all der gefälligen
dramaturgischen Eigenschaften bedentet, die seinem ersten Stück an gleicher
Stelle zu so entschiedenem Erfolge verhalfen. Zu diesen guten Eigen¬
schaften gehört sowohl die Fähigkeit, eine geschickt erfundene Fabel mit
stetiger Steigerung durch eine anmuthige Milienschilderung hindurch
einem Höhepunkt zuzutreiben, wie auch das Talent, vortrefflich zu charakte¬
risiren und den geschilderten Conflikt aus dem Charakter lebenswahrer
Menschen heraus wahrscheinlich zu machen. Diese Vorzüge sind so groß,
daß man ihnen gegenüber auch nicht abgeneigt ist, die Vorliebe des der
jüngeren Wiener Feuilletonistenschule angehörigen Dichters mit in Kauf
zu nehmen, auch die Nebendinge mit behaglicher Breite dem Hörer vor¬
zuführen, als das sonst im Drama strengen Stils gestattet ist. Es ist
darum kein geringes Lob der Klein= und Feinmalerei des Werkes, wenn
trotz dieser, sogar an der gefährlichen Stelle des Schlußaktes bemerklichen
episodischen Details der Hörer gestern keine Abnahme seines Interesses
an dem Handlungsverlauf verspürte, sondern dieses im Gegentheil von
Scene zu Scene wachsen sah. So wie das Stück vorliegt, ist es ein
getreu kopirtes Stück Leben, dem die große Darstellungskunst des Dichters
zur vollsten überzeugendsten Anschaulichkeit und Lebenswahrscheinlichkeit
verholfen hat. So haben denn auch seine dichterischen Vorzüge den
Beifall erzeugt, der den anwesenden Verfasser nach jedem
Akte mehrfach vor die Rampe rief.
„Berliner Fremdenblatt“:
Arthur Schnitzler, ein Dichter bester Art in Tages= und Sitten¬
fragen, ist der vierte der kürzlich vom Geist getriebenen Propheten! Sein
„Freiwild“ ist eines jener wundervollen Tendenzstücke, deren Lehre
man erst merkt, wenn man sich vom Gewaltstreich der Geschehnisse erholt
hat! Man empfindet nicht, daß uns eigentlich gepredigt wird
hohes Verdienst des Autors! Schon in Schnitzler's „Liebelei" war
etwas von „Freiwild“ vorzuahnen! Hier wie dort sind jene armen
Weiber geschildert, die ein „Freiwild“ für jeden Mädchenjäger von
Beruf oder Zufall abgeben, und hier wie dort wird das Gebot auf¬
gesagt: Du sollst Dich tödten lassen (Folgt Inhalt.) Ein herzliches
„Bravo dem kundigen Theatermann und famosen Bühnen-Illustrator!
„Deutsche Tages Zeitung"
Das vieraktige Schauspiel hat, um dies gleich vorweg
zu nehmen, einen entschiedenen Erfolg gehabt; diese ist
erster Reihe dem Verfasser zuzuschreiben, der ein interessantes Problem
aufgestellt hat und die Spannung bis zum Schluß rege erhält, dann
aber auch den darstellenden Kunstlern, welche durchweg ihr Bestes
gaben und durch treffliches Zusammenspiel eine einheitliche Aufführung,
ein Kunstwerk aus einem Guß vorführten. Viele werden mit dem Werk¬
des Dichters nicht übereinstimmen, aber das ändert nichts an der That¬
sache, daß er es verstanden hat, die lebhafteste Theilnahme für sein,
eine durchaus moderne, in unserm heutigen Leben eine bedeutende Rolle
spielende Frage behandelndes Schauspiel zu erregen. Es dreht sich um
einen Zweikampf, den der eine verweigert, der andere, ein Offizier, aber
erzwingen muß, um seine Stellung, ja ne Existenz zu wahren. (Folgt
Inhalt). Auf jeden Fall hat der Verfasser ein packendes
Sittengemälde geschaffen, das, wenn er mit seinen Ansichten
und Ueberzeugungen auch im Hintergrunde bleibt, zum Nach¬
denken anregt und, weil es direkt aus dem Leben gegriffen
ist, der Theilnahme aller gebildeten Kreise sicher ist. Die
Charakteristik der einzelnen Figuren ist sehr gut gelungen. Der Ver¬
fasser wurde nach jedem Akte lebhaft gerufen. Das Haus war
überhaupt äußerst beifallsfreudig.
„Volks=Zeitung“:
Arthur Schnitzler, der sich mit seinem Erstlingsdrama „Liebelei
so glücklich einführte, hat uns gestern in seinem neuen Schauspiel
„Freiwild“ ein Tendenzstück geboten, dem Zeit und Umstände so günstig
wie nur irgend möglich waren. Er behandelt darin die Duellfrage,
aber von einem ganz andern Gesichtspunkte aus, wie ihn der Baron
von Roberts in seinem Schauspiel „Satisfaktion" einnahm. Schnitzler
weist in „Freiwild ganz besonders auf die durch falsche Ehrbegriffe
geschaffene Zwangslage der Offiziere hin, und da die bürgerliche Ge¬
sellschaft mit gerechter Entrüstung gegen Röcher ihrer beleidigten Ehre
vom Schlage des Herrn von Brüsewitz geladen ist, so mußte „Freiwild
eine stark sensationelle Wirkung in dem dichtbesetzten Hause hervorrufen.
Schnitzler behandelt diesmal den Fall Karinski Rönning. (Folgt Inhalt.)
Das neue Dram, des begabten Wiener Dichters ist ein kräftiger Wurf
gegen den falschen Ehrbegriff des Militärs und den Duellung, und
darum heißen wir es willkommen. Im ersten Akt schildert Schnitzler
das Schauspielerelend und namentlich die verzweifelte Lage anständiger
Mädchen, in denen jeder reiche Müßiggänger Freiwild sieht. Sobald
aber die Ohrfeige gefallen, giebt er dies Thema auf und rückt die Duell¬
frage in den Vordergrund. Der erste Akt wirkte sehr ansprechend durch
die satyrische Schilderung der Theatermisère. Der Dichter wurde nach
jedem der drei Akte wiederholt hervorgerufen.
„Deutsche Warte.
Eine förmliche Duellwuth scheint auf den weltbedeutenden rettern
ausgebrochen zu sein; kaum ist Hartlebens „Ehrenwort vorher
so führt der liebenswürdige Verfasser der „Liebelei" durch sein „Frei¬
wild noch tiefer in die Sache ein. (Folgt Inhalt.) Es macht aber
aufmerksam auf verschrobene Ehrbegriffe, die die damit Behafteten selbst
zu gemeinen Mördern erniedrigen, in dem Wahn, daß sie auf diese Weise
ihre verlorene Ehre wiederherstellen können. Aufgenommen wurde
das Stück mit reichlichem Beifall und der Verfasser mußte
mehrere Male erscheinen.
„Staatsbürger-Zeitung“:
Das Schauspielerntete gestern Abend lauten Beifall. Jetzt
hat der Fall Brüsewitz viel Staub ausgewirbelt, und das mit Recht. Fast
könnte es so erscheinen, als hätte sich der Autor durch jene unglückliche
Affaire dramatisch anregen lassen. Das ist aber keineswegs der Fall, und
das Stück ist auch älter, als die That des süddeutschen Offiziers im Café
„Tannhäuser. (Folgt Inhalt.)
„Börsen Zeitung“:
Durch sein Schauspiel „Liebelei der genannte Dichter — rasch
beliebt geworden. Man brachte ihm großes Vertrauen entgegen und
das Haus war von einem literarisch interessirten Publikum vollkommen
ausverkauft. Der Titel „Freiwild, das Personenverzeichniß, das so
viele Offiziere und Schauspielerinnen aufwies, ließ auf eine sociale
Moral=Lehre schließen. Aber es kam ganz anders. (Folgt Inhalt.)
Der Autor wurde nach jedem Akt stürmisch gerufen.