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8. Freiwil
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Seite 6.
A
Kunst und Wissen.
Vereinigte deutsche Theater.
„Freiwild, Schauspiel von A. Schnitzler.
(Schauspielhaus, 12. Feber.) Die im schwarz=gelben
Oesterreich mißliebige Tendenz der Duellgegnerschaft,
on dem Beispiel eines Lumpen im Offizierstock er¬
läutert, hat es bewirkt, daß Schnitzlers ungemein
bühnenwirksames Schauspiel erst nach zweiunddreißig Adria
Jahren seine Erstaufführung bei uns erlebte. Mit Astor
einem heiteren, einem nassen Auge können wir heute Bella
die Szenen zwischen dem tätlich tödlich beleidigten Biber
Oberleutnant Karinski, diesem von der Syphilis und Czern
der Pleite gezeichneten Rächer seiner Standesehre, Dani¬
dem Raisonneur über die Absurdität dieses Ehren¬
koderes Paul Rönning und den enttäuschten Assisten¬
ten der verweigerten Schießerei ansehen und über Arbeit
das rasende Tempo der Zeit reflektieren, daß diesen Deut¬
eisernen Bestandteil der Wehr einer Kriegerkaste in¬
alte Eisen geworfen hat. Mit dem gleichen Proz¬
Rad.
gegen die andersgeartete Freijagd auf die wirtschaft¬
lich abhängige, Kavaliersgelüsten preisgegebene Arbei¬
Weiblichkeit, im Stück auf die Schauspielerinnen des Audi,
Fische
Sommertheaters, scheint es auch heute allerdings noch
a
gute Wege zu haben. Schnitzlers melancholischer
ron
Naturalismus läßt beim Fallen des Vorhanges drei
Josef
ruinierte Existenzen zurück, den niedergeknallten
Rönning, den aus der Bahn geworfenen Offizier Kittel
und die verzweifelte Anna, Opfer des Molochs
Ehre und der Konsequenz bürgerlicher Moral. Die
spezifisch Wienerische Note liegt in der Wahl der
kaum
erotischen Region für den ersten Anlaß zur Kata¬
Brün
strophe. Die knappe, gespannte Szenenführung, die
unter
doch Raum hat für Lokalkolorit und heitere Charak¬
teristik des Schmieren= und Gawliersmilieus hält
halte
den Zuschauer dauernd in Atem und wurde bei
zu.
der hiesigen Erstaufführung durch Dr. G. Glücks
Regie aufs wirksamste herausgearbeitet. Man merkte
wieder einmal fleißige Probenarbeit und Textsicher¬
heit. Im Mittelpunkt des Interesses stand diesmal,
zum erstenmal in einer größeren Rolle, P. Wid¬
mann als Paul Rönning. Die programmatischen
Auseinandersetzungen des Duellgegners mit den
Sekundenten im zweiten Akt fanden an ihm trotz
seiner Jugend einen geistig reifen, die Szenen mit
Anna einen vornehmen Darsteller mit gewinnender
Herzlichkeit. Seiner Partnerin F. Heilinger lag
das Herbe und Verbitterte ihrer Rolle vor allem gut,
aber sie fand auch im Erwachen schönerer Zukunfts¬
hoffnungen und in der Angst und Verzweiflung
wahre Töne. Von den übrigen Hauptdarstellern
wuchs G. Wehrle als Karinski über sein sonstiges
Maß durch sorgfältige, in allen Details beherrschte
Charakterisierung hinaus und H. König bildete
als Oberleutnant Rohnstedt das sein abgestimmte
menschlichere Pendant zu ihm. Eine besondere At
traktion des Abends wurde in dem musikalisch raun¬
zenden Gigerl Poldi unseres Tenors I. Patzal
geboten, dessen sichtliche Freude an der Rolle noch
durch die Freude des Publikums an ihm überboten
wurde. Eine köstliche saftige Figur von altem Schrot
und Korn spielte E. Wurmser als Theatertyrann
mit p. t. Rücksichten. Sehr echt wirkte A. Immen¬
dorf als Leutnant Vogel. Dem Dr. Wellner S.
Holgers fehlte das Tröpfchen Schnitzlerschen Oels,
mit dem der Dichter diese seine Lieblingsfiguren
salbt. Um den „Kunsttempel herum kokettierten
und tratschten und maulten die sauberen Freiwild¬
preichen G. Ortens und M. Warden und trie¬
ben ihr heiteres und trauriges Theaterwesen K.
Kalwoda, C. H. Schroth, G. Wilhelm und
M. Maluschinsky. Stimmung und Beifalls¬
freude des übervollen Hauses war besser als je in
dieser Saison und nach jedem Akte gab es unge¬
gelte. Nordung.
Tann (Anstellungsgäste Margarethe
nse.) Wer wie Roy